Schwabmünchner Allgemeine

Die Stones rocken Corona

In einem neuen Song samt Krisenvide­o feiert die Band eine Party mit sich selbst

- VON RÜDIGER HEINZE

Das Methusalem-Komplott, die Rolling Stones, verschwend­en ihre Zeit, von der ja kaum allzu viel noch bleibt, nicht. Und sie starren in diesen Corona-Zeiten auch nicht nur auf ihre Handys – wie es Mick Jagger mit betagter, aber frischer 76-jähriger Stimme im brandneuen Song „Living In A Ghost Town“singt und schmettert. Die Stones tun was in diesen dramatisch­en Zeiten, und sie tun das, was sie noch am besten können in ihrem Alter nach „sex and drugs“: Musik schreiben und im historisch­en Stones-Originalkl­ang auf Originalin­strumenten aufführen.

Bob Dylan hat es neulich vorgemacht – wer weiß, wer jetzt noch alles folgt mit Songs zur Stunde. Eric Clapton hat sich klampfend noch nicht zu Corona gemeldet und auch nicht Joan Baez.

Aber die Stones haben es nun getan, die sich jetzt schon als unauffindb­are „Geister“in einer ausgestorb­enen Geistersta­dt bezeichnen. Mick Jagger trauert dabei nicht nur dem vollen prallen Leben zu jeder Tages- und Nachtstund­e nach, sondern auch dem Umstand, dass er einst doch der begehrtest­e Junggesell­e war, vornehmlic­h in London.

Dort auch vor allem spielt das Schnellsch­nitt-Zeitraffer-Fischaugen-Video zum Song: leere Straßen, leerer Piccadilly, leerer Trafalgar, leere Undergroun­d, leeres SohoChinat­own. Nix mehr los. Und auch in Jaggers Bett krabbelt in diesen

Zeiten keine mehr rein. Er fühlt sich eingesperr­t – wobei sich dies kaum auf eine 39-Quadratmet­er-Wohnung beziehen dürfte.

Man sieht: Es ist nicht schwierig, die Song-Lyrik süffisant zu betrachten. Aber gleichzeit­ig gilt auch: „Living In A Ghost Town“, publicityt­rächtig als der erste neue StonesSong seit acht Jahren angekündig­t, publicityt­rächtig auch mit Hoffnungsm­ache auf ein komplettes neues Album verbunden, ist ganz und gar nicht der schlechtes­te Song, den die Rocker Jagger/Richards geschriebe­n haben. Das liegt binnen drei Minuten 45 Sekunden am Groove, am Midtempo, am Dreigesang­s-Chorus von Mick, Keith und Ron – und das liegt auch daran, dass Jagger mal wieder etwas auspackt,

Screenshot AZ das er fabelhaft beherrscht – die Blues Harp.

Wer den Stones-Home-Beitrag letzte Woche im Rahmen von „One World: Together at Home“gehört hat und zu Recht enttäuscht war über die mediokre Technik und das fiktive Schlagzeug­spiel von Charlie Watts, der kann sich jetzt zufriedeng­eben: Mit „Living In A Ghost Town“haben die alten Rebellen noch mal die Kurve gekratzt. Mal sehen, was noch folgt.

Jagger spricht von einem „Song, von dem wir dachten, dass er die Zeiten gut mitschwing­en lässt, in denen wir derzeit leben“. Stimmt. Der Song klingt – nach der Mundharmon­ika-Einlage – so aus: „Wenn ich Party feiern will, ist es eine Party nur mit mir.“

 ??  ?? Leere Plätze und Straßen während Corona-Zeiten: Die Rolling Stones besingen die Geisterstä­dte.
Leere Plätze und Straßen während Corona-Zeiten: Die Rolling Stones besingen die Geisterstä­dte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany