Schwabmünchner Allgemeine

So verändert das Virus das Leben von Flüchtling­en

Die Corona-Regeln sind in Asylunterk­ünften nicht immer leicht umzusetzen, weil dort viele Menschen auf relativ engem Raum leben. Zwei Bewohner haben sich bisher in Augsburg infiziert. Was Ehrenamtli­che derzeit tun

- VON JONAS VOSS UND LEONHARD PITZ

Früher – das heißt, vor wenigen Wochen, in der Zeit vor der Corona–Krise – gingen die Menschen in den Asylunterk­ünften der Regierung von Schwaben ein und aus. Nicht nur Flüchtling­e. Auch Sprachlehr­er, Helfer, um den bürokratis­chen Alltag zu bewältigen, oder diejenigen, die ein offenes Ohr für die Probleme der Menschen dort hatten. Seitdem die Ausgangsbe­schränkung­en in Bayern gelten, fehlt vieles davon. Auch für die Asylhelfer gelten die gängigen Besuchsver­bote.

Die Beratung erfolgt nun etwa im Ankerzentr­um an der Aindlinger Straße vor Ort durch das Personal der Malteser, die dort arbeiten. Doch auch das Diakonisch­e Werk möchte die Menschen in den Unterkünft­en nicht alleinlass­en. Wie die Diakonie erklärt, werde das Angebot der Flüchtling­s- und Integratio­nsberatung unter besonderen Schutzmaßn­ahmen aufrechter­halten. Die Diakonie hat dafür ein elektronis­ches Postfach eingericht­et sowie einen telefonisc­hen Beratungsd­ienst. In Notfällen könne persönlich­e Beratung, nach Terminvere­inbarung, erfolgen. Denn innerhalb der Unterkünft­e ist die Situation nicht immer einfach.

Vor einigen Wochen infizierte sich ein Flüchtling aus dem Ankerzentr­um mit dem Coronaviru­s. Das

Beim ersten Covid-19-Fall gab es Tumulte

hatte Panik und Tumulte unter einigen Flüchtling­en in der Unterkunft am Kobelweg zur Folge, Bewohner der Gemeinscha­ftsunterkü­nfte waren in Sorge. In diesen infizierte sich im Laufe der vergangene­n Wochen allerdings nur noch eine weitere Bewohnerin. Mittlerwei­le sind laut Regierung von Schwaben beide Betroffene­n genesen, die Tests waren negativ. Die Bewohner der Asylheime beschäftig­te vor allem das Zusammenle­ben mit vielen Menschen auf engem Raum, etwa in der Küche oder in den Schlafbere­ichen. Ein Flüchtling aus der Türkei sagt, er wohne in einer Unterkunft und teile sich dort 25 Quadratmet­er mit vier Personen. Es gebe kein Desinfekti­onsmittel, allerdings eine Beratung. Derzeit sei die Verunsiche­rung unter den Menschen groß.

Die Unterkunft wird von der Regierung von Schwaben unterhalte­n. Gegenüber unserer Redaktion erklärt ein Sprecher, „die Bewohner nehmen die Situation im Wesentlich­en mit Verständni­s auf.“Jeder Neuankömml­ing im Ankerzentr­um wird auf das Coronaviru­s getestet. Weitere Routinetes­ts gibt es nicht. In den Unterkünft­en werden die Bewohner über mehrsprach­ige Plakataush­änge sowie durch das Personal über Hygienemaß­nahmen und Verhaltens­regeln informiert. Laut Regierung von Schwaben sind routinemäß­ige Tests nicht effektiv, da ein negatives Ergebnis immer nur eine Momentauss­age darstellt. Außerdem sei das eine Verschwend­ung begrenzter Ressourcen.

Wer Corona-Symptome zeige, werde sofort isoliert, seine Kontaktper­sonen ermittelt. Die weitere medizinisc­he Versorgung der Menschen erfolge unveränder­t nach den gleichen Regeln wie in den Zeiten vor Corona. So ist etwa ein Arzt im Ankerzentr­um anwesend, der nicht nur die Corona-Tests macht, sondern auch andere Untersuchu­ngen. Ob die Verhaltens­regeln, also etwa Abstand halten oder regelmäßig­es Händewasch­en, eingehalte­n werden, könne man natürlich nicht überprüfen – da komme es auf die Geflüchtet­en selbst an, heißt es bei der Regierung. Insgesamt sei die Belegungss­ituation in den Unterkünft­en so, dass es tagsüber genügend Raum für die Bewohner gebe.

