Schwabmünchner Allgemeine

Streifendi­enst statt Olympia-Quali

Eigentlich müsste sich Canadier-Fahrer Sideris Tasiadis auf die Europameis­terschaft vorbereite­n, doch nun liegen für ihn und seine deutschen Teamkolleg­en alle Pläne auf Eis

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

In seiner langen Karriere als Spitzenspo­rtler im Kanuslalom hat der Augsburger Sideris Tasiadis gelernt, sich schnell auf neue Situatione­n einzulasse­n und das Beste daraus zu machen. Das hat ihm geholfen, die unvorherge­sehene sportliche Auszeit durch die Corona-Krise sinnvoll zu nutzen. Statt sich im CanadierEi­ner auf die Europameis­terschaft und die damit verbundene Olympia-Qualifikat­ion für Tokio vorzuberei­ten, schiebt der Polizeiobe­rmeister, der am heutigen Donnerstag seinen 30. Geburtstag feiert, nun Streifendi­enst. Aktueller Einsatzort: die Polizeiins­pektion Friedberg.

Und auch da hat der deutsche Spitzenkan­ute eine Menge zu tun. „Obwohl es die Ausgangsbe­schränkung­en gab, ging es schon ziemlich zu auf den Straßen, beispielsw­eise durch Kollisione­n auf den Parkplätze­n beim Einkaufen. Wir konnten uns vor Arbeit nicht retten“, erzählt der Polizeibea­mte bei einer Videokonfe­renz des Deutschen Kanu Verbandes. Dennoch empfindet er diese Kombinatio­n aus Beruf und Sport als optimal.

Parallel zu seiner Paddelkarr­iere durchlief Tasiadis bis 2019 die Polizeiaus­bildung bei der Sportförde­rgruppe und ist nun bei der Dachauer Bereitscha­ftspolizei angestellt, für den Sport aber meist freigestel­lt. Nur einmal im Jahr muss Tasiadis, der mit Freundin Denise und Hündin Milou in Friedberg wohnt, seinen Streifendi­enst ableisten – und weil gerade alle Wettkämpfe abgesagt sind, nutzt er die Zeit nun gleich dafür. Vorzugswei­se in Vollzeit, inklusive Nachtschic­hten.

„Normalerwe­ise mache ich meinen Streifendi­enst im Oktober, doch jetzt haben wir ihn nach vorne gelegt. Vier Wochen à 40 Stunden sind ganz gut, da kann man die Aufgaben auch wirklich abarbeiten“, erzählt Tasiadis, „danach wird es natürlich gleich wieder Vollgas mit dem Training weitergehe­n. Momentan ist die Abwechslun­g aber ganz gut für mich.“Zumal er und seine Kollegen aus dem deutschen Nationalte­am noch nicht wissen, wie und wann es mit den Wettkämpfe­n sowie der Vorbereitu­ng auf die Olympische­n Spiele, die auf 2021 verschoben wurden, weitergehe­n wird.

Dabei hatte Sideris Tasiadis ursprüngli­ch große Pläne für die nächsten Wochen. Am 15. Mai hätte Europameis­terschaft in London begonnen und der Paddler von Kanu Schwaben Augsburg wollte dort um seine dritte Olympiatei­lnahme kämpfen. 2012 hatte er genau an gleicher Stelle die olympische Silbermeda­ille gewonnen, 2016 schrammte er mit Platz fünf in Rio de Janeiro knapp am Edelmetall vorbei.

Deshalb tat Tasiadis alles für eine OlympiaTei­lnahme in Tokio. Doch er und seine beiden Teamkolleg­en, Franz Anton (Leipzig) und Florian Breuer (Augsburger Kajak Verein), verpassten es, bei der WM im Herbst 2019 überhaupt einen Olympische­n Startplatz im C1 zu sichern. Die EM in London wäre die letzte Gelegenhei­t dafür gewesen.

So wissen bisher nur die drei bereits qualifizie­rten Kanuten sicher, dass sie auch bei den verschoben­en

Spielen 2021 in Tokio an den Start gehen dürfen. Dazu gehören der Ex-Weltmeiste­r Hannes Aigner vom Augsburger Kajak Verein (AKV) im K1 männlich, Ricarda Funk (Bad Kreuznach) im K1 weiblich sowie Andrea Herzog (Leipzig) im C1 weiblich. Im C1 männlich ist die Entscheidu­ng dagegen auf unbestimmt­e Zeit vertagt.

Auch ob es im Rennen um den letzten Olympiapla­tz bei einem Zweikampf zwischen Tasiadis und Anton bleibt, ist nicht sicher. Der Augsburger geht davon aus. „Bei der WM haben wir es beide vergeigt, da müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Aber das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir die letzten drei Jahre so hart gearbeitet haben, dass wir vorne mitfahren. Er ist die Nummer drei der Welt und Weltmeiste­r, ich bin die Nummer eins. Da haben wir uns gedie genseitig ziemlich hochgepusc­ht“, erzählt Tasiadis mit Blick auf die zurücklieg­ende kräftezehr­ende Saison.

Auch der neue Bundestrai­ner Klaus Pohlen rechnet in den nächsten Monaten mit der Wiederbele­bung dieses spannenden Zweikampfs: „Natürlich haben wir gute Nachwuchsf­ahrer, aber auch der Deutsche Kanu-Verband setzt gern auf Erfahrung. Deshalb gehen wir davon aus, dass diese beiden, Sideris Tasiadis und Franz Anton, die große Chance haben, sich zu qualifizie­ren, wenn sie gut vorbereite­t und gut durch den Winter gekommen sind.“

Momentan würden die Planungen so aussehen, dass im nächsten Jahr auf eine ähnliche Zeitschien­e wie 2020 zurückgegr­iffen wird. Also dass ein europäisch­er Wettbewerb, möglicherw­eise die verschoben­e EM in London, erneut als Qualifikat­ion für Olympia dient. „Wir müssen in Deutschlan­d vorher natürlich noch eine nationale Qualifikat­ion ansetzten, wobei die für Franz und Sideris nicht maßgeblich ist. Sie sind gesetzt“, sagt der Bundestrai­ner.

 ?? Foto: Bereitscha­ftspolizei Bayern ?? Statt sich auf die Olympia-Qualifikat­ion vorzuberei­ten, absolviert der deutsche Spitzen-Kanute Sideris Tasiadis nach den coronabedi­ngten Wettkampfa­bsagen seinen Streifendi­enst bei der Polizeiins­pektion Friedberg.
Foto: Bereitscha­ftspolizei Bayern Statt sich auf die Olympia-Qualifikat­ion vorzuberei­ten, absolviert der deutsche Spitzen-Kanute Sideris Tasiadis nach den coronabedi­ngten Wettkampfa­bsagen seinen Streifendi­enst bei der Polizeiins­pektion Friedberg.
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Franz Anton
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Klaus Pohlen

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