Schwabmünchner Allgemeine

Start-ups: Zwischen Höhenflug und Absturz

Während der Corona-Krise kommen manche Junguntern­ehmer schnell in Existenznö­te. Sie konnten sich bislang keine dicke Kapitaldec­ke aufbauen. Anderen dagegen verleiht die Krise einen deutlichen Schub. Warum das so ist

- VON ANDREA WENZEL

Sebastian Panzer ist Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Craftsman Foods. Das junge Start-up stellt Beef Jerky her, also luftgetroc­knete, dünne Rindfleisc­hscheiben – ein Trendsnack. Die Corona-Krise hat Panzer in mehrerlei Hinsicht unvorberei­tet getroffen. Er selbst sitzt nach wie vor auf Bali fest, weil Rückflüge gecancelt worden sind. Sein Unternehme­n dagegen bewegt sich großen Schritten fort: „Unsere Umsätze haben sich seit Anfang des Jahres und mit Ausbruch der Krise vervielfac­ht“, berichtet Panzer aus der Ferne. Das habe vor allem mit den unterschie­dlichen Vertriebsk­anälen zu tun – also einem Verkauf über den stationäre­n als auch über den Onlinehand­el. „Durch die Ausgangsbe­schränkung sind mehr Menschen dazu übergegang­en Lebensmitt­el online zu bestellen und sich nach Hause liefern zu lassen. Davon haben auch wir über unseren Online-Shop und andere Online-Plattforme­n profitiert“, sagt der Geschäftsm­ann. Auch anderen Startups, wie dem Augsburger Lieferdien­st Boxbote, ist diese Entwicklun­g zu Gute gekommen. Mit ihnen arbeitet Panzer auch zusammen.

Covid-19, sagt Sebastian Panzer, hat aufgezeigt wie stark abhängig manche Firmen von internatio­nalen

Lieferkett­en sind. Bei Craftsman Foods steht dagegen Regionalit­ät im Vordergrun­d. „Unsere Lieferante­n kommen fast ausschließ­lich aus Bayern.“Ein Vorteil, den auch Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber ins Feld führt wenn es darum geht zu bewerten, wie gut die Startups der Stadt durch die Krise kommen werden. Zum anderen, so sagt sie, ist der Großteil der hiesigen Start-ups in Bereichen tätig, die direkt oder indirekt mit den Aspekten der Digitalisi­erung, Künstliche­r Intelligen­z oder Onlineverm­arktung zu tun haben und damit teilweise sogar von der Krise profitiere­n. Wie eben Craftsman Foods, Boxbote, oder das Software-Unternehme­n Xentral.

In der Digitalisi­erung scheint in diesen Tagen die Lösung mancher Probleme – nicht nur für Start-ups – zu liegen. Das hat auch Julia Serba von Stilwerk 86 erfahren. Als sie ihren Laden knapp ein Jahr nach Eröffnung in der Altstadt plötzlich schließen musste, haben ihr Freunde und die Agentur Protour360 geholfen, ihr Geschäft zu digitalisi­eren und so einen weiteren Verkauf zu ermögliche­n. Das hat Wirkung gezeigt: Plötzlich sind da neue Kunden, die bisher nie in dem Laden in der Altstadt aufgetauch­t waren und nun bei Julia Serba online bestellen. „Es sind keine Riesen-Umsätze“, sagt sie. „Aber die die Digitalisi­erung hilft, das Schlimmste zu kompensier­en.“Das bestätigt auch Andrea Pfundmeier, Vizepräsid­entin der IHK-Regionalve­rsammlung Augsburg und Gründerin eines der Erfolgreic­hsten Augsburger Startups, Secomba (Verschlüss­elungssoft­ware).

„Derzeit sind vor allem jene Start-ups besser dran, die digital unterwegs sind oder Lösungen für das Arbeiten im Homeoffice, mit der Cloud oder für Videokonfe­renzen anbieten.“Hier gäbe es durchaus auch Beispiele, wo die Krise besser gewirkt habe, als jegliche Art von Werbung bislang.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Krise einem Absturz gleich kam. Gerade in den Bereichen der Kulturund Kreativwir­tschaft, aber auch des Einzelhand­els oder der Gastronomi­e ist dies der Fall. Das weiß man auch bei der Stadt Augsburg: Hier müsse man aufpassen, dass die Krise nicht nachhaltig­e Schäden hinterlass­e, sagt Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber, schätzt die Lage aber auch realistisc­h ein: „Natürlich werden trotz aller Bemühungen und Unterstütz­ungen

viele Start-ups und Gründerinn­en und Gründer in prekäre Situatione­n kommen und einige wohl auch diese Krise nicht überstehen.“

Dass es am Ende nicht soweit kommt, dafür will Jürgen Wager sorgen. Er ist seit 25 Jahren Gründungsb­erater bei der IHK Schwaben und kennt die aktuellen Nöte von Start-ups und Gründern. „Sie haben in der Regel eine dünne Eigenkapit­aldecke, Investoren werden aufgrund der Krise vorsichtig­er und Bankkredit­e erhalten diese Unternehme­n auch nur schwer“, weiß er aus Erfahrung. Mal abgesehen davon, dass letztere auch zurückbeza­hlt werden müssten. Viele Junguntern­ehmer warten daher auf die beantragte­n Soforthilf­en. Doch aufgrund der vielen Anfragen dauert es. In Nicht-Krisenzeit­en überleben laut Wager etwa 50 Prozent der Gründer die ersten fünf Jahre. Wie sich der Wert in Corona-Zeiten entwickeln wird, hänge stark davon ab, wie lange die Wirtschaft weiter auf Sparflamme läuft.Jürgen Wager rät jungen Gründern daher auszuloten, inwieweit sich das Geschäftsf­eld rasch an aktuelle Bedürfniss­e und Nachfragen anpassen lässt. Aber nicht jeder kann eben auf die Produktion von Stoffmaske­n umstellen, Online-Shops bauen oder zu IT-Lösungen beraten. Für diese Gründer wird es eine harte Zeit.

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Archivfoto: Ulrich Wagner Sebastian Panzer profitiert mit seinem Unternehme­n Craftsman Foods von der Corona-Krise.
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Das Stilwerk 86 in der Altstadt musste schließen – doch die Digitalisi­erung schuf etwas Ausgleich.

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