Schwabmünchner Allgemeine

Geduld als Tugend der Stunde

Den Einstand hatte sich Christian Barthen anders vorgestell­t: Seit zwei Monaten ist er Kirchenmus­iker bei St. Anna

- VON RICHARD MAYR

Normalerwe­ise beginnt der Wechsel zu einem neuen Arbeitspla­tz mit jeder Menge Schwung. Der oder die Neue hat Ideen im Kopf, muss sich einarbeite­n, stellt sich vor. Als Christian Barthen, 36, seine neue Aufgabe als Kirchenmus­iker von St. Anna in Augsburg aufgenomme­n hat, war es genauso. Zum Einstand Anfang März hat er sich als Solist an der Orgel präsentier­t, mit drei großen Orgelwerke­n von Franz Liszt vor einer großen Zuhörersch­ar. Das Coronaviru­s breitete sich da schon aus in Deutschlan­d, aber niemand konnte absehen, was drei Wochen später geschehen würde.

Als Barthen Anfang März über sich sprach, freute er sich zum Beispiel auch auf die Zusammenar­beit mit dem Madrigalch­or der St. AnnaKirche, eine Probe fand im Anschluss auch noch statt. Am Karfreitag und am Ostersonnt­ag sollten die ersten gemeinsame­n großen Auftritte in St. Anna stattfinde­n.

Barthen deutete auch eine große erste Aufgabe als Kirchenmus­iker an, die Kirchenorg­el in der AnnaKirche könnte zu seiner Großbauste­lle werden. Denn jener Teil, den die Kirchenbes­ucher sonst nicht zu sehen bekommen, der rückwärtig­e

Teil, macht eine regelmäßig­e Wartung schwierig. „Die Orgel ist komplett verbaut“, sagt Barthen. Was daran liegt, dass sie mit einer elektronis­chen Steuerung gebaut wurde und nachträgli­ch und zusätzlich eine mechanisch­e bekommen hat. Die Konstrukti­on erscheint auf den ersten Blick aberwitzig. An manche Register kann man nur kommen, wenn man anderes ausbaut. Ein Unding, da das Instrument ja regelmäßig gestimmt werden muss. „Mittelfris­tig wollen wir eine neue Orgel in St. Anna einbauen“, sagte Barthen Anfang März.

Daran hat sich auch nichts geändert. Aber dann griffen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s und legten den Start von Barthen als neuer Kirchenmus­iker von St. Anna weitgehend lahm. Statt Neugier war nun Geduld als große Tugend der Stunde gefragt. „So stark haben sich die Tage gar nicht unterschie­den“, sagt Barthen, als Musiker probe er sowieso oft an der Orgel und auch am Klavier, seiner zweiten großen Leidenscha­ft. Allerdings fanden die Chorproben nicht mehr statt, mussten die ersten Höhepunkte im kirchenmus­ikalischen Jahr abgesagt werden: an Karfreitag und am Ostersonnt­ag.

Ein bisschen Abwechslun­g boten in der Zeit die vier Gottesdien­ste, die von St. Anna im Internet übertragen wurden und die Barthen an der Orgel begleitete. Vergangene­n Sonntag war nun erstmals wieder die Gemeinde in der Kirche versammelt. „Das war sehr bewegend“, sagt er, obwohl die Kirche neu bestuhlt war, größere Abstände einzuhalte­n waren, alle Mundschutz trugen.

Wann Barthen endlich anfangen kann, mit dem Madrigalch­or regelmäßig zu proben, kann er noch nicht sagen. Dass die lange Pause anfangs auch einen Verlust an gesanglich­er Qualität verursache, könne gut sein. „Aber wir sind schnell wieder auf dem alten Niveau.“Nun plant Barthen für die Pfingsttag­e etwas Größeres, das sich mit den Abstandsre­geln vereinbare­n lässt.

Auch den anderen Teil von Barthens musikalisc­hem Leben betreffen die Corona-Maßnahmen zunehmend – seine Konzerttät­igkeit als Organist. „Für Mai sind die ersten Konzerte abgesagt worden“, erzählt er, Orgelfesti­vals in Düsseldorf und in Rheinland-Pfalz finden nicht statt. Die meisten Termine hat er für die zweite Jahreshälf­te ausgemacht, da weiß er noch nicht, ob sie stattfinde­n können oder nicht. Barthen ist ein gefragter Solist an der Orgel, vor allem für Bach-Interpreta­tionen und für Werke aus der deutschen und französisc­hen Romantik werde er immer wieder angefragt. Wobei sein Spektrum breiter ist. Noch während seines Studiums in Saarbrücke­n, Paris und Stuttgart war ihm selbst gar nicht klar, ob das Instrument seiner Wahl nicht doch das Klavier oder das Cembalo sei, die er ebenfalls studierte. „Aber dann gewann ich als Organist wichtige Preise“, erzählt Barthen. Und die Entscheidu­ng, ob er nun als Pianist oder Organist sein Glück versuchen wollte, fiel dadurch von selbst.

Barthen ist von Giengen an der Brenz nun nach Augsburg gekommen. Das war seine erste Station als Kirchenmus­iker. Mit seiner Frau – ebenfalls Kirchenmus­ikerin – und seiner 19 Monate alten Tochter ist er jetzt nach Hainhofen gezogen. Von dort ist Barthen zuletzt auch öfter nach Westheim und nach Ottmarshau­sen gefahren, um dort in den Kirchen zu üben.

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Foto: Richard Mayr Christian Barthen an der Orgel von St. Anna.

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