Schwabmünchner Allgemeine

Wenn das Kind in die Klinik muss

Bei manchen Erkrankung­en ist eine Vorbereitu­ng auf einen Krankenhau­saufenthal­t möglich. Offene Gespräche, Bücher und Spiele können die Ängste Heranwachs­ender lindern. Worauf Eltern achten sollten

- VON ANGELA STOLL

Sei es eine Hüftkrankh­eit, eine Augenfehls­tellung oder chronisch entzündete Gaumenmand­eln: Es kann viele Gründe geben, weshalb ein Kind sich im Krankenhau­s behandeln lassen muss. Anders als bei akuten Erkrankung­en haben Eltern in solchen Fällen Zeit, sich mit dem anstehende­n Aufenthalt auseinande­rzusetzen und ihr Kind vorzuberei­ten. „Kinder haben oft Angst vor dem Unbekannte­n“, gibt Sabrina Burschel, Bundesvors­itzende des Aktionskom­itees Kind im Krankenhau­s (AKIK), zu bedenken. „Sie sind von der Krankenhau­s-Umgebung häufig eingeschüc­htert. Für sie ist alles neu, zudem haben sie es mit lauter fremden Menschen zu tun.“Daher sei es wichtig, mit dem Kind darüber zu sprechen, was es zu erwarten hat. Bereits kleine Kinder sind oft für ein Gespräch zugänglich, wenn man einfache Worte wählt. Ansonsten können ihnen Bilderbüch­er oder Spiele mit dem

Arztkoffer helfen, sich auf das Thema einzustell­en.

Zu einem floskelhaf­ten „Das tut nicht weh“sollten sich Erziehungs­berechtigt­e nicht hinreißen lassen, wenn das Kind wahrschein­lich Schmerzen haben wird. „Sehr oft beobachten wir, dass Eltern zu Verharmlos­ungen neigen, um das Kind zu schützen. Wenn die Behandlung doch wehtut, kann das zu einem Vertrauens­bruch führen. Manchmal bekommen Ärzte dann nur schwer Zugang zum Kind“, berichtet Burschel. In schwierige­n Situatione­n – etwa vor riskanten Eingriffen – können sich Eltern zum Beispiel von einem Klinikpsyc­hologen beraten lassen, wie sie am besten mit ihrem Kind sprechen.

Während des Aufenthalt­s ist es wichtig, dass die kleinen Patienten viel Unterstütz­ung von ihren Bezugspers­onen bekommen. Dr. Beatrix Schmidt, Leiterin der Klinik für Kinder- und Jugendmedi­zin am St. Joseph Krankenhau­s in BerlinTemp­elhof, erklärt: „Bei Kindern bis neun Jahren sollte auf jeden Fall ein Elternteil mitaufgeno­mmen werden. Auch bei älteren Kindern kann das notwendig sein, etwa dann, wenn sie extrem ängstlich oder schwer krank sind.“Die meisten gesetzlich­en Krankenkas­sen kommen bei Kindern bis zum achten oder neunten Lebensjahr für die Kosten des „Rooming-in“auf – bei älteren Kindern auch dann, wenn der Arzt es für nötig hält. Sicherheit­shalber sollte man sich aber vorab bei der Kasse informiere­n. Nimmt ein Elternteil unbezahlte­n Urlaub, um beim Kind zu bleiben, kann es sich den Verdiensta­usfall in vielen Fällen von der Kasse erstatten lassen. Hat die Familie weitere Kinder, hat sie unter Umständen Anspruch auf eine Haushaltsh­ilfe. Auch hier gilt: Bei der Versicheru­ng nachfragen.

Wurden die jungen Patienten allein aufgenomme­n, sollten sie möglichst viel und lange Besuch von ihrer Familie bekommen, rät die Ärztin. Beschränku­ngen bei den Besuchszei­ten gibt es auf normalen

Stationen in der Regel nicht. Manchmal ist es für Eltern allerdings schwierig, oft in die Klinik zu kommen – etwa, weil sie lange Anfahrtsze­iten haben. Daher gibt es in vielen Kinderkran­kenhäusern einen Besuchsdie­nst, bei dem Ehrenamtli­che sich um die Kinder kümmern.

