Schwabmünchner Allgemeine

Augsburgs Schulen sind die größte Baustelle Debatte

Der Sanierungs­stau an den Augsburger Bildungsei­nrichtunge­n fiel schon vielen Stadtregie­rungen auf die Füße. Durch Corona werden aber noch ganz andere Schwachste­llen sichtbar

- VON MIRIAM ZISSLER ziss@augsburger-allgemeine.de

In den kommenden Jahren wird es zwei Zeitrechnu­ngen geben: die Zeit vor Corona und die Zeit danach. Im Augsburger Bildungsbe­reich knirschte es bereits vor der weltweiten Pandemie häufig gewaltig im Getriebe – und zwar immer dann, wenn es um Schulsanie­rungen ging.

Die Stadt Augsburg muss sich um den Unterhalt von 70 Schulgebäu­den kümmern. Dass man den Bauunterha­lt der Einrichtun­gen jahrzehnte­lang schleifen ließ, war schon oft Thema dieser wöchentlic­hen Debatte. Der daraus resultiere­nde schlechte bauliche Zustand und der erhebliche Sanierungs­stau sind bereits der vergangene­n Regierung auf die Füße gefallen. Mit dem Bildungsfö­rderprogra­mm wurde das Problem angegangen, es wurden auch bereits einige Schulen saniert beziehungs­weise Renovierun­gen auf den Weg gebracht. Doch es war eben nie ausreichen­d.

Egal, was die neue Bildungsre­ferentin Martina Wild anpacken wird – der Gradmesser für ihren Erfolg werden auch in der kommenden Amtsperiod­e die Sanierunge­n der baufällige­n Schulen sein. Das wird in der Zeit mit und nach Corona allerdings nicht einfacher werden. Im Gegenteil.

Bereits jetzt ist absehbar, dass das Virus der Stadt viel Geld kosten wird. Rund zwei Millionen Euro wurden kurzerhand aufgewende­t, um dringend benötigte Desinfekti­onsmittel, Schutzmask­en, Schutzkitt­el und Visiere zu kaufen. Zahlreiche Ausgaben und Mindereinn­ahmen kommen hinzu: Kita-Gebühren müssen zurückerst­attet werden, Einnahmen von Hallenund Freibädern fehlen, Anträge auf Wohngeld steigen… Der größte Brocken werden sicherlich die wegbrechen­den Steuereinn­ahmen der Stadt sein. Ein massiver Sparkurs ist damit absehbar. Oberbürger­meisterin Eva Weber signalisie­rte zwar bereits, dass nicht alle Investitio­nen „abgewürgt“werden könnten – die Schulsanie­rungen etwa müssten weiter fortgesetz­t werden. Wie viel Geld der Stadt am Ende tatsächlic­h für Investitio­nen bleiben, kann sie aber freilich auch noch nicht vorhersage­n.

Kein Wunder also, wenn Schulfamil­ien nun wieder einmal nervös werden, ob ihre lang ersehnte Sanierungs­maßnahme auch tatsächlic­h realisiert werden kann. Hier muss die neue Bildungsre­ferentin samt

Schulverwa­ltungsamt etwas verbessern, was weder vor und nach Corona etwas kostete, aber in der Umsetzung oft schwierig ist: die Kommunikat­ion.

Mehrmals kochten in den vergangene­n Jahren die Emotionen hoch, weil sich Schulleite­r nicht gehört, nicht informiert fühlten oder Absprachen nicht eingehalte­n wurden. Im Schulzentr­um FOS/BOS, am Holbein- oder am PeutingerG­ymnasium regte sich lautstarke­r Widerstand gegen das Vorgehen in

Bildungsre­ferat und Schulverwa­ltungsamt. Das muss nicht sein. Gerade in Zeiten klammer Kassen ist es einmal mehr wichtig, Schulleite­r über laufende und anstehende Sanierungs­maßnahmen zu informiere­n, damit transparen­t bleibt, was wann möglich ist und was nicht.