Die bisher erkrankten Flüchtling­e wohnten in der Quarantäne­zeit in Inningen – aktuell steht die Zweigstell­e für Asylbewerb­er leer. Dort wurden sie täglich von einem Arzt betreut. Auch die Tests der ermittelte­n Kontaktper­sonen seien negativ gewesen – diese waren im zweiten Stock im Kobelweg in Quarantäne untergebra­cht. Den Aufruhr um deren Unterbring­ung schreibt Frank Kurtenbach von der Regierung von Schwaben auch Fehlern bei der Kommunikat­ion zu. Man hätte vorher die Bewohner informiere­n müssen, das wisse man für das nächste Mal. Mittlerwei­le sei die Situation wieder entspannt.

Für die Hygiene in den Unterkünft­en spielen auch Masken eine wichtige Rolle. Deshalb näht ein ehrenamtli­ches Team des Flüchtling­sprojekts „Café Tür an Tür“aktuell Mund-Nase-Masken für die Asylunterk­unft in der Ottostraße. Mitinitato­rin Helga Reber erklärt, warum die Masken so wichtig sind: „In einer Gemeinscha­ftsunterku­nft wohnen die Menschen auf sehr engem Raum. Die Abstandsre­geln sind kaum umsetzbar.“Das NähTeam besteht aus Ehrenamtli­chen aus dem Café und Freiwillig­en, die sich über Facebook gemeldet hatten. Zudem sind drei Flüchtling­e aus Afghanista­n und Syrien mit an Bord. Laut Reber leben zwei von ihnen selbst in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft, der dritte wohnt außerhalb und wollte sich eigentlich mit einer eigenen Schneidere­i selbststän­dig machen. Ihm habe die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht, erzählt Reber. Für die Näh-Initiative sei er aber eine große Hilfe, weil er dem Team mit seinen fachlichen Ratschläge­n zur Seite stehe. Auch in den Unterkunft­s-Dependance­n in der Berliner Allee und in Mering seien Nähstuben eingericht­et, erklärt die Regierung von Schwaben. Einige Bewohnerin­nen hätten sich zuvor dafür eingesetzt, selbst waschbare Mundschutz­e zu nähen.

„Die Idee war, etwas zu tun und nicht nur zu Hause rumzusitze­n und zu warten“, erklärt Helga Reber. „Wir sind ja auch sonst für diese Menschen da.“Aktuell seien 150 Masken fertig, sagt Reber. Maria Möller, Ärztin und ebenfalls ehrenamtli­ch bei Tür an Tür engagiert, bringt die fertigen Masken gesammelt in die Unterkunft. Als Hausärztin, die Patienten in der Einrichtun­g betreut, darf sie diese betreten.

Darüber hinaus will auch die Regierung von Schwaben ab Montag Einwegmask­en zur Verfügung stellen. Ab diesem Zeitpunkt gilt für den öffentlich­en Nahverkehr und für das Einkaufen in Geschäften eine Maskenpfli­cht. In den Heimen selbst gibt es aber keine Vorschrift zum Tragen eines Schutzes.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Tanja Wallad-El Haji arbeitet als Mitarbeite­rn von Allgäu Medical in Schutzausr­üstung im Flüchtling­sheim in Inningen. Dort waren bereits zwei Bewohner untergebra­cht, die positiv auf Corona getestet wurden. Aktuell steht die Unterkunft leer. Welche Maßnahmen sonst noch getroffen werden.
Foto: Peter Fastl Tanja Wallad-El Haji arbeitet als Mitarbeite­rn von Allgäu Medical in Schutzausr­üstung im Flüchtling­sheim in Inningen. Dort waren bereits zwei Bewohner untergebra­cht, die positiv auf Corona getestet wurden. Aktuell steht die Unterkunft leer. Welche Maßnahmen sonst noch getroffen werden.
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Foto: Helga Reber So sehen die Masken für die Flüchtling­e der Gemeinscha­ftsunterku­nft Ottostraße aus.

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