Seite an Seite mit Verstappen
Gianluca Vecchio aus Eichstätt ist einer der besten Simracer der Welt. In seinem Team starten auch leibhaftige Formel-1-Stars. Mit einem ist er mittlerweile sogar befreundet
Eichstätt Gianluca Vecchio drückt auf das Gaspedal. Der Motor heult laut auf, als er höchst konzentriert ein riskantes Überholmanöver einleitet. Vor ihm fährt sein Herausforderer Verstappen in einem Sportwagen. Vecchios Plan geht auf, er führt. Verstappen aber lässt sich das nicht gefallen. Bei einem gefährlichen Versuch, an die Spitze zurückzukehren, kommt der Formel 1 Profi ins Schleudern. Vecchio gewinnt das Rennen, wenn auch knapp.
Einmal über die Ziellinie gefahren, lachen die beiden darüber. Gianluca Vecchio und Max Verstappen trainieren für das weltweit erfolgreichste Simracing-Team Redline (siehe Infokasten). „Zwischen uns besteht eine freundschaftliche Rivalität“, erklärt Vecchio. Das Besondere: Während der 20-jährige Eichstätter neben seiner Simracing-Karriere eine Ausbildung zum Bankkaufmann durchläuft, macht sein Teamkollege Verstappen Karriere als Formel-1-Rennfahrer, ist weltweit bekannt und verdient Millionen. Im Team Redline treffen diese unterschiedlichen Welten aufeinander. Dort fahren der Azubi und der Formel-1-Star gegeneinander.
Immer mehr Rennfahrer aus der Königsklasse des Rennsports, die während der Corona-Krise auf das reale Training verzichten müssen, trainieren nun auf iRacing. Neben Verstappen starten auch Bekanntheiten wie Lando Norris, Kelvin van der Linde, Charles Leclerc und Nicholas Latifi.
Seitdem haben sich Zuschauerzahlen der Streams und Videos versiebenfacht. „Wenn jemand wie Verstappen im virtuellen Rennen ein gefährliches Manöver fährt, lockt das auch Formel-1-Fans“, erzählt Vecchio, der neben Team Redline auch für Porsche Niederlande startet.
Mit Team Redline bereitet er sich derzeit auf den Porsche TAG Heuer E-Sports Supercup am 2. Mai vor. Für die Qualifikation trainierten Vecchio und Verstappen schon zwölf Wochen im Voraus Seite an Seite – wenn auch virtuell. Im Training integriert ist sogar das Fahren bei verschiedenen Wetterverhältnissen wie hoher Luftfeuchte oder Windstärke. „Die Fähigkeiten innerhalb des Teams unterscheiden sich nur um Nuancen. Es geht um Zehntelsekunden“, erklärt Vecchio. „Verstappen ist unglaublich talentiert und ehrgeizig. Wenn er will, macht er uns beim iRacing tatsächlich fertig“, sagt er und lacht.
Nach der Zieleinfahrt profitieren alle Teammitglieder vom gegenseitigen Feedback: Rennfahrer des echten Porsche Supercups kennen die realen Strecken besser, während die Simracer Set-ups für die virtuellen Sportwagen erstellen. So war es beispielsweise Vecchio, der Verstappen bei der technischen Einrichtung seines Simulators half.
Die Stimmung im Team könne laut dem Eichstätter kaum besser sein. Am Anfang sei er überwältigt davon gewesen, auf einmal mit Formel-1-Rennfahrern zu sprechen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kenne. Mittlerweile sei das für ihn aber zur Normalität geworden. So entwickelte sich zwischen dem Simracing-Profi aus Eichstätt und dem belgisch-niederländischen Formel-1-Star eine enge Freundschaft. „Max ist nur ein Jahr älter als ich. Wir treffen uns oft im Internet, um zu quatschen oder lustige Videos zusammen anzuschauen – teilweise bis drei Uhr nachts“, verrät der 20-Jährige und muss schmunzeln.
Trotz der Freundschaft zwischen Vecchio und Verstappen kam bisher kein persönliches Treffen zustande. Das soll aber im Laufe des Jahres mit weiteren Teamkollegen von Redline nachgeholt werden. Die Überlegung sei, spontan ein Wochenende miteinander zu verbringen. Noch aber gelten die Ausgangsbeschränkungen.
Viel Zeit, die zum Training genutzt wird. Vecchio blickt auf seinen geöffneten Bildschirm. „In wenigen Minuten geht es wieder weiter. Max ist sowieso gerade auf dem Server online.“Dann werden die virtuellen Motoren wieder aufheulen im Duell zwischen Gianluca Vecchio aus Eichstätt und dem Formel-1-Star Max Verstappen.