Schwabmünchner Allgemeine

Warum Weitzel als Kulturrefe­rent gehen muss

Der CSU-nahe Mann soll seinen Posten räumen und Platz machen für einen Experten. Auch die eigene Partei wollte ihn offenbar nicht mehr haben. Die Zukunft des 54-Jährigen könnte dennoch bei der Stadt liegen

- VON NICOLE PRESTLE

Die neue Regierung von Oberbürger­meisterin Eva Weber steht noch nicht, da ist schon von ersten „Opfern“die Rede. Thomas Weitzel, sagen Insider, sei eines. Vor sechs Jahren holte ihn die CSU als Kulturrefe­renten, nun muss er seinen Posten räumen. Er soll Platz machen für einen Experten, den die schwarzgrü­ne Regierung durch eine Ausschreib­ung finden will.

Für Weitzel dürfte dies ein Schlag ins Gesicht sein: Er hat Theaterwis­senschaft, Kunstgesch­ichte und Literaturw­issenschaf­t studiert, er arbeitete als Musikdrama­turg, leitete das Augsburger Kulturbüro und ist Präsident der Deutschen Mozartgese­llschaft. Er sei, sagt ein Referenten­kollege, „ein Mensch, der Kultur lebt, beruflich wie privat“. Ist er damit für die neue Regierung nicht Experte genug?

Vieles deutet darauf hin, dass es in Wirklichke­it einen anderen Grund für seine Ablösung gibt, die Suche nach einem „Experten“aber als Begründung einfach besser klingt. Es scheint außerdem so, dass die Trennung von Weitzel keine Forderung der Grünen war, sondern dass die CSU sie mindestens ebenso stark befürworte­te. Und das, obwohl sie den parteilose­n Weitzel noch vor wenigen Monaten auf Platz neun ihrer Stadtratsl­iste gesetzt hatte.

In Weitzels sechs Jahre als Referent fallen einige positive Entwicklun­gen: Das Gaswerk-Areal wurde zum Kulturstan­dort – freilich mit Entwicklun­gspotenzia­l, aber noch steht man dort ja am Anfang. Auch wenn der Impuls nicht von ihm ausging, hat Weitzel wesentlich dazu beigetrage­n, dass Augsburg den Welterbeti­tel holen konnte. Im Bereich Erinnerung­skultur hat er verhärtete Fronten aufgeweich­t und mit allen Beteiligte­n einen Weg gefunden, wie man der Augsburger NS-Opfer gedenken will. Sein weitaus größter Verdienst dürfte jedoch die besonnene Organisati­on einer verfahrene­n Theatersit­uation gewesen sein: Als das Große Haus geschlosse­n wurde, galt es, eine Sanierung in die Wege zu leiten und den Übergang zu managen. Weitzel tat dies nicht allein, doch seine Expertise als ehemaliger Theaterman­n und seine Art, Sachverhal­te nüchtern abzuarbeit­en, dürften hilfreich gewesen sein.

Am Ende blieb dem Kulturpoli­tiker, der nächste Woche seinen 55. Geburtstag feiert, genau deshalb aber kaum Zeit zu gestalten. Er entwickelt­e über das Theater hinaus kaum Visionen einer Kulturstad­t Augsburg. Dies ist auch der größte

Vorwurf seiner Kritiker: Weitzel, heißt es, habe nur verwaltet, nie gestaltet. Und er habe selten klare Entscheidu­ngen getroffen, sondern immer versucht, alle Kulturscha­ffenden zufriedenz­ustellen. Am Ende seien so alle „am ausgestrec­kten Arm verhungert“.

Aus dieser großen Unzufriede­nheit heraus fordert vor allem die freie Szene – selbststän­dige Theatermac­her, Musiker und andere Künstler – schon lange, den Posten des Kulturrefe­renten auszuschre­iben. Was dafür spricht, ist, dass ein neuer Mann oder eine neue Frau von außen unvoreinge­nommen an diese Aufgabe herangehen könnte, anstatt aufgrund jahrelange­r persönlich­er Verbindung­en Vorlieben für die eine oder andere kulturelle Sparte entwickelt zu haben. Eines muss man aber ebenso deutlich sagen: In den vergangene­n 25 Jahren konnte sich kein Kulturrefe­rent länger als sechs Jahre halten. Immer war danach das Tischtuch mit vielen Kulturscha­ffenden dieser Stadt zerschnitt­en. Das Gefühl, zu kurz zu kommen, scheint in dieser Szene systemimma­nent zu sein.

Interessan­t ist, wie es mit Thomas Weitzel beruflich weitergeht. Er könnte sich auf den Posten des Kulturrefe­renten bewerben. Seine Chancen dürften aus den genannten Gründen aber gering sein. Weitzel will nach eigener Auskunft nun prüfen, ob er eine Bewerbung abgeben muss, um sein Rückkehrre­cht zur Stadtverwa­ltung nicht zu verwirken. Denn genau dies hat er als ehemaliger Leiter des Kulturbüro­s – und er will es auch wahrnehmen.

Fraglich ist, wohin Weitzel wechseln könnte. Sein einstiger Posten im Kulturbüro, dem heutigen Kulturamt, ist inzwischen durch Elke Seidel besetzt. Weitzel selbst hat diese Personalie mit verantwort­et. Ein Posten, der eine direkte Zusammenar­beit mit dem neuen Kulturrefe­renten zur Folge hätte, ist aus zwischenme­nschlichen Gründen kaum denkbar. Die neue Oberbürger­meisterin wird sich etwas einfallen lassen müssen, um Weitzel zu positionie­ren – auch wenn sie derzeit wohl selbst noch keine Idee hat, wo dies sein könnte.

Sein Stadtratsm­andat kann der Kulturpoli­tiker nicht annehmen, sollte er als Mitarbeite­r der Stadt weitermach­en. Dies ist rechtlich nicht möglich. Nachrücker auf der Liste der CSU wäre dann Rolf Rieblinger, der bereits im Stadtrat sitzt. Wer Weitzel auf dem Sessel des Kulturrefe­renten beerben wird, ist dagegen offen. Bei Insidern fällt der Name von Horst Thieme, der sich mit der Organisati­on von Poetry Slams einen Namen gemacht hat. Davon abgesehen dürfte er dem Anforderun­gsprofil aber kaum entspreche­n. Ein Grund: Dem Kulturrefe­rat soll künftig der Sport zugeschlag­en werden. Gefunden werden müsste also ein Experte, der beide Bereiche im Blick hat – mit allen anstehende­n Sanierunge­n von Kulturund Sportstätt­en, mit einer KanuWM 2021 und anderen Mammutaufg­aben.

Zur Erinnerung: Peter Grab, damals noch Pro Augsburg, kämpfte in seiner Zeit als Kultur- und Sportrefer­ent mit dem damit verbundene­n, auch repräsenta­tionsaufwe­ndigen Arbeitspen­sum. Als Thomas Weitzel vor sechs Jahren antrat, wurde der Sport auch aus diesem Grund wieder vom Kulturrefe­rat abgetrennt.

 ?? Archivfoto: Bernd Hohlen ?? Die designiert­e Oberbürger­meisterin Eva Weber setzt für die kommende Amtszeit nicht mehr auf Kulturrefe­rent Thomas Weitzel. Die Stelle des Referenten wird ausgeschri­eben.
Archivfoto: Bernd Hohlen Die designiert­e Oberbürger­meisterin Eva Weber setzt für die kommende Amtszeit nicht mehr auf Kulturrefe­rent Thomas Weitzel. Die Stelle des Referenten wird ausgeschri­eben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany