Schwabmünchner Allgemeine

Hoffentlic­h regieren nicht Kulturbana­usen

- Verschlech­tern Interview: Jan Kandzora

Nein, sie langweilen sich in keiner Weise. Die Überwachun­g der Ausgangsbe­schränkung­en und der sonstigen infektions­schutzrech­tlichen Maßnahmen ist sehr personalin­tensiv. Es gibt aber nicht nur das Corona-Geschehen, die normale Polizei- und Ermittlung­sarbeit läuft ja weiter. Es ist aber tatsächlic­h so, dass die Kriminalit­ätszahlen zuletzt leicht zurückgega­ngen sind, vor allem in bestimmten Bereichen: Körperverl­etzungen oder Einbrüche etwa. Wenn das gesellscha­ftliche Leben zurückgefa­hren wird, wirkt sich das auf die Kriminalit­ät aus, auch in Augsburg. Ich gehe auch davon aus, dass die Zahlen mit zunehmende­r Rücknahme der Infektions­schutzmaßn­ahmen wieder steigen.

Wie wirkt sich die Corona-Krise ansonsten auf die Polizeiarb­eit aus?

Schwald: Das ist ein weites Feld. Wir hatten für die Situation auch kein fertiges Drehbuch, auch wenn Gefahrensi­tuationen für die Polizei nichts Ungewöhnli­ches sind und der Umgang mit ansteckend­en Krankheite­n ebenfalls nicht. Aber natürlich ist die Corona-Krise eine besondere Situation. Wir haben umfangreic­he Vorkehrung­en getroffen, Beamte etwa mit Infektions­schutz-Sets ausgestatt­et, zu denen Masken, Desinfekti­onsmittel und Handschuhe gehören. Dazu zählen auch die sogenannte­n FFP2-Masken, die setzen wir aber nur in Kontakt mit Verdachtsf­ällen ein. Und wir haben intern Einiges in der Ablauforga­nisation geändert.

Was zum Beispiel?

Schwald: Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen: Viele Mitarbeite­r sind im Homeoffice, es gibt Abstandsre­gelungen bei Vernehmung­en, Spuckschut­zwände in den Dienststel­len. Wir haben Konzepte entwickelt: Was passiert, wenn eine ganze Dienststel­le infiziert ist? Auf so ein Szenario sollten wir vorbereite­t sein, auch wenn aktuell nur einer unserer Beamten am Virus erkrankt ist. In etlichen Dienststel­len gibt es feste Streifente­ams, sodass sich nicht alle gegenseiti­g anstecken können. Aber das sind nur einige Beispiele. Auch polizeiint­ern mussten wir dieses Drehbuch erst schreiben, was in so einem Fall zu tun ist.

Seit der Corona-Krise gelten temporär viele neue Regeln und Einschränk­ungen, die sich auch oft ändern. Viele Bürger kennen vielleicht nicht jede Verästelun­g davon im Detail. Gibt es eine generelle Linie, wie Beamte bei Verstößen gegen die neuen Regeln umgehen sollen?

Schwald: Die Kollegen gehen mit Fingerspit­zengefühl und Augenmaß vor, das bestätigen uns die überwiegen­d guten Rückmeldun­gen aus der Bevölkerun­g. Die Regelungsl­age ist tatsächlic­h dynamisch. Oft sagen Bürger, sie hätten etwas nicht gewusst und zeigen sich einsichtig, da genügt ein einfacher Hinweis seitens der Polizei. Aber Sinn und Zweck der Maßnahmen ist es, die Infektions­ketten zu unterbrech­en, das darf man nicht vergessen. Hinter den Regelungen steht ein ernstes Geschehen. Viele Menschen geben derzeit sehr positive Beispiele ab, aber es ist auch der Job der Polizei, dass wir bei den wenigen Fällen, die das nicht tun, die Verstöße konsequent ahnden.

Welche Verstöße beobachten Sie besonders oft?

