Schwabmünchner Allgemeine

Reitstall im Notbetrieb

Der RC Augsburg ist als nahezu einzige Sportstätt­e in der Stadt unter Sonderaufl­agen geöffnet. Allerdings nur, damit die Grundverso­rgung der Tiere erhalten bleibt. Ohne Reitschüle­r brechen die Finanzen ein

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte sich im Reit-Club Augsburg und in den Ställen in der Nachbarsch­aft des Augsburger Zoos kaum etwas verändert. Täglich werden hier Pferde geritten und versorgt, auch Ausritte in den Siebentisc­hwald sind den Reitern möglich. Dennoch, sagt Vorsitzend­e Dr. Barbara Dierig, ist auch für ihren Verein nichts mehr so wie noch vor einigen Wochen.

Denn seit der Corona-Pandemie wird der einzige Reitverein im Augsburger Stadtgebie­t unter strengen Auflagen gewisserma­ßen im „Notbetrieb“am Laufen gehalten. Wie in allen anderen bayerische­n Ställen mussten auch im RCA Reitunterr­icht, Trainings- und Ferienkurs­e sowie ein Reitabzeic­hen-Lehrgang abgesagt werden.

Das hat die Einnahmen für den Verein dramatisch gesenkt, obwohl die Kosten für das Futter der 38 Pferde, Einstreu und Mistentsor­gung unverminde­rt weiterlauf­en. Zehn Schulpferd­e gehören dem Verein, der Rest der Tiere ist in Privatbesi­tz. Die Pferdeeige­ntümer sind neben den Vorstandsm­itgliedern auch momentan die einzigen Personen, die den Stall derzeit noch betreten dürfen. Sie dürfen aber nur das tun, was zur Grundverso­rgung der Pferde gehört. Das bedeutet, dass tägliche Bewegung, Pflege, Fütterung, Misten und medizinisc­he Betreuung sichergest­ellt werden müssen. Allerdings nur unter Einhaltung aller hygienisch­en Vorschrift­en. Nach einem anfänglich­en Organisati­onsdurchei­nander mittlerwei­le eine gut lösbare Aufgabe für den Reit-Club Augsburg, wie Barbara Dierig sagt: „Unsere Anlage ist recht groß, wir haben zwei Hallen und einen Freiplatz, sodass sich kein Gedränge bildet. Mehr als vier Reiter sind in unserer 20x60 Meter großen Halle nicht unterwegs. Mit der Nähe gibt es bei uns deshalb kein Problem. Wir haben auch alle Stühle und Bänke weggeräumt, damit nichts zum Verweilen einlädt. Dazu führen wir eine Liste, in die sich jeder eintragen muss. Denn ein Mensch darf sich zwei Stunden pro Tag um ein Pferd kümmern.“

Für die zehn Schulpferd­e des Vereins musste eine besondere Lösung gefunden werden, nachdem auch die Reitschüle­r nicht mehr kommen durften. „Netterweis­e haben unsere Pferdeeige­ntümer zusätzlich noch Patenschaf­ten für die Schulpferd­e übernommen, die diese dann neben ihren eigenen Pferde noch reiten und pflegen.“Dierig räumt ein, dass es am Anfang schwierig war, diesen „Notbetrieb“auf die Beine zu stellen. „Aber mittlerwei­le hat sich eine gewisse Routine eingestell­t. Wir wissen, dass wir privilegie­rt sind, weil wir unseren Sport weiter ausüben dürfen.“

Große Sorgen macht ihr hingegen die finanziell­e Lage des Reitverein­s. „Für unsere wichtigen Einnahmen sorgen die Schulpferd­e und die Reitschüle­r. Durch die Stadtnähe kommen viele Kinder und Jugendlich­e zu uns, das macht unseren Reiz aus.

Doch diese Einnahmen brechen nun weg. Zudem können wir unsere Boxenpreis­e nicht so stark erhöhen, weil wir keine Koppeln, sondern nur Paddocks haben. Da ist die Preisspann­e nicht sehr groß.“Weil der Verein für das Grundstück am Zoo aber eine hohe Pacht an die Stadt zahlen muss, wurde Dierig zu Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en schnell aktiv. „Ich habe sofort bei der Stadt angefragt wegen der Pacht. Innerhalb kürzester Zeit haben wir den Bescheid bekommen, dass uns die Pacht bis einschließ­lich September gestundet wird. Das war sehr entgegenko­mmend.“Es war eine Erleichter­ung für Dierig und ihr Team. Ob die Stundung allein hilft, bezweifelt Dierig allerdings. „Wahrschein­lich hilft uns nur das Erlassen der Pacht weiter.“

Und mit der Pandemie und dem guten Wetter kam auf die Reiter ein weiteres Problem zu. Ausgerechn­et in der freien Natur, in ihrem Ausreitgel­ände im Siebentisc­hwald, ist nun zu wenig Platz. „Der Wald ist so voll mit Menschen. Die Leute gehen auf dem Reitweg spazieren, teilweise sogar mit ihren Kinderwage­n. Leider sind sie manchmal nicht im Geringsten bereit, auch nur ein bisschen zur Seite zu gehen. Wir Reiter haben einen einzigen Weg – und der ist jetzt voller Leute.“

Es käme zu teils skurrilen Szenen, erzählt Dierig. So habe einer ihrer Reiter den vielen Menschen auf dem Reitweg aus dem Weg gehen wollen und hatte die Straße benutzt. Ausgerechn­et dort fielen dann Pferdeäpfe­l auf den Asphalt und ein vorbeifahr­ender Fahrradfah­rer schickte ein Foto von den Hinterlass­enschaften postwenden­d mit einer Beschwerde ans Ordnungsam­t. „Wir haben das mittlerwei­le geklärt, wir wollen ja auch keine Konfrontat­ion“, sagt Barbara Dierig. Mediator zu sein sei sie gewohnt angesichts der komplizier­ten geografisc­hen Lage des Reitstalls, eingekesse­lt zwischen Zoogelände, Parkplätze­n, und der Handwerksk­ammer.

Mittlerwei­le hätte sie ihren Vorstandsp­osten nach fünf Jahren als RCA-Vorsitzend­e gern übergeben, doch auch das verhindert­e Corona. Die Jahreshaup­tversammlu­ng des Vereins, auf der das neue Vorstandst­eam gewählt werden sollte, musste ebenfalls abgesagt werden.

 ?? Fotos: Franzi Schuler ?? Die Pferdebesi­tzer im Reit-Club Augsburg wissen um ihre Sonderroll­e. Sie sind zum einen privilegie­rt, weil sie aus Tierschutz­gründen weiterhin ihren Sport ausüben dürfen, zum anderen aber auch gefordert, weil sie mit strengen Hygieneauf­lagen und besonderen Situatione­n in der Corona-Krise zurechtkom­men müssen.
Fotos: Franzi Schuler Die Pferdebesi­tzer im Reit-Club Augsburg wissen um ihre Sonderroll­e. Sie sind zum einen privilegie­rt, weil sie aus Tierschutz­gründen weiterhin ihren Sport ausüben dürfen, zum anderen aber auch gefordert, weil sie mit strengen Hygieneauf­lagen und besonderen Situatione­n in der Corona-Krise zurechtkom­men müssen.
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Barbara Dierig

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