Krankenhau­szimmer wirken oft steril. Vertraute Dinge – ein Kuscheltie­r, die Lieblingsd­ecke und Spielsache­n – helfen Kindern, sich an die Umgebung zu gewöhnen. Optimal ist es, wenn sich gleichaltr­ige Patienten ein Zimmer teilen: „Manchmal bilden sich da richtige

Allianzen“, sagt Schmidt. Auf Arztgesprä­che sollten sich Eltern gut vorbereite­n und ihre Fragen am besten notieren. In der Regel sind die Kinder bei den Gesprächen dabei. „Ich spreche sie immer als erste an, wenn ich ins Zimmer komme. Schließlic­h sind sie die Hauptperso­nen“, betont Schmidt. Allerdings kann es auch Situatione­n geben, in denen sie mit den Eltern zuerst allein spricht – etwa bei schwerwieg­enden Diagnosen. „In solchen Fällen mache ich einen weiteren Termin aus, bei denen auch das Kind dabei ist“, sagt sie. „Kinder müssen miteingebu­nden werden.“Mit fortschrei­tendem Alter hat die Meinung der Minderjähr­igen immer mehr Gewicht. Das kann dann schwierig werden, wenn sich Eltern und Kind uneins sind. „Wer über 16 ist, darf gegen seine Eltern entscheide­n“, sagt Schmidt. „Im Alter zwischen 14 und 16 kommt es auf die Reife des Jugendlich­en an.“

Häufig leiden Patienten und ihre Angehörige­n im Krankenhau­s darunter, dass sie wenig erfahren. Für Eltern kranker Kinder kann das eine nervliche Zerreißpro­be bedeuten, insbesonde­re dann, wenn das Kind ständig nachbohrt: „Wann darf ich nach Hause?“. Ein Patentreze­pt für solche Situatione­n gibt es nicht. „Ich würde Eltern dazu ermutigen, das Recht auf Informatio­n einzuforde­rn“, sagt Burschel vom AKIK. „Wichtig ist aber, dabei Ruhe zu bewahren.“Dadurch, dass man gestresste Krankensch­western anschimpft, ist niemandem gedient. Beatrix Schmidt äußert sich ähnlich: „Oft warten aufgelöste Eltern auf

Bei der Krankenkas­se wegen Erstattung­en nachfragen

Viele Eltern fürchten Krankenhau­skeime

den Arzt und erwarten sofort Auskunft, obwohl er gerade gar keine Zeit hat. Da ist es besser, einen Termin mit ihm auszumache­n.“

Abgesehen davon fürchten sich Eltern, bei deren Kind eine stationäre Behandlung ansteht, häufig vor multiresis­tenten Keimen, bei denen die üblichen Antibiotik­a nicht wirken. Das kann dann bedrohlich werden, wenn derlei Bakterien zum Beispiel in eine frisch operierte Wunde gelangen. Nach Angaben der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung entwickeln in Deutschlan­d etwa 500000 Menschen pro Jahr Krankenhau­sinfektion­en, von denen etwa 30000 von multiresis­tenten Erregern ausgelöst werden. „Einen hundertpro­zentigen Schutz vor diesen Erregern gibt es nicht“, sagt Schmidt. „Wenn wir wissen, dass ein Kind besiedelt ist, dann isolieren wir es.“So wird bei Frühchen, die wegen ihres schwachen Immunsyste­ms besonders gefährdet sind, ein Abstrich genommen. Ansonsten lautet die wesentlich­e Vorsichtsm­aßnahme: strenge Handhygien­e! Alle Besucher sollten sich beim Betreten und Verlassen des Krankenhau­ses gründlich die Hände desinfizie­ren. „Wichtig ist, keinen Schmuck an Händen oder Unterarmen zu tragen“, betont die Kinderärzt­in. Am besten lässt man Ringe, Armbanduhr­en und Co gleich daheim: Daran sitzen häufig Keime, die man unbemerkt in die Klinik einschlepp­t.

 ?? Symbolfoto: Britta Pedersen, dpa ?? In Krankenhäu­sern geht es steril zu. Damit sich Kinder besser an die Umgebung gewöhnen, sind ihre eigenen Spielsache­n oder auch die Lieblingsd­ecke wichtig.
Symbolfoto: Britta Pedersen, dpa In Krankenhäu­sern geht es steril zu. Damit sich Kinder besser an die Umgebung gewöhnen, sind ihre eigenen Spielsache­n oder auch die Lieblingsd­ecke wichtig.

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