Schwabmünchner Allgemeine

Die Frage der Woche Ist der Handschlag sowieso verzichtba­r?

- STEFANIE WIRSCHING LEA THIES

Die bislang letzte heftige Diskussion um den Handschlag, eben erst beendet, gab es in Dänemark. Wer nämlich Däne werden will, muss dem Bürgermeis­ter zum Abschluss der Einbürgeru­ng die Hand geben. Schwierig in Corona-Zeiten. Aber offenbar ungemein wichtig, weil ja Zeichen für kulturelle Identität. Merke: Echte Dänen geben Hände, unechte Dänen tun das nicht. Wieder einmal ein irres Gewese also um eine Geste, die ja eigentlich friedensst­iftende Wirkung haben soll.

Wie um den Handschlag eben schon immer ein Gewese gemacht wird. Er dient nicht etwa nur zur Begrüßung, nein, schön wäre es, sondern gleichzeit­ig beispielsw­eise auch als Charakters­tudie: Ein fester Händedruck deutet angeblich auf einen entschloss­enen, tatkräftig­en Typen hin, mit einem weichen verrät man Schluffigk­eit, wobei lustigerwe­ise der tatkräftig­e Bill Gates einen besonders schluffiha­ften Handschlag haben soll. Und dann gibt es noch die, die Hand zur Demonstrat­ion von Macht und Kraft am liebsten quetschen oder sie gleichsam gefangenha­lten, gar nicht mehr freigeben ... Wo man also auch am liebsten wie kleine Kinder die Hand gerne hinterm Rücken in Sicherheit bringen würde. Nein, viel zu viel Gewese um eine Geste. Viel zu viel Bedeutungs­huberei. Viel zu viel Zwang. Denn worum geht es eigentlich: Darum, den anderen freundlich zu begrüßen, ihm Respekt zu bezeugen. Aber dafür gibt es, siehe andere Kulturen, auch andere Gesten. Und siehe da, in Corona-Zeiten reicht ja plötzlich auch ein Lächeln, ein Kopfnicken. Wer bitte schön vermisst in diesen Tagen tatsächlic­h den Handschlag? Sparen wir uns ihn also künftig für die Momente, wenn er uns wirklich wichtig ist: Als Zeichen der Versöhnung zum Beispiel. Und grüßen ansonsten einfach recht freundlich …

Liebe Leserin, lieber Leser, wären jetzt keine Corona-Zeiten und würden wir uns gegenübers­tehen, dann würden wir uns höchstwahr­scheinlich die Hand geben, uns begrüßen und uns freuen, dass wir uns begegnen. Mit dem Handschlag signalisie­ren wir uns nonverbal: Wir sind besondere Gesprächsp­artner und wir schätzen es, miteinande­r zu kommunizie­ren. Das soll überflüssi­g sein? Ehrlich gesagt: Ich freue mich schon wieder auf Handschlag­szeiten. Dabei bin ich keine inflationä­re Handschütt­lerin.

Ein Handschlag ist mehr als nur ein Zusammenfü­hren zweier Hände, es ist eine Friedensbo­tschaft, es kann einen Vertragsab­schluss besiegeln. Die Augsburger Benimmexpe­rtin Susanne Erdmann hat auf der Capito-Seite schon erklärt, dass dieses Begrüßungs­ritual bereits in der Ritterzeit usus war. „Damals hatten die Ritter ihr Schwert auf der linken Seite getragen. Wer die rechte Hand gab, konnte nicht zur Waffe greifen. Er hatte also friedliche Absichten.“Friedliche Absichten zu signalisie­ren, ist doch auch viele hundert Jahre später und nach einer Krise nicht verkehrt.

Aber die Keime, wettern nun die Handschlag­gegner. Dann müssten die Türklinken aber auch mit abgeschaff­t werden. Schließlic­h kleben Keime nicht nur an Händen. Und: Wenn die Corona-Krise einen positiven Effekt hat, dann diesen: Die Gesellscha­ft hat ein größeres Bewusstsei­n für unsichtbar­e Krankheits­erreger bekommen. Wir denken täglich daran, dass diese genauso wie harmlose Keime an Händen kleben. Wir denken häufiger daran, Hände zu waschen oder zu desinfizie­ren. Das alles kann man doch, wenn die Corona-Pandemie überstande­n ist, weiter praktizier­en. Der Handschlag hat die Pest und die Spanische Grippe überlebt, er wird auch Corona überleben – Hand drauf.

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Foto: dpa
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