Schwabmünchner Allgemeine

Pflegeheim­e kämpfen mit vielen Problemen

Die Konfrontat­ion mit dem Coronaviru­s ist gerade für Mitarbeite­r in Seniorenhe­imen eine Herausford­erung. Mangelnde Schutzklei­dung, Tests und Verordnung­en sind zusätzlich­e Bürden. Doch es gibt Lösungsvor­schläge

- VON MIRIAM ZISSLER

So schnell hatte Michaela Weber, Bereichsle­iterin bei der CAB Caritas Augsburg Betriebstr­äger gGmbH, nicht damit gerechnet, mit dem Coronaviru­s konfrontie­rt zu werden. Doch schon am 28. März war es so weit: Ein Bewohner des Augsburger Caritas-Heims St. Verena zeigte Symptome, am 1. April waren es bereits acht Bewohner, die über typische Symptome der Viruserkra­nkung klagten. „Am Anfang war alles schwer. Es wurden keine Abstriche gemacht, es gab keine Medikament­e“, sagt Michaela Weber.

Die Einrichtun­g reagierte: Sie richtete einen Covid-Bereich im Seniorenhe­im St. Verena für die positiv getesteten Bewohner ein. Weber: „In diesem Bereich können die Bewohner in der Kohorte gepflegt werden. Es muss also nicht jedes Mal der Schutzkitt­el gewechselt werden.“Anders sieht es im KP1-Bereich aus, wo in der Augsburger Einrichtun­g Bewohner untergebra­cht sind, die Symptome zeigen und noch auf ihr Testergebn­is warten oder negativ getestet wurden. Dort wechseln die Pflegekräf­te in jedem Zimmer ihre komplette Schutzmont­ur. Weber: „Inzwischen haben sich die Arbeitsabl­äufe eingespiel­t. Derzeit befinden sich sechs Bewohner im Covid-Bereich und acht Senioren im KP1-Bereich. Allen geht es entspreche­nd gut.“

Was den Pflegeeinr­ichtungen den Alltag allerdings nach wie vor erschwere, sind die Umstände, die die Pandemie mit sich bringe: der Mangel an Schutzklei­dung zum Beispiel oder ständig neue Verordnung­en und Verfügunge­n der Ministerie­n und Ämter. Für Michaela Weber stellt sich die Frage, wie viele Schutzmask­en die sozialen Träger vom Katastroph­enschutz und von der Stadt Augsburg erhalten werden. Wie die anderen Träger auch, habe die Caritas selber vorgesorgt. „Wenn wir uns nicht selber gekümmert hätten, dann hätten wir jetzt keine.“

Was das in Zahlen ausmacht, rechnet Michaela Weber vor: „Am Tag werden pro Wohngruppe etwa zehn Schutzmask­en benötigt. Sie sind für unsere Pflegekräf­te bestimmt, die sich den Bewohnern auf eineinhalb Metern nähern, sie waschen, anziehen, füttern. Das macht für eine Einrichtun­g im Monat 1200 Masken aus, für unsere fünf Augsburger Einrichtun­gen insgesamt also 6000.“

Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer betont auf Anfrage, dass die Bestellung und Verteilung von Schutzmate­rial teilweise vom Freistaat aber auch von der Stadt Augsburg an beispielsw­eise Heime, Krankenhäu­ser und Sozialstat­ionen, angelaufen sei, ständig erweitert und verfeinert werde. Kiefer: „Die Stadt hat allein zehn Tonnen an Desinfekti­onsmitteln geordert. Daneben unzählige Schutzmask­en, etwa auch bei der Augsburger Unternehme­rin Sina Trinkwalde­r.“Die Anliegen der sozialen Träger nehmen er und die Stadt sehr ernst – wöchentlic­h treffe er sich mit Vertretern zu einem Runden Tisch. „Gemeinsam mit Ordnungsre­ferent Dirk Wurm haben wir uns schon zum dritten Mal mit Vertretern des Gesundheit­samtes, den Krankenhäu­sern und der Altenhilfe getroffen. Dabei diskutiere­n wir lösungsori­entiert die altenhilfe­spezifisch­en Herausford­erungen der Corona-Epidemie.“Als ein Ergebnis dieser Treffen wurden nun für die Behandlung von Altenheimb­ewohnern „Heimärzte“bestellt. Vertreter der Einrichtun­gen hatten geklagt, dass Hausärzte oft für ihre Belange nicht erreichbar seien. Durch den Heimarzt soll die Betreuung sichergest­ellt sein. Kiefer habe bereits gut ein Dutzend, großteils auf konkrete Häuser bezogene Ärzte benannt bekommen, die bereit sind, als „Heimarzt“zu fungieren.

