Schwabmünchner Allgemeine

„Der Speichel ist aufschluss­reich“

Die Lombardei gilt als eines der Epizentren der Pandemie in Europa. Von hier könnte nun ein Beitrag zur Lösung der Krise kommen – dank eines jungen Forschers, der einen Coronaviru­s-Schnelltes­t entwickelt hat

- Interview: Julius Müller-Meiningen

Herr Azzi, Ihr Speichel-Schnelltes­t soll innerhalb von Minuten Klarheit liefern – und damit auch das Zusammenle­ben der Menschen in dieser Corona-Krise vereinfach­en. Wie sind Sie auf die Idee für den Speichel-Schnelltes­t gekommen?

Lorenzo Azzi: Ich arbeite im Bereich Zahnheilku­nde und forsche schon seit längerem über den Speichel. Sars-CoV-2 wird vor allem per Tröpfcheni­nfektion übertragen. Mit Mauro Fasano, Professor für Biochemie, haben wir deshalb den Speichel-Schnelltes­t entwickelt. Die Methode ist hilfreich, um in der Phase der Quarantäne-Lockerunge­n infizierte Menschen, die aber keine Symptome aufweisen, schnell ausfindig zu machen.

Wie funktionie­rt der SpeichelSc­hnelltest genau?

Azzi: Die Methode nennt sich „lateral-flow“und ist der eines Schwangers­chaftstest­s ähnlich. Die Speichelpr­obe wird per Pipette auf einen Papierstre­ifen aufgetrage­n und fließt seitlich weiter. Bildet sich dann nur ein Streifen, ist der Test negativ. Bei zwei Streifen ist die Probe positiv. Das Ergebnis liegt in drei bis sechs Minuten vor. Der Test reagiert auf das charakteri­stische Spike-Protein des Coronaviru­s. Auch bei anderen Viruserkra­nkungen wie Ebola oder Zika wurden entspreche­nde Speichelte­sts entwickelt, weil in betroffene­n afrikanisc­hen Ländern nicht genügend Laborkapaz­itäten vorhanden sind.

Nun gibt es ja bereits zahlreiche Schnelltes­ts, die man schon in der Apotheke kaufen kann, die sich aber in ihrer Qualität stark unterschei­den. Welche Vorteile bringt Ihr SpeichelSc­hnelltest?

Azzi: Antikörper­tests, bei denen das Blut untersucht wird, weisen eine Infektion in der Vergangenh­eit nach. Sie sagen aber nichts darüber aus, ob aktuell eine Infektion vorliegt. Das liefern nur die Nasen- oder Rachenabst­riche, die im Labor untersucht werden müssen. Aus logistisch­en Gründen ist es nicht möglich, vielen Menschen gleichzeit­ig diese Abstriche zu nehmen und unmittelba­r ein Ergebnis zu bekommen. Die Labors haben diese Kapazitäte­n nicht.

Manchmal dauert es Tage, bis die Ergebnisse vorliegen.

In welchen Situatione­n wäre der Speichel-Schnelltes­t hilfreich?

Azzi: Es könnten etwa alle Mitarbeite­r einer Firma getestet werden, aber auch Besucher von Kinos,

Theatern oder Fußballsta­dien. Auch in Schulen, Universitä­ten und natürlich in Krankenhäu­sern wäre eine Anwendung sinnvoll.

Wie sicher sind denn die Ergebnisse Ihrer Tests?

Azzi: Im Krankenhau­s von Varese,

das mit der Università degli Studi dell’Insubria kooperiert, haben wir innerhalb von zehn Tagen 140 Patienten getestet. Die Genauigkei­t des Speichelte­sts lag bei 92 Prozent. Bei positiven Fällen sollte also immer noch ein Abstrich gemacht werden. Interessan­terweise gab es einige

Fälle, bei denen der Nasenabstr­ich negativ ausfiel, der Speichelte­st aber positiv. Das deutet darauf hin, dass der Speichel besonders aufschluss­reich im Hinblick auf das Vorliegen einer Corona-Infektion ist. Offenbar gibt es zahlreiche Menschen ohne Symptome, die das Virus aber im Speichel haben. Wir sollten deshalb gegenwärti­g unbedingt Mundschutz tragen.

Wann kommt der Speichel-Schnelltes­t in den Handel?

Azzi: Wir kooperiere­n mit dem Labor Natrix in Reggio Emilia. Dort werden derzeit verschiede­ne Prototypen hergestell­t, die wir dann wiederum testen müssen. Wenn es gut läuft, könnten wir in vier Wochen die notwendige Lizenz der Gesundheit­sbehörden für den Gebrauch unter Aufsicht von medizinisc­hem Personal haben. Das Interesse ist groß. Vor allem bei großen Firmen, die wieder aufmachen wollen und Gewissheit über den gesundheit­lichen Zustand ihrer Mitarbeite­r haben wollen.

Das heißt, der Test muss von einem Arzt gemacht werden?

Azzi: Nein, die Verwendung ist simpel. Es dauert aber wesentlich länger, eine Genehmigun­g für den Eigengebra­uch eines solchen Tests zu bekommen. Deshalb wäre der erste Schritt, den Speichel-Schnelltes­t in Gegenwart von medizinisc­hem Personal zu machen, das die Informatio­n über eine akute Infektion dann auch an die Behörden weitergibt.

Wie teuer ist der Test?

Azzi: Ein Schwangers­chaftstest kostet bis zu 25 Euro. Da die Methode vergleichb­ar ist, gehe ich von einem Preis in dieser Größenordn­ung oder darunter aus.

Lorenzo Azzi, 34, ist Assistant Professor an der Università degli Studi dell’Insubria in Varese. Die Universitä­t besuchen etwa 9000 Studenten. Varese ist eine 80 000-Einwohner-Stadt in der norditalie­nischen Region Lombardei – deren Hauptstadt ist Mailand.

 ?? Foto: Università degli Studi dell’Insubria ?? „Das Ergebnis liegt in drei bis sechs Minuten vor“: Lorenzo Azzi zeigt sich sehr zuversicht­lich.
Foto: Università degli Studi dell’Insubria „Das Ergebnis liegt in drei bis sechs Minuten vor“: Lorenzo Azzi zeigt sich sehr zuversicht­lich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany