Streifendienst statt Olympia-Quali
Eigentlich müsste sich Canadier-Fahrer Sideris Tasiadis auf die Europameisterschaft vorbereiten, doch nun liegen für ihn und seine deutschen Teamkollegen alle Pläne auf Eis
In seiner langen Karriere als Spitzensportler im Kanuslalom hat der Augsburger Sideris Tasiadis gelernt, sich schnell auf neue Situationen einzulassen und das Beste daraus zu machen. Das hat ihm geholfen, die unvorhergesehene sportliche Auszeit durch die Corona-Krise sinnvoll zu nutzen. Statt sich im CanadierEiner auf die Europameisterschaft und die damit verbundene Olympia-Qualifikation für Tokio vorzubereiten, schiebt der Polizeiobermeister, der am heutigen Donnerstag seinen 30. Geburtstag feiert, nun Streifendienst. Aktueller Einsatzort: die Polizeiinspektion Friedberg.
Und auch da hat der deutsche Spitzenkanute eine Menge zu tun. „Obwohl es die Ausgangsbeschränkungen gab, ging es schon ziemlich zu auf den Straßen, beispielsweise durch Kollisionen auf den Parkplätzen beim Einkaufen. Wir konnten uns vor Arbeit nicht retten“, erzählt der Polizeibeamte bei einer Videokonferenz des Deutschen Kanu Verbandes. Dennoch empfindet er diese Kombination aus Beruf und Sport als optimal.
Parallel zu seiner Paddelkarriere durchlief Tasiadis bis 2019 die Polizeiausbildung bei der Sportfördergruppe und ist nun bei der Dachauer Bereitschaftspolizei angestellt, für den Sport aber meist freigestellt. Nur einmal im Jahr muss Tasiadis, der mit Freundin Denise und Hündin Milou in Friedberg wohnt, seinen Streifendienst ableisten – und weil gerade alle Wettkämpfe abgesagt sind, nutzt er die Zeit nun gleich dafür. Vorzugsweise in Vollzeit, inklusive Nachtschichten.
„Normalerweise mache ich meinen Streifendienst im Oktober, doch jetzt haben wir ihn nach vorne gelegt. Vier Wochen à 40 Stunden sind ganz gut, da kann man die Aufgaben auch wirklich abarbeiten“, erzählt Tasiadis, „danach wird es natürlich gleich wieder Vollgas mit dem Training weitergehen. Momentan ist die Abwechslung aber ganz gut für mich.“Zumal er und seine Kollegen aus dem deutschen Nationalteam noch nicht wissen, wie und wann es mit den Wettkämpfen sowie der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, die auf 2021 verschoben wurden, weitergehen wird.
Dabei hatte Sideris Tasiadis ursprünglich große Pläne für die nächsten Wochen. Am 15. Mai hätte Europameisterschaft in London begonnen und der Paddler von Kanu Schwaben Augsburg wollte dort um seine dritte Olympiateilnahme kämpfen. 2012 hatte er genau an gleicher Stelle die olympische Silbermedaille gewonnen, 2016 schrammte er mit Platz fünf in Rio de Janeiro knapp am Edelmetall vorbei.
Deshalb tat Tasiadis alles für eine OlympiaTeilnahme in Tokio. Doch er und seine beiden Teamkollegen, Franz Anton (Leipzig) und Florian Breuer (Augsburger Kajak Verein), verpassten es, bei der WM im Herbst 2019 überhaupt einen Olympischen Startplatz im C1 zu sichern. Die EM in London wäre die letzte Gelegenheit dafür gewesen.
So wissen bisher nur die drei bereits qualifizierten Kanuten sicher, dass sie auch bei den verschobenen
Spielen 2021 in Tokio an den Start gehen dürfen. Dazu gehören der Ex-Weltmeister Hannes Aigner vom Augsburger Kajak Verein (AKV) im K1 männlich, Ricarda Funk (Bad Kreuznach) im K1 weiblich sowie Andrea Herzog (Leipzig) im C1 weiblich. Im C1 männlich ist die Entscheidung dagegen auf unbestimmte Zeit vertagt.
Auch ob es im Rennen um den letzten Olympiaplatz bei einem Zweikampf zwischen Tasiadis und Anton bleibt, ist nicht sicher. Der Augsburger geht davon aus. „Bei der WM haben wir es beide vergeigt, da müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Aber das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir die letzten drei Jahre so hart gearbeitet haben, dass wir vorne mitfahren. Er ist die Nummer drei der Welt und Weltmeister, ich bin die Nummer eins. Da haben wir uns gedie genseitig ziemlich hochgepuscht“, erzählt Tasiadis mit Blick auf die zurückliegende kräftezehrende Saison.
Auch der neue Bundestrainer Klaus Pohlen rechnet in den nächsten Monaten mit der Wiederbelebung dieses spannenden Zweikampfs: „Natürlich haben wir gute Nachwuchsfahrer, aber auch der Deutsche Kanu-Verband setzt gern auf Erfahrung. Deshalb gehen wir davon aus, dass diese beiden, Sideris Tasiadis und Franz Anton, die große Chance haben, sich zu qualifizieren, wenn sie gut vorbereitet und gut durch den Winter gekommen sind.“
Momentan würden die Planungen so aussehen, dass im nächsten Jahr auf eine ähnliche Zeitschiene wie 2020 zurückgegriffen wird. Also dass ein europäischer Wettbewerb, möglicherweise die verschobene EM in London, erneut als Qualifikation für Olympia dient. „Wir müssen in Deutschland vorher natürlich noch eine nationale Qualifikation ansetzten, wobei die für Franz und Sideris nicht maßgeblich ist. Sie sind gesetzt“, sagt der Bundestrainer.