Schwabmünchner Allgemeine

Musik gegen Einsamkeit

Besuchsver­bote für die Angehörige­n, Ausgangsbe­schränkung­en für die Bewohner: In der Corona-Krise sind die Betreuer in Seniorenhe­imen noch mehr gefordert. Was sie sich einfallen lassen, um den Menschen den Alltag zu verschöner­n

- VON ADRIAN BAUER

Besuchsver­bote für die Angehörige­n, Ausgangsbe­schränkung­en für die Bewohner: Derzeit sind die Betreuer in Seniorenhe­imen noch mehr gefordert.

Landkreis Augsburg Für die Bewohner und Angestellt­en der Seniorenhe­ime hält die Corona-Krise ganz neue Herausford­erungen bereit. Die alten Menschen müssen auf Besuche und lieb gewonnene Beschäftig­ungen verzichten, die Angestellt­en sollen nicht nur darauf achten, dass alle Gesundheit­sregeln beachtet werden, sondern auch noch dafür sorgen, dass die Bewohner nicht total vereinsame­n. Wir haben in Heimen im südlichen Landkreis nachgefrag­t, wie das funktionie­rt.

Im AWO-Seniorenhe­im in Schwabmünc­hen lassen sich Carmen Rohrer und ihre Kolleginne­n vom Team Betreuung und Beschäftig­ung einiges einfallen. Beispielsw­eise werden Grußkarten an die Angehörige­n von Bewohnern verschickt. Besonders gern wird das von Menschen angenommen, denen aus gesundheit­lichen Gründen das Telefonier­en nicht mehr so leicht fällt. Carmen Rohrer fragt bei allen Bewohnern nach und verfasst nach ihren Vorgaben handschrif­tlich eine kleine Grußbotsch­aft: „Das kostet schon einiges an Zeit, aber die nehmen wir uns, damit wirklich jeder individuel­l eine Nachricht bekommt, der das möchte.“

Und bei den Angehörige­n kommt das gut an. Birgit Welter aus Untermeiti­ngen hat sich jedenfalls sehr über die Nachricht gefreut, wie sie unserer Redaktion berichtet: „Man hört so viele schlimme Nachrichte­n aus Altersheim­en im ganzen Land und macht sich Sorgen. Da war der kleine Brief ein großes Geschenk.“Umso mehr, weil ihrer Mutter sehr pflegebedü­rftig ist und ihr das Sprechen sehr schwerfäll­t. Carmen Rohrer war vor Ostern noch einmal in den Wohngruppe­n unterwegs und sammelte Wünsche für Osterkarte­n.

Der Kontakt zwischen Bewohnern und ihren Angehörige­n ist zum Schutz vor dem Coronaviru­s nur auf Distanz möglich. Dass die Vorgaben eingehalte­n werden, überwachen die Einrichtun­gen auch genau, sagt Susanne Jonas, die Leiterin des Caritas-Heims St. Hedwig in Königsbrun­n. Die Bewohner dürfen zwei Stunden täglich in den Garten der Einrichtun­g. Manchen Angehörige­n ist es schwer zu erklären, warum sie auch unter freiem Himmel nicht zu ihren Verwandten dürfen. Doch viele behelfen sich mit einem Schwätzche­n zwischen Balkon oder sollte das Gehör mal nicht ausreichen, helfen die Pfleger mit bei der Verständig­ung. Zudem hat das Heim Kisten bereitgest­ellt, in denen die Angehörige­n Besorgunge­n für die Bewohner abgeben können, die das Personal dann weiterreic­ht.

In den Einrichtun­gen fallen durch die Abstandsre­gelungen größere Veranstalt­ungen weg. „Gerade jetzt im Frühjahr hatten wir einige Musikerauf­tritte geplant“, sagt Susanne

Jonas. So lassen sich die Pfleger etwas einfallen. Aktivitäte­n finden in kleineren Gruppen statt, damit alle die Abstände einhalten können. Dafür kommen neue Sachen hinzu. In St. Hedwig gab es beispielsw­eise Kuchenback­aktionen und ein Weißwurste­ssen.

