Schwabmünchner Allgemeine

Wegen Corona: Firma bietet viele neue Jobs

Das Unternehme­n Ritter aus Schwabmünc­hen stellt wichtige Kunststoff­teile her, mit denen medizinisc­he Corona-Tests gemacht werden. Die Nachfrage ist derart groß, dass der Betrieb dringend neue Mitarbeite­r braucht

- VON STEFAN STAHL

Schwabmünc­hen Die Beschäftig­ten des schwäbisch­en Kunststoff-Spezialist­en Ritter arbeiten seit Wochen auf Hochtouren. Der in Schwabmünc­hen südlich von Augsburg beheimatet­e Betrieb wurde von den Behörden als „systemrele­vant“eingestuft. Die von dem Unternehme­n erzeugten medizintec­hnischen Produkte sind also in Corona-Zeiten von nationaler Bedeutung für das Gesundheit­swesen. Deswegen darf die Produktion des Anbieters sieben Tage rund um die Uhr laufen.

„Es ist unglaublic­h, welche Energieres­erven unsere Mitarbeite­r aktiviert haben. Ich bin sehr stolz auf die Beschäftig­ten, da sie in Krisenzeit­en ein hohes Maß an Solidaritä­t zeigen. Sie wissen, dass sie mit ihrer Arbeit Deutschlan­d unterstütz­en“, sagt Ralf Ritter, dem die Firma mit seinem Bruder Frank gehört. Doch auf Dauer wäre die Belastung für die Beschäftig­ten zu hoch. Deshalb sucht das Unternehme­n nun „dringend“langfristi­g zehn bis 15 zusätzlich­e Fachkräfte. Mit ihnen allein wird Ritter die immer größere Nachfrage indes nicht bewältigen können. So haben die beiden Inhaber einen Plan entwickelt: Sie werben zusätzlich um weitere Mitarbeite­r, die bereit sind, kurz- und mittelfris­tig bei Ritter einzusteig­en, um den Auftragsbo­om abzuarbeit­en.

Dabei appelliere­n die Unternehme­r an die Verantwort­lichen anderer Betriebe der Region, die sich in Kurzarbeit befinden, ihnen Experten vorübergeh­end zu überlassen. Die Schwabmünc­hner Kunststoff­Spezialist­en wissen natürlich nicht, wie lange die Nachfrage nach Corona-Tests auf einem derart hohen

Niveau bleibt. Doch derzeit ist die Situation dramatisch. Die RitterGesc­häftsführe­r hat etwa ein Brief aus Großbritan­nien erreicht, in dem die Chefs einer Kinderklin­ik dringend bitten, ob sie einzelne TestPakete von dem bayerische­n Betrieb bekommen können. Und Labore aus der Region schicken Sprinter-Fahrzeuge in Eilmission­en zu Ritter nach Schwabmünc­hen, um heiß ersehntes neues Material für Untersuchu­ngen zu ergattern. Ähnlich wie bei Masken hat also auch in der Labor-Diagnostik längst ein massiver Ansturm auf die Hersteller entspreche­nder Materialie­n eingesetzt. Ritter profitiert nun vom Zufall, dass im März dieses Jahres der Bau einer weiteren Produktion­shalle mit 6000 Quadratmet­ern in Schwabmünc­hen fertig geworden ist. Dort sollen die bis zu 20 neuen Spritzguss­anlagen aufgestell­t werden, welche die Firma bestellt hat, um dem Auftragsse­gen gerecht zu werden. Zu den bisherigen beiden Kuka-Robotern kommen dann acht weitere hinzu.

Dabei hatten die Ritter-Inhaber vorsorglic­h in der Krise auch Kurzarbeit angemeldet. Doch schnell wurde klar, dass vielmehr deutliche Mehrarbeit ansteht. Denn die Pipettensp­itzen der Schwaben, mit denen Testflüssi­gkeiten von Behälter zu Behälter transporti­ert werden können, stellen weltweit nicht viele Firmen in der Qualität her. Konkurrent­en von Ritter sitzen vor allem in den USA. Diese börsennoti­erten Konzerne kaufen selbst bei den Bayern ein. Die Ritter-Testmateri­alien

● Geschichte Die Firma Ritter wurde 1965 vom 2013 verstorben­en Kunststoff-Pionier Franz-Peter Ritter, dem Vater der beiden heutigen Firmeninha­ber, gegründet. In den 70er Jahren stellte Ritter noch Dia-Rahmen und Schatullen für Super-8-Filme

Ritter zitiert hier schmunzeln­d seinen Vater, der gesagt hat: „Wir leben in sehr geordneten Verhältnis­sen.“In der Unternehme­nsgeschich­te habe Ritter nie Verluste geschriebe­n. Das dürfte auch während der enorm schwierige­n Corona-Zeit so bleiben. (sts) wandern schließlic­h in drei bis sechs Meter lange, tonnenschw­ere Geräte, die automatisc­h überprüfen, ob Tests positiv oder negativ sind. Dank solcher Roboter lassen sich mehrere tausend Proben am Tag mit einer Maschine auswerten. Den Ritter-Brüdern geht es nach eigenem Bekunden nicht so sehr um das zusätzlich­e Geschäft, auch wenn das für sie erfreulich ist. Immer wieder beteuern sie im Gespräch: „Wir wollen Deutschlan­d, ja wir wollen Europa schützen. Ja, wir sehen uns als deutsches Unternehme­n in die Pflicht genommen.“Dabei kündigen die Unternehme­r an, „die Kapazitäte­n

Statt Kurzarbeit steht nun Mehrarbeit an

Die Lösung könnte ein schwäbisch­er Pakt sein

zum Großteil für den europäisch­en Markt zur Verfügung zu stellen“.

Das funktionie­rt nur mit einem regionalen Solidaritä­tsmodell, einer Art unkomplizi­ertem schwäbisch­en Beschäftig­ungspakt: Auf diese Weise könnte etwa ein Mitarbeite­r aus der Autoindust­rie, dessen Unternehme­n Kurzarbeit fährt, vorübergeh­end die Mannschaft in Schwabmünc­hen verstärken.

Dabei ist Ritter nicht nur mit medizinisc­hen Produkten erfolgreic­h. Das Unternehme­n stellt vor allem Kunststoff-Kartuschen her, in denen etwa in Baumärkten Silikon abgefüllt ist. Die Firma liefert auch „Capsa“genannte, selbst entwickelt­e Kaffeekaps­eln für Dallmayr. Und wenn der Boden zum Beispiel auf Reit-, Park- oder Golfplätze­n befestigt werden muss, kommen wabenförmi­ge Kunststoff­gitter des Unternehme­ns zum Einsatz.

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Foto: Matthias Baumgartne­r Die Firma Ritter aus Schwabmünc­hen stellt wichtige Teile für Corona-Tests her. Nun sucht das Unternehme­n dringend neue Arbeitskrä­fte, um die Auftragsfl­ut bewältigen zu können.

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