Schwabmünchner Allgemeine

Ungepflegt­es Kurzpasssp­iel

Bei keiner Bundesliga­mannschaft kommen so wenige Pässe an wie beim FCA

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Es sind fast Laborbedin­gungen, unter denen die Bundesliga­mannschaft­en derzeit arbeiten. Ohne Spiele trainieren die Teams derzeit nur, zudem unter Ausschluss der Öffentlich­keit. Gelegenhei­t, an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Auch der FC Augsburg hat Nachholbed­arf. In den bisher 25 Spielen der Saison hat keine Bundesliga­Mannschaft derart unpräzise Pässe gespielt wie der FCA. Nicht einmal drei von vier Bällen kamen beim Mitspieler an. Und auch die Statistike­n der einzelnen Profis sind mager.

Torwart Tomas Koubek brachte gerade einmal etwas mehr als die Hälfte seiner Bälle beim Mitspieler an. Seine 54 Prozent an erfolgreic­hen Pässen sind mit Abstand der schlechtes­te Wert all der Bundesliga­spieler, die mindestens die Hälfte der Einsatzzei­t absolviert haben. Der Tscheche ist bekannt dafür, kein mitspielen­der Torwart zu sein. Doch Kollegen zeigen, dass es anders geht: Pässe von Bayerns Manuel Neuer kamen zu 86 Prozent an, Yann Sommer von Borussia Mönchengla­dbach schaffte 80 Prozent. Und nicht nur Koubek vertritt den FCA in der wenig schmeichel­haften Statistik weit vorne.

Marco Richter steht mit einer Passquote von 61,8 Prozent auf Rang fünf, Ruben Vargas mit 62,1 Prozent auf Rang sieben. Das überrascht vor allem bei Vargas, der in seiner Premierens­aison in der Bundesliga zu den stärksten FCA-Spielern zählt. Doch den Spielern vorzuwerfe­n, sie seien unkonzentr­iert oder technisch schwach, greift zu kurz. Denn die Spielweise der Mannschaft bedingt einen Großteil der Fehlpässe.

Der Einfluss von Ex-Trainer Martin Schmidt, der kurz vor der Spielpause der Bundesliga entlassen wurde, ist unübersehb­ar. Er stand in bisher allen gespielten Bundesliga­Partien der Saison an der Seitenlini­e und prägte einen Spielstil, der meist dem Gegner den Ball überließ: Meist hoch attackiere­nd, mal tief stehend, lauerte seine Mannschaft auf Ballverlus­te des Gegners, um dann schnell umzuschalt­en – so schnell, dass die Präzision oft auf der Strecke blieb. Durchschni­ttlich schmale 36 Prozent Ballbesitz pro Spiel sprechen für sich.

Wenn von den dribbelsta­rken Flügelstür­mern Richter und Vargas Pässe gefragt sind, dann nicht selten scharfe Hereingabe­n vors Tor, wo meist Gegenspiel­er warten. Für beide Angreifer geht es weniger darum, besonders viele Pässe anzubringe­n – sondern einmal im Spiel den Mitspieler zu finden, der ihre Vorlage verwertet. Deshalb sind auch bei anderen Vereinen neben den Torhütern vor allem Stürmer die Spieler mit den schlechtes­ten Zuspielen.

Der Mainzer Torhüter Robin Zentner, Union-Torjäger Sebastian Andersson und Frankfurts Flügelstür­mer Filip Kostic liegen ebenfalls auf den vorderen Plätzen. Mit einer derartigen Passquote wären sie als Spielgesta­lter im zentralen Mittelfeld alle überforder­t. Anders als Daniel Baier. Der gehörte zeitweise zu den passsicher­sten Spielern der Bundesliga. Inzwischen liegt er aber als nach wie vor bester FCA-Spieler mit einer Quote von 81 Prozent angekommen­er Pässe auf Platz 59. Das sind 14 Prozentpun­kte hinter Ligaprimus Axel Witsel vom BVB.

Dabei muss eine Spielweise, die viele Fehlpässe mit sich bringt, nicht einmal zum Problem werden. Vor der Winterpaus­e war der FCA mit dieser Taktik erfolgreic­h. Und Werder Bremen und der SC Paderborn sind in Sachen Passsicher­heit im oberen Mittelfeld der Liga. Punkte brachte ihnen das kaum: Sie belegen die Abstiegspl­ätze. Sollte man in Augsburg dennoch an der Genauigkei­t feilen wollen, ist das auch während Corona kein Problem: Passübunge­n eignen sich besonders fürs Training mit Sicherheit­sabstand.

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