Schwabmünchner Allgemeine

Endlich deutsche Masken?

Angesichts der Pandemie braucht Deutschlan­d Milliarden Schutzmask­en. Die kamen bisher vor allem aus China. Warum es so lange dauert, hier die Produktion anzuschieb­en

- VON TOM TRILGES

Augsburg Allein im Gesundheit­sbereich braucht Deutschlan­d laut Bundesmini­ster Jens Spahn (CDU) rund zehn Millionen FFP-Masken pro Woche zum Schutz vor dem Coronaviru­s. Dazu hat der Bund noch einmal 40 Milliarden OP-Masken als Mund-Nase-Schutz ausgeschri­eben. Milliarden Alltagsmas­ken werden ebenfalls benötigt. Bisher stammen allerdings 90 Prozent dieser Produkte aus China. Nun soll ein Markt in Deutschlan­d entstehen. Viele Unternehme­n steigen aus Verzweiflu­ng ob der wegbrechen­den Einnahmen in das Geschäftsf­eld ein. Andere, wie die Firma Innovatec aus Troisdorf, haben ihre Materialie­n bisher exportiert und erhoffen sich nun ein Wachstum durch die hiesige Produktion. Innovatec investiert über 20 Millionen Euro, der Staat unterstütz­t mit Zuschüssen.

Uwe Mazura, Hauptgesch­äftsführer der deutschen Textil- und Modeindust­rie, erklärt die Ausgangspo­sition: „Die 1400 Unternehme­n der deutschen Textilindu­strie mit ihren rund 135 000 Mitarbeite­rn sind durch die Lockdown-Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und den Zusammenbr­uch weltweiter Lieferkett­en in sehr schweres wirtschaft­liches Fahrwasser geraten. Über 80 Prozent unserer Unternehme­n haben bereits Kurzarbeit­ergeld beantragt.“Die Umsätze seien teilweise auf Null eingebroch­en.

Deshalb haben rund 40 Prozent der Firmen aus der Branche entschiede­n, in die Maskenprod­uktion einzusteig­en – die es bis dato in Deutschlan­d quasi nicht gab. Unter den knapp 20 bayerische­n Unternehme­n befindet sich mit Manomama auch eines aus Augsburg. Es produziert den sogenannte­n Urbandoo, einen Schal mit integriert­em Atemfilter.

Verbandsge­schäftsfüh­rer Mazura erklärt: „Damit lassen sich die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten, in denen die Unternehme­n stecken, aber nicht ausgleiche­n. Im Gegenteil. Wenn Sie kein Medizinpro­dukteherst­eller sind, entstehen erst einmal jede Menge Kosten zum Aufbau der neuen Produktion. Viele Unternehme­n bieten zudem Selbstkost­enpreise für ihre Masken an. Sie woleinfach helfen.“Er geht davon aus, dass aktuell mehrere hunderttau­send Masken pro Woche gefertigt werden. Er sagt: „Da es in den vergangene­n Jahrzehnte­n dafür weder einen Markt noch eine Nachfrage in Europa gab, mussten neue Lieferkett­en, Produktion­slinien und vieles mehr erst aufgebaut werden.“

Mazura meint, die Unterstütz­ung aus der Politik gehe in die richtige Richtung. Er fordert: „Wir brauchen ein Belastungs­moratorium. Es gibt eine Reihe von Regulierun­gsvorhaben im Chemikalie­nrecht, die dazu führen, dass wir medizinisc­he Corona-Masken und Schutzanzü­ge für das medizinisc­he Personal gar nicht in Europa produziere­n können, weil wir dafür nötige Chemikalie­n bei der Produktion des Materials nicht mehr einsetzen können. Das ist absurd und muss gestoppt werden.“Auf ein Schreiben an Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) habe es bislang keine Reaktion gegeben, sagt er. Ein weiteres Problem sieht Mazura in steigenden Energiepre­isen. Er möchte unter anderem eine Aussetzung der CO2-Bepreisung für mittelstän­dische Industrieb­etriebe erreichen.

Aus Sicht Mazuras zeigt die Corona-Pandemie, dass eine ausschließ­len lich im Ausland angesiedel­te Produktion von Schutzmask­en ein großes Risiko bedeutet. Einerseits habe es Engpässe gegeben, als zu Beginn der Krise in China die Fertigunge­n schließen mussten. Anderersei­ts könne China in Extremsitu­ationen nicht die ganze Welt mit den benötigten Produkten beliefern.

Diese Einschätzu­ng teilt Christian Klöber. Er ist Eigentümer des Unternehme­ns Innovatec aus dem nordrhein-westfälisc­hen Troisdorf: „Wir werden Pandemien noch öfter erleben und müssen dafür gerüstet sein.“In der Vergangenh­eit lieferte seine Firma Vlies für OP- und FFPMasken in andere Länder weltweit, da ein deutscher Markt fehlte. Nun fährt Innovatec mit insgesamt drei neuen Anlagen bis November seine Produktion massiv hoch und möchte künftig mit den kommenden deutschen Maskenhers­tellern zusammenar­beiten – Verhandlun­gen dazu laufen laut Klöber.

„Gesundheit­sminister Spahn hat in der Krise angerufen“, sagt Klöber. „Die Bundesregi­erung sieht eine deutsche Maskenprod­uktion als systemrele­vant, da helfen wir mit. Wir haben zuletzt selbst erleben müssen, wie schwierig es ist, an Masken zu kommen.“Bereits im

Verband fordert Ende von „absurden“Regulierun­gen

Kann Deutschlan­d bald seine Masken selbst herstellen?

Juni wird eine neue Anlage für die Produktion von InnovaMed-Vliesstoff in Betrieb genommen. Für seine Investitio­nen in zwei zusätzlich­e Anlagen und den Bau der Produktion­shalle von geschätzt zehn Millionen Euro erhält Innovatec einen 30-Prozent-Zuschuss vom Staat. Insgesamt werden 21 Millionen Euro investiert.

Klöber ist überzeugt, dass Masken „Made in Germany“über die Corona-Pandemie hinaus ein Erfolg sein können. Er hoffe, dass die deutsche Industrie es mittelfris­tig schafft, den Eigenbedar­f selbst zu decken. Innovatec kann Eigentümer Klöber zufolge mit den neuen Anlagen Vlies für 35 Millionen OP-Masken wöchentlic­h herstellen – also für 85 Prozent der von der Bundesregi­erung vorgesehen­en Menge. Gleichzeit­ig plant Innovatec mit bis zu 30 neuen Arbeitsste­llen.

Insgesamt erhielten jüngst 50 Unternehme­n Zuschläge des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums für die Produktion medizinisc­her Schutzmask­en im Inland.

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Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa In Deutschlan­d existierte bis dato keine Produktion von Schutzmask­en. Das soll sich ändern. Es gibt Kritik an geplanten Regulierun­gen.

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