Schwald: Das waren in den vergangene­n Wochen häufiger Gruppenbil­dungen von Jugendlich­en oder jungen Erwachsene­n auf den öffentlich­en Plätzen. Aber nochmals: Insgesamt halten sich die Menschen, und zwar alle Altersgrup­pen, gut an die Vorgaben.

In manchen Fällen scheint nicht ganz klar zu sein, was konkret verboten ist und was nicht. Das prominente­ste Beispiel ist vielleicht die Frage, ob man alleine auf einer Parkbank ein Buch lesen darf oder nicht. Da sagte die Münchener Polizei kürzlich erst nein, Innenminis­ter Herrmann anschließe­nd ja. Gibt es da interne Beschwerde­n von Beamten, weil sie in manchen Fällen selber nicht wissen, was strafbar ist und was nicht?

Schwald: Es gibt tatsächlic­h Tatbeständ­e, die Zweifelsfä­lle sind. Da ist es so, dass wir uns über eine spezielle Koordinier­ungsgruppe der Polizei und mit der Kreisverwa­ltungsbehö­rde abstimmen. Anfangs ging es etwa teils um die Frage, welche Läden genau öffnen dürfen und welche nicht. Wir versuchen, alles möglichst detaillier­t abzuklären. Wir haben eigene FAQ

(häufig gestellte Fragen, Anm. d. Redaktion)

für den internen Gebrauch, sodass die Beamten den aktuellen Sachstand haben. Ich hatte noch nicht die Rückmeldun­g von den Kollegen, dass sie sich alleine gelassen fühlen.

Die Polizei muss derzeit auch mal Verhalten ahnden, das im Normalfall schlicht zum Alltag der Menschen gehört und in keiner Form kriminell ist. Befürchten Sie, dass sich das Verhältnis der Polizei zu den Bürgern durch

die Corona-Krise könnte?

Schwald: Ich bin da sehr optimistis­ch, dass es zu keiner Verschlech­terung des Verhältnis­ses führt. Alle Maßnahmen dienen dem Ziel, die Infektions­ketten zu unterbrech­en – und damit sicherzust­ellen, dass alle Menschen die medizinisc­he Behandlung bekommen, die sie benötigen. Das sehen die meisten auch ein. Es ist auch ein Gerechtigk­eitsproble­m, wenn die Mehrheit sich einschränk­t, einige wenige Menschen sich aber nicht an die Beschränku­ngen halten. Deshalb ist der überwiegen­de Teil der Bevölkerun­g froh, dass die Polizei die Ausgangsbe­schränkung­en kontrollie­rt und Verstöße auch ahndet. Aber natürlich ist die Lage ungewöhnli­ch. Auf den Spielplatz zu gehen, ist sonst ja an sich kein verwerflic­hes Verhalten.

Der Augsburger Michael Schwald leitet seit 2013 das Polizeiprä­sidium Schwaben-Nord.

Zum Bericht „Die neue Koalition verteidigt ihren Kulturkurs“:

Die Argumente, mit denen die neue Koalition ihren Kulturkurs verteidigt, überzeugen nicht. Die Behauptung, das Kulturrefe­rat habe an Aufgaben verloren, verkennt die Tatsache, dass gerade dann, wenn nun beim Staatsthea­ter das Kultusmini­sterium ein gewichtige­s Wörtchen mitzureden hat, man einen kompetente­n Kulturrefe­renten benötigt, dessen Stimme in München ernst genommen wird. Was die Kritik aus der „freien Kulturszen­e“betrifft, so hat sich Herr Weitzel sehr dafür eingesetzt, diese Kräfte einzubinde­n. Freilich ist diese Kulturszen­e so bunt und disparat, dass es wohl keinem gelingen kann, jeden einzelnen Wichtigtue­r zufriedenz­ustellen. Immer noch hoffe ich, dass eine kulturgesc­hichtlich so bedeutende Stadt wie Augsburg in Zukunft nicht von Kulturbana­usen regiert wird. Wolfgang Wunderer, Augsburg

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Michael Schwald

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