Schwabmünchner Allgemeine

So schaffte es Leo Dietz in die erste Reihe der Stadtpolit­ik

Er sieht nicht aus wie ein CSU-Mann und hat auch nicht den passenden Lebenslauf. Trotzdem legte der Szene-Gastronom einen erstaunlic­hen Aufstieg in der Partei hin. Warum er dabei nicht immer zimperlich war – und was er zu seinem Ruf als Strippenzi­eher sag

- VON JÖRG HEINZLE

Er sieht nicht so aus, wie man sich einen CSU-Politiker vorstellt. Leo Dietz trägt die Haare lang, wobei er sie meist zu einem Dutt zusammen bindet. Eine lange Narbe zeichnet sein Gesicht. Bei öffentlich­en Auftritten, etwa bei Bällen, trägt er auch mal einen Ring mit Totenkopf am Finger. Auch sein Lebenslauf will auf den ersten Blick nicht so recht passen. Anders als viele, die in der CSU in führenden Positionen sind, hat er nicht studiert. Er ist kein Jurist, wie die neue Oberbürger­meisterin Eva Weber, Augsburgs Parteichef Volker Ullrich oder Polit-Urgestein Bernd Kränzle. Dafür flog er als Schüler von der Realschule. Und trotzdem hat es Dietz bis in die erste Reihe der Stadtpolit­ik geschafft. Als neuer CSU-Fraktionsc­hef im Stadtrat sitzt er jetzt an einer wichtigen Schaltstel­le der Macht.

Dass er bisweilen den Ruf des „bösen Buben“hat, obwohl er inzwischen 53 Jahre alt ist, scheint Leo Dietz nicht zu stören. Er kommt aus dem Nachtleben. Und auf das, was er sich dort aufgebaut hat, ist er stolz. Mit seiner Howdy GmbH betreibt er die bekannte Party-Kneipe Peaches und den Mauser-Club in der Maximilian­straße. Außerdem die Großraumdi­sko Cube im Univiertel. Das Nachtleben bringt es auch mit sich, dass man in Augsburg länger suchen muss, bis man jemanden findet, mit dem er per Sie ist. „Ich bin der Leo“, stellt er sich oft vor. Der Rufname ist eine Abkürzung, im Pass steht Leopold.

Leo Dietz ist gebürtiger Gögginger und lebt bis heute in dem Augsburger Stadtteil. Er hat die Volksschul­e dort mit dem „Quali“abgeschlos­sen, dann Kfz-Mechaniker und später Datenverar­beitungska­ufmann gelernt. Dietz wuchs ohne Vater auf, er hat zwei Geschwiste­r. Er wollte, sagt er, als Jugendlich­er schnell arbeiten. Auf eigenen Beinen stehen. Mit 19, über einen Nebenjob als Kellner in der Morning-Star-Disko, steigt er in die Gastronomi­e ein. Er kellnert in verschiede­nen Läden, betreibt Kraftsport, wird auch Türsteher. Im Jahr 2000 übernimmt er dann als Mitinhaber das Peaches, in dem er zuvor schon Barkeeper und Geschäftsf­ührer war – und wird so zum bekannten Szene-Gastronome­n.

Mit der Politik hat er lange nichts am Hut. Er wählt CSU, ein Engagement in der Partei kommt ihm nicht in den Sinn. Über Tobias Schley, den damaligen Ortsvorsit­zenden der CSU in Bergheim, wird er 2005 Parteimitg­lied. Bei der Stadtratsw­ahl 2008 tritt Dietz auf Platz 40 an. Er soll als bekanntes Gesicht Stimmen für die CSU sammeln. Aber die Wenigsten in der Partei trauen ihm zu, dass er von diesem hinteren Listenplat­z den Einzug in den Stadtrat schafft. Ein langjährig­er CSU-Rat sagt ihm das damals immer wieder: „Du hast keine Chance.“Das sei für ihn die Initialzün­dung gewesen, sagt Dietz. Sein Ehrgeiz ist geweckt. Er trommelt sein Peaches-Team zusammen und startet einen Wahlkampf, der auf ihn zugeschnit­ten ist. Er beklebt sein Auto, schmückt einen Anhänger mit Fähnchen. Als die Wahl dann ausgezählt ist, zeigt sich: Der Gastronom hat so viele Stimmen eingesamme­lt, dass er auf der CSU-Liste ganze 19 Plätze nach vorne springt. Das reicht locker für einen Sitz im Stadtrat.

