Schwabmünchner Allgemeine

Was die Corona-Demonstran­ten antreibt

Die Veranstalt­er waren überrascht, dass zuletzt so viele Menschen zum Protest gegen die Virus-Maßnahmen kamen. Jetzt ziehen sie auf den Plärrer um und sagen: „Wenn es zu Gewalt kommen sollte, brechen wir ab“

- VON INA MARKS

Mit dem Plärrer als neuen Demonstrat­ionsort seien sie zufrieden, sagt Alexander Linder. Er ist Sprecher von „Grundrecht­e wahren“. Die Gruppierun­g hat vergangene­n Samstag die Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen auf dem Rathauspla­tz veranstalt­et. Von den unerwartet vielen Menschen waren die Veranstalt­er, die sich mit 50 Teilnehmer­n angemeldet hatten, letztendli­ch selbst überrascht. „Auf dem Plärrer ist jetzt genügend Platz. Wir wollen doch keinen Ärger haben.“Was die Gruppe noch nicht will und wie alles an der Wertach begann.

Als der Friseur und AyurvedaEx­perte Linder vor wenigen Wochen auf seinem Heimweg an der Wertach entlang radelte, fielen ihm fünf Menschen auf. Wie er erzählt, saßen sie mit kleinen Ausgaben des Grundgeset­zes auf Baumstämme­n. Man kam ins Gespräch, vernetzte sich im Internet, begann sich täglich zu schreiben. So habe sich die lose Gruppe aus 20 Menschen aus den unterschie­dlichsten Branchen gefunden. Darunter Unternehme­r, eine Beamtin, ein Buchhalter, ein Krankenpfl­eger und ein Gärtner. „Wir sind alle sehr verschiede­n, aber uns nach so kurzer Zeit sehr nah“, sagt Linder. Sie eint die Kritik an den Infektions­schutzmaßn­ahmen. Die Zahlen an Corona-Infizierte­n sprächen nicht für die Panik, die verbreitet würde. „Als die Grippe schlimm war, sagte keiner, wir sollen daheim bleiben.“

Die Gruppe fühlt sich von der Regierung gegängelt – und durch die Corona-Regeln in ihren Grundrecht­en eingeschrä­nkt. „Wenn ich zwei Meter Abstand einhalten und Mundschutz tragen muss, ist das ein Angriff auf Artikel 1, die Würde des Menschen ist unantastba­r“, kritisiert der Augsburger. Deshalb geht „Grundrecht­e wahren“am Samstag das vierte Mal auf die Straße. „Wir machen das nicht, um die Leute zu spalten, sondern um an deren gesunden Menschenve­rstand zu appelliere­n“, sagt Linder eindringli­ch.

Er selbst glaube nicht, dass es bei all den Vorschrift­en um die Gesundheit der Bürger gehe. Sonst müsse es längst ein Tempolimit, ein Verbot von Breitbanda­ntibiotika in der

Massentier­haltung sowie ein Verbot des Maissirups in Getränken geben, erklärt er. In die Ecke der Verschwöru­ngstheoret­iker will Linder nicht gestellt werden. Er beziehe sich auf Fakten, sagt er. Klar distanzier­en wolle sich die Gruppe von rechts- oder linksradik­aler Gesinnung. Allerdings könne man solche Menschen auf einer Demo nicht verhindern, räumt er ein. Linder und seine Kollegen sehen dies im Übrigen nicht in ihrer Verantwort­ung. „Das sind Haubentauc­her. Die warten bis etwas stattfinde­t, um dann aufzutauch­en. Sie sind wie Hooligans, die ein Fußballspi­el benutzen, um sich dort zu kloppen.“

Er betont, dass die Gruppe „Grundrecht­e wahren“friedlich demonstrie­ren wolle. „Wenn es zu Gewalt kommen sollte, brechen wir ab.“Man habe auch nichts mit anderen Gruppierun­gen, wie den sogenannte­n „Coronarebe­llen Augsburg“zu tun. In dieser Gruppe wird die Verlegung der Demonstrat­ion vom Rathauspla­tz auf den Plärrer als „Verbannung“kritisiert – und deshalb über einen „Spaziergan­g“durch die Stadt diskutiert.

Die Stadt hatte das Plärrergel­ände gewählt, nachdem sich vergangene­n Samstag unerwartet viele Menschen auf dem Rathauspla­tz zur Kundgebung eingefunde­n hatten. Die Polizei zählte rund 500 Menschen. „Gerade aufgrund der Passantens­tröme zur besten Einkaufsze­it am Samstag und der baulichen Begrenzthe­it erwies sich der Rathauspla­tz vor dem Hintergrun­d des Infektions­schutzes als ungünstig“, heißt es von der Polizei. An diesem Samstag soll alles kontrollie­rter ablaufen. Insgesamt sind sechs Demonstrat­ionen am Plärrer angemeldet. Die meisten Menschen werden jedoch wieder bei der Kundgebung von „Grundrecht­e wahren“um 15 Uhr erwartet. Laut Polizei sind bis zu 500 Teilnehmer angemeldet. Das verwundert Alexander Linder, der erneut als Moderator sprechen wird. „Wir sind doch gar nicht so viele.“

Das Plärrerare­al wurde extra eingezäunt. Die Augsburger Polizei will Verstöße gegen Auflagen, wie etwa die Missachtun­g des Mindestabs­tandes oder eine Abweichung des Versammlun­gsortes, unterbinde­n. Sie wird mit rund 200 Beamten vor Ort sein und von der Bereitscha­ftspolizei unterstütz­t. Auch in der Innenstadt wollen die Beamten starke Präsenz zeigen. Alexander Linder von „Grundrecht­e wahren“, sagt, er sei nicht verantwort­lich dafür, dass die Menschen die Bestimmung­en einhalten. „Wir wollen nur unser Recht wahrnehmen und demonstrie­ren.“

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Dass so viele Menschen letzten Samstag auf den Rathauspla­tz kamen, damit haben die Veranstalt­er von der Gruppe „Grundrecht­e wahren“nach eigenen Angaben nicht gerechnet. Man habe den Plärrer als Ausweichor­t für die nächste Demo von sich aus auch vorschlage­n wollen, sagt Sprecher Linder.
Foto: Peter Fastl Dass so viele Menschen letzten Samstag auf den Rathauspla­tz kamen, damit haben die Veranstalt­er von der Gruppe „Grundrecht­e wahren“nach eigenen Angaben nicht gerechnet. Man habe den Plärrer als Ausweichor­t für die nächste Demo von sich aus auch vorschlage­n wollen, sagt Sprecher Linder.
 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Alexander Linder ist Friseur und Ayurveda-Experte – und einer der Initiatore­n der Proteste gegen die Corona-Regeln in Augsburg.
Foto: Ulrich Wagner Alexander Linder ist Friseur und Ayurveda-Experte – und einer der Initiatore­n der Proteste gegen die Corona-Regeln in Augsburg.

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