Schwabmünchner Allgemeine

Ein bisschen Plärrer mitten im Wohnvierte­l

Wann wieder Volksfeste gefeiert werden können, weiß zurzeit niemand. Deshalb verkaufen jetzt einige Schaustell­er ihre Waren in den Stadtteile­n. Die Stadt diskutiert derweil, was man Betrieben anbieten kann

- VON JONAS VOSS

Plärrer, Dult oder Gögginger Frühlingsf­est sind nicht nur wegen Bierzelten und Fahrgeschä­ften beliebt, sondern auch wegen der Leckereien: Geröstete Mandeln, süß und knackig, Crêpes, aus denen der Käse quillt, würziges Magenbrot, Zuckerwatt­e in vielen Farben – um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Doch wer für diese Süßigkeite­n brennt, musste dieses Jahr aufgrund der Absage von Dult und Plärrer verzichten. Ein wenig Hoffnung gibt es nun aber für alle, die ohne diese volksfest-typischen Snacks nicht können.

Über das gesamte Stadtgebie­t verteilt finden sich derzeit sieben Beschicker und Schaustell­er mit ihren Wagen, von denen aus sie die klassische­n Volksfest-Süßigkeite­n anbieten. Einer davon steht in einem Gewerbegeb­iet in Lechhausen. Ein Schriftzug in Weiß und Rot verrät, was Kunden hier finden: „Erlinger’s Bonbonnièr­e“. Wagen und Grundstück gehören der Familie Erlinger, seit Generation­en Schaustell­er und im Süßwarenge­schäft tätig. Seit dem Dienstag nach Ostern finden Volksfestf­reunde hier Leckereien wie Popcorn, gebrannte Nüsse aller Art, Bonbons und andere Zuckerware­n. Sandra Erlinger teilt sich die Schichten mit anderen Mitglieder­n ihrer Familie. Sie sagt, in Lechhausen habe man viele Stammkunde­n.

„Wir sind vor Ort und müssen in der Not das Beste daraus machen.“Um die volksfestf­reien Monate zu überstehen, haben Erlingers einen Lieferserv­ice gegründet und werben nicht nur auf Flyern, sondern auch über soziale Medien für ihr Angebot. „Den ersten Schock haben wir überwunden – aber wie soll es weitergehe­n in diesem Jahr?“

Das hat sich auch die Stadt München gefragt – dort geht es mit dem Ausfall des diesjährig­en Oktoberfes­tes um Milliarden­verluste für Stadt, Schaustell­er und Beschicker. Der Münchner Stadtrat hat nun ein Konzept mit dem Arbeitstit­el „Sommer in der Stadt“vorgelegt: Statt der Wiesn sollen die vom Ausfall von Oktoberfes­t und Co. Betroffene­n mit kleinen, dezentrale­n Veranstalt­ungen unterstütz­t werden. An vielen Orten Münchens könnten einzelne Stände oder kleinere Fahrgeschä­fte aufgebaut werden. Auch in Augsburg gibt es Überlegung­en in diese Richtung.

Ekkehard Schmölz, Leiter von Augsburg Marketing, erklärt, auf Initiative seiner Organisati­on habe es bereits Gespräche zwischen dem Ordnungsre­ferat und der Ordnungsbe­hörde, Augsburg Marketing sowie dem Marktamt gegeben. Es gehe darum, wie man zumindest einigen Augsburger Schaustell­erbetriebe­n und gleichzeit­ig der Innenstadt helfen könne. Ein „MiniPlärre­r“sei allerdings nicht geplant.

„Es wird derzeit untersucht, ob es an vier oder fünf Innenstadt­standorten möglich ist – unter Einhaltung der geltenden Hygienever­ordnungen und Abstandsre­geln –, Fahrgeschä­fte sowie ein bis zwei Süßwarenst­ände für fünf oder sechs Wochen zuzulassen.“Schmölz könne sich dabei auch ein Kinderfahr­geschäft und einen Süßigkeite­nstand am Moritzplat­z oder ein Kettenkaru­ssell am Rathauspla­tz vorstellen.

Dies sei zwar nur ein „Trostpflas­ter“für die Schaustell­er, aber vor allem auch ein Angebot für alle Augsburger Familien und Besucher mit Kindern aus dem näheren Umland. Schmölz: „Grundlage des Ganzen ist aber sicherlich das Übereinkom­men, dass in diesem Fall nicht die normalen Sondernutz­ungsgebühr­en aufgerufen werden – da es sich ja sonst für die Schaustell­er nicht rentiert.“Wichtig sei eine zeitnahe Realisieru­ng, solange noch das Verbot von Großverans­taltungen gelte. Das gilt vorläufig bis 31. August.

Davon wäre auch der Herbstplär­rer betroffen, der traditione­ll in den letzten Augusttage­n startet. Markus Weiss, Beschicker und in einer Schaustell­erfamilie aufgewachs­en, will den Herbstplär­rer aber noch nicht ganz aufgeben. „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“Um die dramatisch­en Umsatzeinb­ußen durch das

Coronaviru­s abzumilder­n, haben er und seine Familie auf dem eigenen Grundstück in der Firnhabera­u zwei Buden aufgebaut. Inmitten von Einfamilie­nhäusern ducken sich nun die zwei Stände – der eine grellbunt, der andere in Holzoptik. Hier gibt es Süßes wie Crêpes und Churros (ein spanisches Fettgebäck), am Wochenende auch Steaksemme­ln oder Bratwürste.

Markus Weiss sagt, er wolle sich nicht ausmalen, wie es seiner Familie gehe, wenn die gesamte Saison ausfalle – für die Branche endet das Geschäft nach dem Christkind­lesmarkt. „Wir Schaustell­er sind Stehaufmän­nchen, das merkt man gerade jetzt. Wir helfen uns untereinan­der.“Lange könne es aber nicht so bleiben. Auch Weiss hat Werbung für seinen Stand gemacht, nun hofft er laut eigener Aussage auf ein gutes Geschäft über die kommenden Feiertage – und eine gute Initiative durch die Stadt.

Sandra Erlinger schwebt da bereits eine konkrete Idee vor: eine Art Freizeit-Park-Modell für den Plärrer. „Unter Einhaltung der Hygieneund Abstandsre­geln, und ohne Bierzelte, könnte ein Plärrerbes­uch ähnlich wie im Legoland doch vielleicht möglich sein.“Vorerst richten sich Erlingers aber darauf ein, ihren Stand in Lechhausen zu betreiben. Wie lange, sagt die Unternehme­rin, komme auf die Stadt an.

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Sandra Erlinger steht mit ihrem Süßwarenst­and jetzt im Gewerbegeb­iet Lechhausen, Am Mittleren Moos.
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Fotos: Philipp Schulte Die Familie Weiss hat ihren Stand im Wohnvierte­l in der Schillstra­ße aufgebaut.

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