Dietz zählt damals, 2008, zum Lager der „jungen Wilden“in der CSU-Fraktion. Zu der sechsköpfi­gen Gruppe gehört auch der heutige Augsburger Parteichef und Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich. „Ich wusste am Anfang noch gar nichts“, sagt Dietz. Er sei ein absoluter Neuling gewesen und musste sich erst einarbeite­n, wie Politik im Stadtrat funktionie­rt. Es sind unruhige Zeiten in der CSU. Die „jungen Wilden“legen sich immer wieder mit der eigenen Partei an, auch OB Kurt Gribl sieht in der Gruppe Gegenspiel­er. Volker Ullrich steht damals, weil er harsche Kritik am

Ordnungsre­ferenten übt, sogar kurz vor dem Rauswurf aus der Fraktion. Dietz sagt, er habe sich da noch eher im Hintergrun­d gehalten. Als er aber erkannt habe, dass auch unter den „jungen Wilden“Leute sind, die an den alten, eingefahre­nen Mustern in Partei festhalten, entschloss er sich, nach mehr zu greifen. Und er ist dann auch nicht zimperlich, Mehrheiten gegen frühere Verbündete zu schmieden.

Dietz übernimmt zuerst den Ortsverban­d der CSU in Bergheim, dann steigt er auf an die Spitze des CSU-Kreisverba­nds im Augsburger Westen. Es sind knappe Ergebnisse, mit denen er in die Ämter kommt. Dietz bereitet sich auf die Wahlen gut vor. Er wirbt Mitglieder an, die auf seiner Seite sind. Und er weiß vorher genau, ob er die erforderli­che Mehrheit hat. Als „Strippenzi­eher“und „Taktiker“wird er deshalb auch bezeichnet. Er sieht darin nichts Verwerflic­hes. „In einer demokratis­chen Partei braucht man Mehrheiten“, sagt er. „Und dafür benötigt man auch ein Netzwerk.“Dietz nimmt für sich in Anspruch, dass er „mit offenem Visier“kämpfe. Er habe seine Ambitionen immer vorher offengeleg­t, auch parteiinte­rnen Konkurrent­en gegenüber.

So hat er es auch jetzt gehalten – als der die Machtfrage in der Rathaus-CSU stellte. Er kündigte an, dass er Fraktionsc­hef werden will – notfalls in einer Kampfabsti­mmung gegen den verdienten CSU-Mann Bernd Kränzle, 77. Dieses Mal musste Dietz aber keine Mehrheit schmieden. Kränzle ist Dritter Bürgermeis­ter geworden, damit wurde das Amt für ihn frei. Und alle CSURäte stimmten für Dietz als Nachfolger. Es war eine Wahl per Handzeiche­n, offenbar wollte es sich niemand mit ihm verscherze­n.

Gegner werfen Dietz vor, er verfolge in der Politik nur den eigenen Vorteil und habe keine politische­n Visionen. Er entgegnet, für sein Gastro-Geschäft wäre es besser, nicht exponiert in der Öffentlich­keit zu stehen. Und die Inhalte? Er stehe hinter dem, was die CSU ins Wahlprogra­mm geschriebe­n habe und was im Koalitions­vertrag von CSU und Grünen stehe. „Ich bin überzeugt, dass es gute Ideen sind für die Stadt.“Als Fraktionsc­hef sieht er seine Aufgabe darin, die Meinungsbi­ldung in der Fraktion zu moderieren – und mit den Grünen gemeinsame Positionen zu finden. Es sei nicht die Zeit für große Visionen angesichts der Corona-Krise und der drohenden Finanznot. Es gehe jetzt darum, die Stadt gut zu verwalten, sagt er. Und klingt damit doch schon ganz nach CSU-Politiker.

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Foto: Michael Hochgemuth Leo Dietz ist nicht der Typ des typischen CSU-Politikers – auch nicht hier beim Presseball. Dennoch wurde er jetzt Fraktionsc­hef im Stadtrat.

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