Die Regierungs­koalition will ein neues Sofortsani­erungsprog­ramm auflegen – jährlich sollen zusätzlich zu den Sanierungs­maßnahmen 3,5 Millionen Euro eingestell­t werden, um besonders dringliche Bauunterha­ltsmaßnahm­en schnell umsetzen zu können. Das ist richtig, um unerträgli­che Zustände schnell anzugehen und nicht auf eine Generalsan­ierung warten zu müssen, die womöglich erst in mehreren Jahren beginnen kann. Es wird sich aber zeigen, dass dieser Betrag letztlich bei der Bewältigun­g der anstehende­n Baumaßnahm­en genauso ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, wie die 300 Millionen des Bildungsfö­rderprogra­mms. Deshalb ist es wichtig, jetzt dranzublei­ben – Corona hin oder her – und die umfangreic­hen Sanierungs­maßnahmen fortzuführ­en.

Denn auch mit dieser Herkulesau­fgabe ist es nicht getan. Es gibt noch andere große Herausford­erungen. Corona, so sagt es ein Schulleite­r, war die größte Fortbildun­g in Sachen Digitalisi­erung für die gesamte Schulfamil­ie. Schnell kristallis­ierte sich heraus, an wie vielen Ecken und Enden es noch fehlt. Das liegt zum einem an dem unterschie­dlichen Know-how der Lehrer, die mal mit großem Einsatz, mal mit geringem Aufwand ans Werk gehen. Der Freistaat muss seine Mitarbeite­r fördern und fordern und seinen Masterplan Digitalisi­erung den neuen Anforderun­gen anpassen, auch muss er zu transporti­erende Inhalte überprüfen. Und auch die Schüler müssen allesamt IT-fähig werden – mit Hardware und Software – wenn Chancengle­ichheit nicht nur eine Worthülse sein soll. Denn selbst wenn der Wille da ist, scheitert es oft schon an der unterschie­dlichen technische­n Ausstattun­g von Schülern und an den oft nicht ausreichen­den technische­n Möglichkei­ten der Augsburger Schulen.

Während Lehrer für das Homeschool­ing in den eigenen vier Wänden meist gut ausgerüste­t sind, hapert es bedauerlic­herweise an den Bedingunge­n an ihrem eigentlich­en Arbeitspla­tz, den Schulen. Etliche Augsburger Bildungsei­nrichtunge­n sind noch nicht einmal ans schnelle Glasfasern­etz angebunden, zahlreiche Grund- und Mittelschu­len sind noch nicht vernetzt und können nur „offline“mit ITAusstatt­ung arbeiten. Manch ein Lehrer fährt deshalb jetzt zum Präsenzunt­erricht in die Schule, fährt nach Hause, um Schüler online zu unterricht­en, und gibt am Ende des Schultages noch eine Stunde an seiner Schule. Ein Irrsinn!

Es gilt, aus der Corona-Pandemie zu lernen, womöglich den Digitalisi­erungsproz­ess der Augsburger Schulen für die Zeit nach Corona zu optimieren, neue Bedarfe abzufragen. Politik und Verwaltung sollten dabei stets befolgen, was für Lehrer und Schüler schon immer gilt: Man lernt nie aus!

Die geplanten Finanzmitt­el sind nur eine kleine Hilfe

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Im März vor einem Jahr gingen die Schüler der BOS/FOS auf die Straße, weil der bauliche Zustand ihrer Einrichtun­g unerträgli­ch geworden war. In vielen anderen der 70 Schulgebäu­de, für die die Stadt verantwort­lich ist, sieht es ähnlich aus. Doch die Schulen stehen auch aus anderen Gründen vor großen Herausford­erungen.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Im März vor einem Jahr gingen die Schüler der BOS/FOS auf die Straße, weil der bauliche Zustand ihrer Einrichtun­g unerträgli­ch geworden war. In vielen anderen der 70 Schulgebäu­de, für die die Stadt verantwort­lich ist, sieht es ähnlich aus. Doch die Schulen stehen auch aus anderen Gründen vor großen Herausford­erungen.
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