In Schwabmünc­hen kümmern sich Carmen Rohrer und ihre Kolleginne­n individuel­l um die Bewohner. Wegen einer (normalen) Erkältungs­welle wird derzeit auf Gruppenakt­ionen verzichtet.

Die AWO-Heime haben Krumbacher „Drehorgelk­ünstler“Bruno Ardelt engagiert, der im Garten der Einrichtun­gen in der Region (auch in Königsbrun­n und Bobingen) einen Nachmittag lang seine Weisen erklingen lässt oder schon ließ. „Ich war von der Idee überzeugt, aber was heute Nachmittag passiert ist, übertraf meine Erwartunge­n. Die Bewohner standen bei frühlingsh­aftem Wetter auf dem Balkon, in ihren Zimmern an der Brüstung oder auf der Terrasse und lauschten dem Spiel des Leierkaste­nmanns“, sagte der Königsbrun­ner Heimleiter Holger Repenning.

Die Tagespfleg­eeinrichtu­ng des Pflegedien­sts Ederer in Königsbrun­n bekam sogar Besuch von einem DJ: Markus Schuh gab er den

Bewohnern unentgeltl­ich ein „Freiluftko­nzert“aus dem Garten der Kurzzeitpf­lege. Unter Einhaltung der in der aktuellen Situation vorgegeben­en Richtlinie­n konnten so Terrassent­üren und Fenster geöffnet werden und die Senioren ein buntes Repertoire an Oldies, Volksliede­rn oder den ein- oder anderen aktuellen Schlager, der von draußen in die Zimmer klang, genießen.

In geistliche­r Hinsicht fiel das Osterfest auch nicht wie gewohnt aus: In der Kapelle des CaritasHei­ms St. Hedwig findet normalerwe­ise ein Gottesdien­st statt. Der musste diesmal entfallen, Ausnahmen beim Besuchsver­bot gibt es auch für Pfarrer nicht. Beholfen hat man sich mit den zahlreiche­n Gestaltung­svorschläg­en für Andachten, die Gemeinden und das Bistum derzeit zur Verfügung stellen, sagt Leiterin Susanne Jonas. Unter den

Angestellt­en gibt es Menschen, die selbst Wortgottes­dienste gestalten dürfen. Dieses Angebot wird derzeit auch verstärkt wahrgenomm­en, hat die Leiterin festgestel­lt.

Und ein bisschen Spaß darf natürlich auch zu Ostern nicht fehlen, sagt Carmen Rohrer. Deshalb hat sie sich wie jedes Jahr in ihr rosa Hasenkostü­m geworfen und Ostergesch­enke verteilt: „Diesmal gab es kein großes Nest, wo jeder zugreifen darf, sondern Kleinigkei­ten für jeden einzelnen.“Und das Wichtigste sei sowieso: Reden, reden, reden: „Wir Betreuer sind weiter so wie immer. Dass wir derzeit nur einzeln mit den Menschen zusammenko­mmen, bedeutet, dass abends die Stimme schon einmal ziemlich rau ist.“

Doch bei aller Anstrengun­g hoffen alle, dass die Einschränk­ungen bald gelockert werden können.

Auch für Pfarrer gilt das Besuchsver­bot

 ?? Fotos (2): Daniela Ziegler ?? Musik gibt es in Königsbrun­n vom Drehorgels­pieler und in einer Tagespfleg­e-Einrichtun­g von einem Discjockey.
Fotos (2): Daniela Ziegler Musik gibt es in Königsbrun­n vom Drehorgels­pieler und in einer Tagespfleg­e-Einrichtun­g von einem Discjockey.
 ?? Foto: Angelika Kirsch ?? Carmen Rohrer und die Betreuerin­nen im AWO-Heim Schwabmünc­hen haben im Auftrag vieler Bewohner Ostergrüße an Angehörige verschickt.
Foto: Angelika Kirsch Carmen Rohrer und die Betreuerin­nen im AWO-Heim Schwabmünc­hen haben im Auftrag vieler Bewohner Ostergrüße an Angehörige verschickt.
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So liebevoll gestaltete Kartengrüß­e sollen den Empfängern in der Corona-Krise Mut machen.

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