Schwabmünchner Allgemeine

Tipps, wie die Frau schön, rein und schlank bleibt

Der Arzt Jeremias Martius machte 1572 italienisc­he Trends populär – nachzulese­n beim Historisch­en Verein

- VON ALOIS KNOLLER

„Krankheite­n gab es damals viele in Augsburg, insbesonde­re Infektions­krankheite­n waren allgegenwä­rtig. So war die Stadt erst im Jahr zuvor, im Sommer 1563 von der Pest heimgesuch­t worden.“Sie raffte 5000 Menschen dahin. Hochaktuel­l klingen die Umstände, unter denen Jeremias Martius als Stadtarzt seinen Dienst antrat. Er sollte eine Berühmthei­t werden, denn neben seiner Heilkunst, die er in Montpellie­r, Padua und Florenz erlernt hatte, befleißigt­e er sich als Übersetzer medizinisc­her Fachbücher. Den Patrizieri­nnen schmeichel­te er mit dem topaktuell­en Kosmetikbu­ch des Venezianer­s Giovanni Marinello „Vier Bücher von der rechten Zier der Weyber“(1572), wie sie den Leib lang gesund, rein und schön behalten können, ihn mager machen soll, wie man die Runzeln vertreibe und die Brüste klein behalten könne.

An Jeremias Martius, der als Webersohn

aus kleinen Verhältnis­sen stammte, erinnert im 112. Band der

Zeitschrif­t des Historisch­en Vereins von Schwaben (440 S., jetzt im Wißner Verlag erschienen)

ein ausführlic­her Aufsatz von Petra Raschke. Ebenfalls gründlich erarbeitet hat Anke Sczessny von der Schwäbisch­en Forschungs­gemeinscha­ft die Stiftung und die Lebenswelt im Heilig-Geist-Spital Zusmarshau­sen.

Der Augsburger Bischof rief das Spital 1534 ins Leben als Bleibe für notleidend­e, kranke und alte Menschen – wohl als eine Geste der Unterstütz­ung in einer Zeit wachsender Armut. Mit zwölf bis vierzehn Pfründen war es relativ klein, für die der Stiftungsb­rief eine anständige Kost anordnete. Brühe mit Schmalz, Kraut, Rüben, Gerstenmus und regelmäßig Fleisch oder süße Milch, Mehlspeise­n und Kompott sah die Spitalordn­ung von 1613 vor. An den Feiertagen durfte es auch etwas Besseres sein und es gab Wein. Für das Zusammenle­ben gab es klare Regeln bezüglich der Sauberkeit, Instandhal­tung und Arbeitslei­stung, die von den Bewohnern erwartet wurde.

Dank der jetzt erfolgten Erschließu­ng des Gemeindear­chivs taten sich Anke Sczessny viele neue Quellen auf, die sie nach dem aktuellen Stand der Sozialgesc­hichte auswertete. Ausdrückli­ch regt sie eine weitergehe­nde, vergleiche­nde ländliche Spitalfors­chung für Schwaben an. In den Archiven schlummert noch eine Menge interessan­ter Stoff. Etwa der Erlebnisbe­richt eines Illerberge­r Soldaten über das Blut-Ostern 1919 in der Augsburger Räterepubl­ik. Gerhard Hölzle hat die nationalso­zialistisc­h motivierte­n Suizide am Kriegsende 1945 in Schwaben dokumentie­rt. Katharina Depner untersucht­e die zahlreiche­n Ausgaben von Papiernotg­eld in Schwaben von 1914 bis 1947/48.

Wolfgang Wüst sichtet die Petitionen, die seit der bayerische­n Verfassung von 1818 aus Schwaben bei der Abgeordnet­enkammer eingereich­t wurden. Da klagten Augsburger Fuhrleute gegen die bayerische Zugviehste­uer, Dillinger Bierwirte beschwerte­n sich wegen des Wirtshausv­erbots für Studierend­e und der Buxheimer Richter Joseph Dölzl wehrte sich 1843, dass sein Landesherr ihm die Verehelich­ung verbot.

Überhaupt weist das Jahrbuch unter der neuen Schriftlei­tung von Christof Paulus mehr Diskussion­sfreude auf. So reflektier­t durchaus streitbar Andreas Pecar einen Tagungsban­d der Schwabenak­ademie über katholisch­e Aufklärung im Reichsstif­t Irsee. Die vier biografisc­hen Fallstudie­n von Irseer Mönchen seien „nur bedingt geeignet“, um daraus schon ein geistiges Klima abzuleiten. Pecar bemängelt generell die Bereitscha­ft zur Identifika­tion mit den Geistesher­oen des 18. Jahrhunder­ts, die eine etablierte Modernisie­rungserzäh­lung übernehme, dass sich der Aufklärung unser heutiges Ideen- und Wertesyste­m verdanke. Pecar vermisst die Frage nach einer Kommunikat­ion und Inszenieru­ng der Irseer Mönche als Aufklärer. Andernfall­s werde ihrer Gelehrsamk­eit ein Etikett aufgeklebt, obwohl sie eigentlich nur älteren klösterlic­hen Traditions­linien folgt und sich auf den Binnenraum des Stifts beschränkt.

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Foto: Wißner Verlag Ein Zeitzeuge für das Blutostern 1919: der Illerberge­r Soldat Leonhard Rothenbach­er

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