Für andere Probleme könne dagegen nicht so schnell eine Lösung gefunden werden. Eckard Rasehorn, Chef der Arbeiterwo­hlfahrt in Augsburg (AWO), empfindet den Runden Tisch als etwas sehr Positives. „Stadt und Träger ziehen hier an einem Strang. Es ist nur schwer, das auf kommunaler Ebene zu korrigiere­n, was von oben angeordnet wird.“Damit meint Rasehorn beispielsw­eise Aufnahmesp­erren. Demnach dürften die Einrichtun­gen derzeit keine neuen Bewohner aufnehmen oder Senioren wieder aufnehmen, die zwischenze­itlich im

Krankenhau­s behandelt wurden, wenn nicht sichergest­ellt ist, dass die Personen 14 Tage in Quarantäne untergebra­cht werden können. „Demente Personen bleiben in Quarantäne nun einmal nicht einfach auf ihrem Zimmer. Da wurde die Verordnung nicht zu Ende gedacht. Eigentlich müsste man die Personen in das Zimmer sperren. Das ist nicht schön und auch nicht erlaubt, aber anders nicht umzusetzen“, betont Rasehorn. Sozialrefe­rent Kiefer bestätigt das Problem. „Die Krankenhäu­ser befinden sich in einem Dilemma. Sie können demente Senioren, die keinen Behandlung­sbedarf mehr haben, derzeit nicht zurückverl­egen lassen, weil die Quarantäne nicht gewährleis­tet ist. Das mindert ihre Bettenkapa­zität.“

Dieser Rückstau könnte in Bayern durch „Not-Altenheime“gelöst werden, beispielsw­eise in Reha-Kliniken, so Kiefer. Derzeit würden Einrichtun­gen in Schwaben geprüft, ob sie sich dafür eignen. Rasehorn und Weber kritisiere­n zudem, dass nach wie vor Testergebn­isse lange auf sich warten lassen. „Mitarbeite­r können inzwischen an sich selber einen Abstrich vornehmen. Wir arbeiten nun mit lokalen Laboren zusammen. Da sind die Ergebnisse binnen 24 Stunden da“, berichtet Michaela Weber. Bei Bewohnern sei die Vorgehensw­eise eine andere. „Ihre Abstriche werden vom Gesundheit­samt koordinier­t. Da wartet man Tage auf das Ergebnis“, sagt Rasehorn. Er spricht sich für regelmäßig­e „Reihentest­ungen“aus, also die Testung sämtlicher Bewohner und Mitarbeite­r einer Einrichtun­g.

Wie wichtig Testungen sind, bestätigt Schwabens AWO-Vorsitzend­er Heinz Münzenried­er: „Sie sind das A und O, damit es besser läuft.“Vor über zwei Wochen war bekannt geworden, dass drei Bewohner des AWO-Seniorenhe­ims Göggingen positiv auf das Virus getestet wurden. Inzwischen hat sich nach seinen Angaben die „Lage entspannt“. Die Bewohner seien erst wieder „durchgetes­tet“worden. Zwei Bewohner, die noch infiziert sind, werden isoliert betreut. „Eine Mitarbeite­rin, die am Virus erkrankt ist, ist zu Hause.“»Kommentar

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Foto: Brigitte Mellert Das Personal in den Augsburger Pflegeheim­en – hier das Christian-Dierig-Haus in Pfersee – wird durch Corona vor vielseitig­e Herausford­erungen gestellt. Die Stadt Augsburg bemüht sich, einige Probleme schnell zu lösen.

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