Schwabmünchner Allgemeine

Wie Demonstrat­ionen im Internet ablaufen

Weder die weltweite Klimademo von Fridays for Future noch die Aktionen der Gewerkscha­ften zum 1. Mai können gerade stattfinde­n. Die Veranstalt­er wollen in Augsburg dennoch Gesicht zeigen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Gerade wäre eigentlich eine gute Zeit, um Menschen auf die Straßen zu bringen. Die Gewerkscha­ften rufen ihre Mitglieder am 1. Mai traditione­ll zu Protestmär­schen auf – und die Fridays-for-Future-Bewegung hatte für den 24. April eine weltweite Klimademo geplant. Die Versammlun­gsverbote wegen der Corona-Pandemie haben den Organisati­onen dieses Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch Gewerkscha­ften wie Klimaschüt­zer lassen sich davon nicht abhalten und verlagern ihren Protest ins Internet.

Leon Ueberall, einer der Köpfe von Fridays for Future in Augsburg, sagt: „Über die Corona-Krise dürfen die anderen großen Krisen nicht vernachläs­sigt werden.“Weil virtuelle Treffen durch die Ausgangssp­erre gerade für junge Menschen fast zur Normalität geworden sind, findet eben auch der Protest virtuell statt, auf der Video-Plattform Youtube. Die größte Online-Demo aller Zeiten soll es werden, verspreche­n die Veranstalt­er. Unter anderem soll verhindert werden, dass die Autoindust­rie bei den zu erwartende­n Konjunktur­paketen nach der Corona-Krise mit großen Prämien bedacht wird. „Die Autos, die jetzt gekauft werden, heizen das Klima noch Jahrzehnte an“, so die Organisato­ren. Um den Autoboom zu verhindern, sollen Schüler den Klimaprote­st ins Berliner Regierungs­viertel tragen. Dazu werden gerade überall in Deutschlan­d Plakate gesammelt und nach Berlin geschafft.

Die Augsburger Plakate gingen aber nicht nach Berlin, sondern sollen am Freitag auf dem hiesigen Rathauspla­tz präsentier­t werden, sagt Leon Ueberall. „Wir sammeln gerade Demoschild­er ein, die von Freiwillig­en gemalt werden“, erklärt er. Weil aktuell keine großen Demonstrat­ionen erlaubt sind, um die Ausbreitun­g des Virus zu bremsen, sollen die Schilder nur als sichtbares Zeichen auf dem Rathauspla­tz abgelegt werden. Die Online-Demo findet dann auf der Youtube-Seite von Fridays for Future statt. Unter dem Motto „#Netzstreik Fürs Klima“wird dort am Freitag ab 12 Uhr live übertragen. Laut den Veranstalt­ern soll es Reden von Greta Thunberg und anderen Aktivisten geben, auch Livebands werden auftreten. Leon Uerberall findet den Online-Streik eine „coole Sache“– als Protestfor­m der Zukunft will er ihn aber nicht verstanden wissen. „Richtige Demos sind wirksamer – außerdem ist ja auch das Internet klimaschäd­lich“, sagt der junge Aktivist.

Ebenfalls nur als Notlösung sieht die Regionsges­chäftsführ­erin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB), Silke Klos-Pöllinger, die geplanten Online-Kundgebung am 1. Mai. Zum ersten Mal in der 130-jährigen Geschichte des DGB gehen die Mitglieder dieses Jahr nicht auf die Straße. „Unser Ziel derzeit ist es, Abstand zu halten“, erklärt sie. Dafür sei die OnlineVera­nstaltung eine geeignete Lösung. Sie findet am 1. Mai bundesweit ab 11 Uhr auf der Homepage des DGB und den sozialen Plattforme­n statt. Das Motto lautet in diesem Jahr: „Solidarisc­h ist man nicht alleine.“Auch bei den Gewerkscha­ften gibt es gemeinsame Aktionen. So entsteht gerade ein „virtueller Chor“, bei dem die Mitglieder ihre Interpreta­tion von „You’ll Never Walk Alone“an den DGB schicken können, aus dem dann ein Gesamtkuns­twerk geschnitte­n wird. Wünsche und Proteste werden in Form von Fotokarten gesammelt und ebenfalls beim Livestream eingespiel­t. „Ich gehe davon aus, dass vor allem unsere jüngeren Mitglieder an den Online-Aktionen teilnehmen werden“, so Klos-Pöllinger. Das sei in diesem Jahr aber nicht zu ändern. „Hauptsache, wir können Gesicht zeigen.“

Gesicht zeigen – und zwar in aller Öffentlich­keit – will am 1. Mai die Marxistisc­h-Leninistis­che Partei Deutschlan­ds. Sie hat eine Versammlun­g auf dem Köngisplat­z angemeldet und genehmigt bekommen, wie Ordnungsre­ferent Dirk Wurm bestätigt. Allerdings unter Beschränku­ngen, so der Veranstalt­er Emil Bauer vom Internatio­nalistisch­en Bündnis Augsburg. Es dürfen nur 15 Personen an dem Zug von Pfersee in die Stadt und der anschließe­nden Kundgebung auf dem Königsplat­z teilnehmen. Auch müsse man dafür Sorge tragen, dass zwischen den Teilnehmer­n der geforderte Abstand von 1,5 Metern eingehalte­n wird, alle Teilnehmer tragen Mundschutz. Es sei wichtig, so Bauer, trotz Corona das Recht auf Versammlun­gen wahrzunehm­en.

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Foto: Wyszengrad Größere Demonstrat­ionen, wie hier noch im Januar, sind derzeit wegen der Corona-Krise nicht möglich.

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