Leere Stühle zeigen die Not des Gastgewerbes
Wirte, Hoteliers und Brauerei-Chefs demonstrieren auf dem Rathausplatz. Es ist der Hilfeschrei einer Branche, die wegen der Corona-Beschränkungen in den Abgrund blickt. Was die Betroffenen besonders umtreibt
In Restaurants, Bars, Kneipen und Hotels bleiben zur Zeit unzählige Stühle leer. Das Gastgewerbe ist zum Stillstand gekommen. Wegen des Coronavirus sind viele Betriebe geschlossen, ein Großteil der Mitarbeiter in Kurzarbeit – Hoteliers, Wirte und Zulieferbetriebe verzeichnen pro Tag hohe Einbußen. Um auf ihre Not aufmerksam zu machen, schlossen sich am Freitag Augsburger Vertreter aus dem Hotelund Gaststättengewerbe einer deutschlandweiten Aktion an und stellten ihre Stühle auf den Rathausplatz. Zu der Aktion hatte der Leaders Club aufgerufen, ein Netzwerk von gastronomiebegeisterten Menschen und Unternehmen.
Viele Gastronomen fragen sich derzeit, ob sie ihre Stühle überhaupt noch einmal brauchen werden. Die Krise bringt sie an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz. Stefan „Bob“Meitinger („Bob’s“) und Torsten Petersen haben in Augsburg die Aktion organisiert. Petersen ist Geschäftsführer der Enchilada Franchise GmbH, einem Zweig der Enchilada-Gruppe, zu der in Augsburg unter anderem das Dean & David, Aposto und der Ratskeller gehören. Er sagt: „Je länger die Betriebe geschlossen bleiben, desto mehr Existenzen stehen auf dem Spiel. Die Innenstädte werden nach Corona anders aussehen, weil die Vielfalt der Gastronomie nicht mehr gegeben sein wird, so wie wir sie kennen.“
Alleine für das italienische Restaurant Aposto am Rathausplatz fällt eine Nettopacht von 20000 Euro im Monat an. Torsten Petersen sagt: „Da haben wir einen super Vermieter und können die Pacht stunden. Den Umsatz, den wir allerdings heute nicht machen, machen wir nie mehr wieder.“Die Frage, die den meisten Mitarbeitern der Branche auf den Nägeln brennt, ist, wann der nächste Umsatz gemacht werden kann. „Wann dürfen wir wieder aufsperren und unter welchen Bedingungen? Die Branche braucht eine Perspektive“, fordert Petersen. Wenn die Politik keine Perspektiven geben könne, bräuchte es mehr Unterstützung. Es hingen nicht nur Gastronomen und Hoteliers in der Luft, sondern auch zahllose Mitarbeiter aus Securityfirmen, die von den Betrieben angefordert werden, und Zuliefererbetrieben.
Sebastian Priller, Juniorchef der Brauerei Riegele, ist ebenfalls auf den Rathausplatz gekommen, genauso wie sein Kollege Max Kuhnle von der Brauerei Thorbräu. Priller verzeichnet seit Wochen Umsatzeinbußen von 60 Prozent. „Wir sind Partner der Gastronomie“, betont er. Wenn die Lokale keine Getränke mehr ordern, die Pächter keine Pacht mehr zahlen können, dann bekomme er die volle Härte der Corona-Krise ebenfalls zu spüren. Deshalb beteiligt er sich an der Aktion. „Die Politik soll sehen, was für dramatische Auswirkungen die Regelungen auf Tourismus und Gastronomie haben. Die Regelungen müssen diskutiert und auch kritisch hinterfragt werden dürfen.“
Das fordert auch Theodor Gandenheimer vom Hotel Drei Mohren. Hoteldirektor hat viel Zeit damit verbracht, Vorkehrungen zu treffen. An der Rezeption wurden Virenschutzwände angebracht und es wurden Einweg-Mundschutzmasken und Desinfektionsspender gekauft. „Wir könnten einen unterschiedlichen Ein- und Ausgang ausweisen. Wir könnten die Besucherzahl im Restaurant minimieren, die Abstände der Tische vergrößern und in der Außengastronomie auf Selbstabholung umstellen“, sagt Gandenheimer. Ideen hat der Hoteldirektor viele – er würde sich wünschen, dass sie von der Politik aufgegriffen und diskutiert werden.
Alexander Schön vom Hotel Alpenhof findet es problematisch, dass Branchen unterschiedlich behandelt und die Gastronomie in Sachen Lockerungen bislang außen vor gelassen wurden. Es müsse darüber diskutiert und – wenn auch unter Auflagen – eine Öffnung in absehbarer
Zeit ermöglicht werden, meint er. „Eine Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent, die auf ein Jahr begrenzt ist, hilft auch niemandem weiter“, sagt Schön. Die Hilfen würden jetzt benötigt. „Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes müsste ab sofort gelten. Gerade die Mitarbeiter aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe kommen sonst fast nicht über die Runden.“
Markus Krapf, Wirt der SportKneipe 11er, kommt am Freitag auch zu der Aktion hinzu. Seine Familie ist besonders betroffen, denn seine Frau Irene Krapf unterhält die Rosenaugaststätte, die normalerweise für Feste und Hochzeiten gut gebucht wird. Auch ihr hat Corona einen Strich durch den Terminkalender gemacht. Beide haben Gelder aus der Soforthilfe des Freistaats erhalten. „Das war super“, sagt Krapf. Nun bräuchte es Konzepte, damit wir gleich durchstarten könDer nen, wenn es wieder losgeht.“Er könne sich vorstellen, für den Anfang Bundesligaspiele im Rosenaubiergarten zu zeigen. „Denn wahrscheinlich gibt es anfangs Einschränkungen bei der Besucheranzahl. Das 11er ist dann auf jeden Fall zu klein.“
Gastronom Harry Winderl, der gemeinsam mit Andy Kahn den Parkgarten betreibt, ist ebenfalls mit von der Partie. „Dass ich einmal für die Gastronomie demonstrieren werde, hätte ich auch nie gedacht“, sagt er. Er bietet im Biergarten im Wittelsbacher Park nun Speisen und Getränke zum Mitnehmen an – doch diese Einnahmen sind für viele Gastronomen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Stefan „Bob“Meitinger will jedenfalls durchhalten – und die Stuhl-Aktion so lange wiederholen, bis in der Politik über Lockerungen auch für die Gastronomie gesprochen wird.