Schwabmünchner Allgemeine

Was tun bei Heißhunger?

Die Lust auf Chips oder Schokolade meldet sich oft mit Macht. Was der Körper dann wirklich braucht

- Eva Dignös, dpa

Schokolade – jetzt, sofort! Heißhunger duldet keinen Aufschub. Und er weiß genau, was er will. Einer Attacke lässt sich nur schwer widerstehe­n. Und sie hat meist zur Folge, dass eine ziemlich große Portion im Magen landet. „Craving“nennt man das Phänomen auf Englisch, ein Verlangen, ähnlich wie es Süchtige nach Drogen oder Alkohol haben. Die neuronalen Mechanisme­n seien vergleichb­ar, sagt Ernährungs­psychologe Adrian Meule. Er erforscht an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München, welche Faktoren das Essverhalt­en beeinfluss­en und steuern. Denn auch beim Heißhunger fällt es schwer, die Kontrolle über die Gelüste zu behalten.

Mit echtem Hunger hat das oft wenig zu tun. Geht dem Körper die Energie aus, schreit er zwar auch gern nach etwas Süßem, um seinen Blutzucker­spiegel wieder zu heben. Er ist aber deutlich weniger wählerisch. „Beim Heißhunger hingegen mangelt es dem Körper in der Regel nicht an Nährstoffe­n“, sagt Meule.

Bei einem Experiment ernährten sich die Probanden eine Woche lang nur von flüssigen Shakes. Die Drinks enthielten alles, was der Körper brauchte – „und trotzdem nahm der Heißhunger stark zu“, so Meule. Nicht die Kalorien, sondern die Abwechslun­g fehlte.

Vor allem fett- und kohlenhydr­atreiche Lebensmitt­el erscheinen vor dem inneren Auge, wenn der Heißhunger zuschlägt. Nicht Gurkensche­iben oder Apfelstück­e, sondern Pizza, Chips und Schokolade – ein Relikt aus jenen Zeiten, als energierei­che Lebensmitt­el das Überleben sicherten und der Körper für Hungerzeit­en vorsorgen musste. Dass er mittlerwei­le meist im Überfluss lebt, hat an diesen evolutionä­ren Mechanisme­n nichts geändert.

Bei vielen sind außerdem Emotionen mit im Spiel. Kinder bekommen Schokolade als Belohnung oder zum Trost, in einer stressigen Phase bei der Arbeit hilft eine Tüte Gummibärch­en. „Das sind antrainier­te Gewohnheit­en“, sagt Maike Ehrlichman­n, Ernährungs­wissenscha­ftlerin und zertifizie­rte Ernährungs­beraterin

aus Hamburg. „Das Gehirn speichert ab, wenn es sich nach bestimmten Lebensmitt­eln entspannt hat, und verlangt in ähnlichen Situatione­n wieder danach.“

Wie stark solche Erfahrunge­n das Essverhalt­en beeinfluss­en, ist individuel­l verschiede­n. „Wer zu einem emotionale­n Essverhalt­en neigt, hat auch häufiger mit Heißhunger zu tun“, erläutert Adrian Meule. Doch was tun bei übermächti­ger Lust auf Schokolade und Chips? Maike Ehrlichman­n hält wenig von Selbstkast­eiung, sondern rät: „Nimm dir, worauf du Lust hast, und schau, ob es dir wirklich besser geht.“Wer das ganz bewusst tut, stellt möglicherw­eise fest, dass der gewünschte Effekt oft gar nicht eintritt. Sich etwas zu verbieten, ist laut Ehrlichman­n die falsche Reaktion. Stattdesse­n gelte es herauszufi­nden, wonach der Körper wirklich verlangt: Vielleicht bringen eine Entspannun­gsübung, ein kurzer Spaziergan­g oder ein Gespräch mit Freunden viel mehr Wohlbefind­en als die schnell verputzte Schachtel Pralinen.

Vor allem bei Nebenbei-Mahlzeiten am Schreibtis­ch oder vor dem Fernseher geht schnell die Kontrolle verloren. Weil es ja auch so gut schmeckt, wird mehr hinunterge­schlungen als nötig. „Das Sättigungs­gefühl setzt nach 15 bis 20 Minuten ein, da ist die Tafel Schokolade schon weg“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung. In Ruhe zu kauen, zu schmecken und zu schlucken, ist deshalb eine gute Methode, die Essensmeng­e auf ein gesundes Maß zu begrenzen. „Auch Ablenkung hilft“, sagt Gahl. „Denn Essen ist oft eine Ersatzbefr­iedigung, weil uns in Wirklichke­it langweilig ist oder wir uns nach einem Gesprächsp­artner sehnen.“

Auch bei einer Diät mit strikten Regeln funkt oft der Heißhunger dazwischen. Mit einer flexiblen Abnehmstra­tegie und einem möglichst abwechslun­gsreichen Speiseplan lässt sich das Heißhunger-Risiko reduzieren. Das zeigt auch die Forschung, erklärt Ernährungs­psychologe Meule. Es gehe gar nicht darum, auf gar keinen Fall etwas zu essen, wenn sich der Heißhunger meldet. Es sollte nur nicht unbedingt das sein, wonach der Körper just in diesem Moment so gierig verlangt. Dabei hilft oft schon ein bisschen Planung: Ein Notfallsna­ck in der Tasche, wie Nüsse oder ein Eiweißrieg­el, macht den Schokorieg­el aus dem Süßwarenau­tomaten überflüssi­g.

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Viele kennen das: Plötzlich muss Schokolade her.
Foto: Christin Klose, dpa Viele kennen das: Plötzlich muss Schokolade her.

Newspapers in German

Newspapers from Germany