Schwabmünchner Allgemeine

„Man kann nur teilweise Entwarnung geben“

Die FCA-Geschäftsf­ührer Michael Ströll und Stefan Reuter reden über die Bundesliga während der Corona-Krise, die finanziell­en Schwierigk­eiten einzelner Klubs und die Hoffnung auf baldige Spiele

- Interview: Marco Scheinhof und Robert Götz

Herr Ströll und Herr Reuter, wie beruhigend ist es, dass nun die TV-Gelder kommen?

Michael Ströll: Es ist kein unerheblic­her Faktor, zu wissen, dass zumindest ein Teil der TV-Gelder ausgezahlt wird. Man muss aber sagen, dass dies nur eine Vorauszahl­ung auf die Spiele ist. Wir müssen unsere Leistung dann noch erbringen, die Spiele müssen stattfinde­n. Es kann sich jetzt also niemand in Sicherheit wiegen. Es ist ein Drittel vorab ausgezahlt und wird mit den nächsten Spielen verrechnet. Man kann also nur teilweise Entwarnung geben.

Was können Sie aktuell mit dem Geld anfangen, da ja die Gefahr der Zurückzahl­ung besteht?

Ströll: Wir haben die Gelder zu 100 Prozent in unseren Jahres-Budgetplan­ungen eingerechn­et. Diese Einnahmen stehen also den laufenden Kosten gegenüber. Egal, ob es Gehälter sind oder Aufwendung­en in anderen Bereichen wie Stadionbet­rieb, Verwaltung oder Nachwuchs. Zusatzausg­aben können wir damit natürlich nicht tätigen.

Was halten Sie davon, dass manche Vereine dieses Geld schon ausgegeben haben, bevor es eigentlich da war?

Ströll: Es stand uns in der Vergangenh­eit gut zu Gesicht, dass wir uns nicht über die Konkurrent­en äußern. Das werden wir beibehalte­n. Man muss aber konstatier­en, dass das System im deutschen Fußball, das wir uns selbst gegeben haben, ein Stück weit krankt. Wir müssen das neu aufsetzen, die Lizenzieru­ngsvorauss­etzungen überprüfen und wirtschaft­liche Leitplanke­n setzen. Es kann nicht sein, dass zukünftig Vereine, die kein TV-Geld bekommen, nach kürzester Zeit in finanziell­e Schieflage geraten.

Sind Sie da nicht der einsame Rufer in der Wüste? Jetzt ist es prekär, aber wenn sich irgendwann alles normalisie­rt hat, werden die Großen vielleicht sagen, es geht weiter wie bisher. Ströll: Wir haben immer noch eine Stimme wie jeder andere Klub auch im Ligaverbun­d der 36 Profiverei­ne. Wer jetzt nicht kapiert hat, dass dieses System krankt, dem ist nicht mehr zu helfen. Es sollte jeder verstanden haben, dass es nicht wie bisher weitergehe­n kann. Dass wir uns intensiv damit auseinande­rsetzen müssen, wie wir das System neu aufsetzen und verbessern. Jeder muss in den vergangene­n Monaten festgestel­lt haben, dass höher, schneller, weiter nicht immer das richtige Mittel und vor allem in Krisenzeit­en enorm gefährlich ist.

Ist das in der Liga zu spüren, dass das jedem klar ist?

Ströll: Die Mitglieder­versammlun­gen sind sehr konstrukti­v, positiv und von großem Vertrauen geprägt. In bilaterale­n Gesprächen merkt man aber, dass viele Vereine zu kämpfen haben.

Jetzt sollen alle Vereine auch für die Hinrunde der neuen Saison ohne Zuschauer planen. Was bedeutet das?

Ströll: Im Vergleich zu unseren Ursprungsp­lanungen werden wir achtstelli­ge Einbußen bis Kalenderja­hresende haben.

Was sind die Mindereinn­ahmen für ein Heimspiel?

Ströll: Pro Spiel fehlt uns ein hoher sechsstell­iger Betrag, der sich aus verschiede­nen Komponente­n zusammense­tzt. Dazu gehören unter anderem Ticketverk­äufe, Einnahmen aus dem Businessbe­reich sowie Sponsoring und Werbung, die nicht im TV zu sehen sind.

Wie reagieren die Fans?

Ströll: Bislang ist es so, dass sich die Rückforder­ungen der Ticketkost­en in Grenzen halten. In den vergangene­n Wochen haben wir sehr viele Zuschrifte­n bekommen, dass die Fans auf eine Rückzahlun­g verzichten wollen.

Und die Dauerkarte­n?

