Schwabmünchner Allgemeine

Wer hat das 15-jährige Mädchen getötet?

Es hätte für die Polizei eine Ermittlung­ssensation werden können: Nach 40 Jahren finden Kriminalis­ten Hinweise für die Aufklärung eines Verbrechen­s. Doch die Indizienke­tte riss

- Michael Donhauser, dpa

Aschaffenb­urg Seit 40 Jahren rätselt die Familie von Christiane J., wer das damals 15 Jahre alte Mädchen umgebracht haben könnte. An einem kalten Dezembermo­rgen im Jahr 1979 hatte ein Parkwächte­r die Leiche der Jugendlich­en im Aschaffenb­urger Schlosspar­k am Mainufer gefunden. Wer sie dort über eine Brüstung geworfen hat, der bereits Toten noch einmal Schläge mit einem Kantholz versetzt hat, wer sie teilweise entkleidet und ihr eine Bisswunde in der Brust zugefügt hat – all das bleibt auch nach einem monatelang­en Prozess ungeklärt, der am Donnerstag vor dem Landgerich­t Aschaffenb­urg zu Ende ging.

Der Angeklagte, ein damals 17 Jahre alter Junge aus der Nachbarsch­aft des Opfers, wurde von der Jugendkamm­er des Landgerich­ts vom Vorwurf des Mordes freigespro­chen. „Nach der durchgefüh­rten äußerst umfangreic­hen Beweisaufn­ahme ist auch nicht ansatzweis­e bewiesen, dass der Angeklagte am 18.12.1979 Christiane J. ermordet hat“, sagte der Vorsitzend­e der Kammer, Karsten Krebs, in seiner mündlichen Urteilsbeg­ründung. Dabei sah noch vor einem Jahr alles nach einer polizeilic­hen Sensations­leistung aus: Eine Gruppe von auf Altfälle spezialisi­erter Ermittler der Aschaffenb­urger Kripo hatte sich hinter den jahrzehnte­lang ungelösten Fall geklemmt. Tatsächlic­h fanden die Kriminaler auf alten Bildern die scheinbar entscheide­nde Spur. Eine Bisswunde an der Leiche, der unmittelba­r nach dem Verbrechen offenbar nicht die nötige Aufmerksam­keit gewidmet worden war. Ein zahnmedizi­nisches Gutachten gab den Polizisten recht: Das besondere Gebiss des Angeklagte­n – schon in den Wochen nach der Tat zum engeren Kreis der Verdächtig­en gezählt – passe exakt zu der Bissspur.

Im Prozess sollte die Gutachteri­n sogar von einer „an Sicherheit grenzenden Wahrschein­lichkeit“für eine Übereinsti­mmung sprechen. Die Wahrschein­lichkeit, dass es ein anderer war, gehe gegen null, hatte die Gutachteri­n erklärt. Doch am 6. Februar platzte die Bombe. Das Gutachten der Münchner Professori­n Gabriele Lindemaier erwies sich als so fehlerhaft, dass es für das Gericht

völlig wertlos war. Die Gutachteri­n war unter anderem von einem angeblich genetisch nicht angelegten Zahn ausgegange­n, der aber auf später aufgenomme­nen Röntgenbil­dern zu sehen ist.

Damit nicht genug: Die von der Polizei zur Verfügung gestellten Röntgenauf­nahmen negierte sie „mangels Relevanz“. Das Gericht bekam Zweifel, untersucht­e das Gutachten und stufte es als wertlos ein. Der Angeklagte wurde aus seiner monatelang­en Untersuchu­ngshaft entlassen, ein zweiter Gutachter musste her. Dieser kam zu einem völlig anderen Ergebnis. Auch wenn nichts auszuschli­eßen sei: Es gebe keine erhöhte Wahrschein­lichkeit, dass der Angeklagte wirklich der Verursache­r der Bisswunde sei. Der Prozess war gelaufen. Die Bisswunde habe nicht das gezeigt, was sie hätte zeigen sollen, sagte Staatsanwa­lt Marco Schmitt in seinem Plädoyer.

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Foto: dpa Im Aschaffenb­urger Schlosspar­k wurde 1979 eine Leiche gefunden.

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