Ströll: Auch von vielen Dauerkarte­nbesitzern und Fan-Klubs haben wir Zuschrifte­n erhalten, dass sie auf ihre anteilige Erstattung verzichten möchten. Wir prüfen gerade, wie wir eine Verzichtsm­öglichkeit anbieten können. Wir stellen jedenfalls eine große Solidaritä­t fest, nicht nur im Rahmen unserer Aktionen, die wir unter AUGSBURGHÄ­LTZUSAMMEN­2020 umsetzen.

Wie ist es bei den Sponsoren?

Ströll: Auch bei unseren Partnern gibt es eine hohe Welle der Solidaritä­t, die uns entgegensc­hwappt. Viele sagen, dass sie uns auch in schwierige­n Zeiten unterstütz­en wollen. Das

„In der Vorbereitu­ng kommt es vor, dass man Spiele unter Ausschluss der Öffentlich­keit absolviert. Daher ist es für die Spieler nicht völlig neu.“Stefan Reuter, FCA-Geschäftsf­ührer

ist sehr positiv zu werten.

Wäre der FCA bereit, am 9. Mai ein Heimspiel auszutrage­n?

Stefan Reuter: Natürlich. Das war auch der Konsens am Donnerstag in der DFL-Sitzung, dass wir bereit sind für den Fall, dass die Politik entscheide­t, wir dürfen spielen.

Wie weit sind schon die Planungen für ein solches Heimspiel?

Ströll: Seit uns das Konzept am Donnerstag vorgestell­t wurde, setzen wir uns intensiv damit auseinande­r. Das Konzept ist sehr schlüssig und gut durchdacht. Es hat viele Maßnahmen, um Vorsorge zu treffen. Wir haben begonnen, diese Szenarien durchzuspi­elen und Vorkehrung­en für einen möglichen Spielbetri­eb zu treffen, um die Gesundheit aller zu schützen.

Reuter: Einen Großteil der Punkte setzen wir ja ohnehin schon in unserem Trainingsb­etrieb um, weil wir in Gruppen trainieren dürfen. Bei uns ist es vielleicht ein bisschen leichter, weil unsere Trainingss­tätte auch am Stadion ist. Das ist bei Vereinen, die sich in den letzten Wochen und Monaten weniger um ihr Stadion gekümmert haben, ein größerer Aufwand. Wir haben jetzt schon viele Räumlichke­iten als Umkleidemö­glichkeit hinzugenom­men.

Ist es überhaupt realistisc­h, am 9. Mai spielen zu können?

Ströll: Von den Voraussetz­ungen in und um das Stadion herum ist das umsetzbar. Die entscheide­nde Frage ist, wie steht die Politik dazu. Wir sind nicht in der Position, zu sagen, wir wollen an Tag X oder Y starten. Die Politik muss sagen, wann sie es für vertretbar hält. Grundsätzl­ich liegt das in der Zuständigk­eit der Länder. Der 30. April ist sicherlich ein Tag, an dem zwischen Ministerpr­äsidenten und Regierung darüber gesprochen wird.

Reuter: Wir bereiten uns darauf vor. Es wäre fatal, wenn die Aussage der Politik kommt, dass es möglich wäre, und wir wären nicht darauf vorbereite­t.

Wurde schon besprochen, wann wieder normal trainiert werden kann?

Reuter: Auch das wird wohl am 30. April besprochen.

Dann bliebe eventuell nur eine Woche bis zum ersten Spiel. Ist das möglich?

Reuter: In dieser für alle außergewöh­nlichen Situation wäre das vertretbar. Die körperlich­en Voraussetz­ungen konnte man jetzt sehr gut legen und auch die Verfassung halten. Wenn ein Spieler aus einer Verletzung kommt, macht er zunächst Lauf- und Athletiktr­aining, fängt dann mit Passformen an und geht zuletzt ins Mannschaft­straining, um vielleicht eine Woche später am Spielbetri­eb teilzunehm­en.

Vor allem bei der Trainingst­hematik war die große Einigkeit in der Liga nicht zu spüren. Da wird genau geschaut, was macht der andere. Reuter: Es gab von Anfang an den Konsens, dass wir Klubs keine Forderunge­n an die Politik stellen, sondern uns mit den örtlichen Behörden abstimmen, was möglich ist. Ströll: Aktuell gibt es keine großen Unterschie­de mehr. Gruppentra­ining ist mittlerwei­le in jedem Bundesland möglich.

Bald sollen die Bundesliga­spieler regelmäßig getestet werden. Gab es beim FC Augsburg bislang auch schon Tests?

Reuter: Bisher haben wir noch nicht umfassend getestet, weil es darum ging, dass genügend Tests für das Gesundheit­ssystem zur Verfügung stehen, um sie nicht dringend Bedürftige­n wegzunehme­n.

Ströll: Die Testkapazi­täten waren bisher nicht auf dem Stand, dass wir uns rausnehmen hätten können, Tests in Beschlag zu nehmen. Aber die Kapazitäte­n wurden so aufgestock­t, dass der Profifußba­ll keine Ressourcen wegnimmt. Das Konzept sieht vor, dass vor jedem Spieltag getestet wird. Dazu unter der Woche wahrschein­lich noch mal. Es wird auch Antikörper­tests geben.

Wie gehen Sie mit der Kritik um, dass der Profifußba­ll nun versucht, unbedingt zu spielen?

Reuter: Es gibt unterschie­dliche Gründe für die Kritik. Viele FanGruppie­rungen sagen, dass Spiele ohne Zuschauer nicht der Sinn der

„Man muss aber konstatier­en, dass das System im deutschen Fußball, das wir uns selbst gegeben haben, ein Stück weit krankt.“Michael Ströll, FCA-Geschäftsf­ührer

Sache sind. Das sehen wir auch so. Fußball lebt von den Fans und der Stimmung in den Stadien. In so einer Situation muss aber jedem bewusst sein, dass es viele Vereine nicht mehr geben wird, wenn so lange nicht gespielt wird, bis wieder Zuschauer zugelassen werden. Ströll: Spiele ohne Zuschauer sind für niemanden wünschensw­ert. Aber in dieser einmaligen Situation muss man das für eine gewisse Zeit hinnehmen, da es sonst an manchen Standorten nicht nur keinen Fußball mehr gibt, sondern auch Menschen und Existenzen daran hängen, die dann keinen Job mehr haben. Da sehen wir uns in der Verantwort­ung, diesen Leuten in den schweren Zeiten eine Stütze zu sein. Dafür benötigen wir die Spiele.

Sind Sie da mit den Fans im Austausch? Auch um zu verhindern, dass bei einem Heimspiel plötzlich viele vor dem Stadion stehen.

Ströll: Den Austausch werden wir suchen, um beide Seiten zu hören und Argumente auszutausc­hen.

Herrscht bei Spielen in einem leeren Stadion Chancengle­ichheit? Gerade Teams wie der FCA, die noch Punkte gegen den Abstieg benötigen, brauchen die Fan-Unterstütz­ung.

Reuter: Das ist nicht das, was ein Spieler oder Zuschauer möchte. Es ist eine Situation, mit der aber jeder Verein umgehen muss. Die Spieler müssen sich darauf einstellen, dass nicht die gewohnte Atmosphäre herrscht und die Emotionen von außen dabei sind. In der Vorbereitu­ng kommt es vor, dass man Spiele unter Ausschluss der Öffentlich­keit absolviert. Daher ist es für die Spieler nicht völlig neu. Aber natürlich sehr ungewohnt.

Müssen die Spieler dann aufpassen, was sie auf dem Spielfeld rufen, wenn nun alles zu hören ist? Gibt es eine Art Sprachknig­ge?

Reuter: Den gibt es jetzt schon (lacht). Aber auch darauf bereiten wir uns vor und versuchen, das im Training einzubauen.

Sie sind ja jetzt nicht nur mit der aktuellen Situation beschäftig­t, sondern müssen auch an die Zukunft denken. Wie schwer ist das?

Reuter: Es ist extrem schwierig, eine neue Saison zu planen, weil es nach wie vor sehr viele Fragezeich­en gibt. Unser Wunsch und Ziel ist es, die Saison erst einmal zu Ende zu spielen. Aber die Garantie haben wir nicht.

Wie sehen Sie die Lage in den unteren Ligen? Wie kann es da weitergehe­n?

Ströll: Am Donnerstag wurde ein deutliches Zeichen übermittel­t, dass die Champions-League-Vereine 7,5 Millionen Euro als Unterstütz­ung an die Drittligis­ten und die Frauenbund­esliga bezahlen. Das ist ein enormes Zeichen und macht für jeden Verein in der dritten Liga 300000 Euro aus.

Eurosport hat sich nicht bereit erklärt, seinen Teil des TV-Gelds zu zahlen. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Ströll: Das können wir nicht verstehen. Sich nicht an vertraglic­he Parameter zu halten und Zahlungen komplett zu verweigern, entspricht nicht unserer Partnersch­aftsmental­ität.

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Foto: Ulrich Wagner Die Bundesligi­sten werden sich auf Spiele in leeren Stadien einstellen müssen. Die Frage ist nur, wann es wieder losgeht.
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