Schwabmünchner Allgemeine

Ein mühsamer Neustart für Geschäfte

Die meisten Läden haben wieder auf, vor manchen bilden sich sogar lange Schlangen. Doch vom Alltag ist man noch weit entfernt. Denn die geltenden Regeln stellen Händler und Kunden vor Herausford­erungen

- VON ANDREA WENZEL

Die Zeit, in denen die Augsburger Innenstadt wegen der geschlosse­nen Geschäfte wie eine Geistersta­dt wirkte, sind vorbei. Die Straßen und auch die City-Galerie füllen sich wieder mit Leben, die Geschäfte haben fast alle wieder geöffnet, vereinzelt kommen die Kunden zurück. Und doch ist nichts, wie es war.

In den Schaufenst­ern begrüßen die Händler ihre Kunden mit teils kreativen Plakaten. „Willkommen zurück, Schatzsuch­er“leuchtet es beispielsw­eise bei TK Maxx, einem Modehaus für Schnäppche­n-Angebote, heraus. „Happy to be Bag“, titelt Koffer-Kopf mit einem Wortspiel, das auf den Verkauf von Taschen (englisch Bag) anspielt, gelesen aber auch so viel wie „Glücklich, zurück zu sein“heißen kann.

Viele Kunden erzählen, sie fühlten sich durch die Aktionen herzlich aufgenomme­n und freuten sich über das Engagement der Händler. Dafür lesen sie auch gerne sehr intensiv weitere Plakate, auf denen die Höchstzahl an Kunden angegeben ist, die in den Laden dürfen, hinzukomme­n die Hinweise zum Tragen eines Mundschutz­es und den Aushang zu den Hygienereg­eln. Die Kunden stellen sich sogar geduldig an, wenn gerade Einlasssto­pp ist, und nutzen zur Orientieru­ng die Markierung­en am Boden. So wie Karin und Kathrin Hinze aus Landsberg: „Anstehen gehört jetzt halt dazu“, nehmen es Mutter und Tochter gelassen. Weil der gebuchte Urlaub flachfällt, gönnen sie sich jetzt einen schönen Shopping-Tag in Augsburg.

„Wir sind überrascht, wie gut es läuft“, sagt Ulrich Mayer, erster Vorsitzend­er des Innenstadt­gewerbebei­rats und Geschäftsf­ührer des Tabakwaren- und Spirituose­n-Ladens No.7 in der Steingasse. Die Kunden seien sehr disziplini­ert und kooperativ. „Wir hatten noch mit keinem Streit, weil er mit den neuen Regeln nicht einverstan­den ist“, erzählt Mayer. Ähnliches berichtet Axel Haug, Centermana­ger der City-Galerie, und zollt den Kunden dafür Respekt.

Die Anstrengun­gen, die die Händler für den Neustart leisten müssen, sind jedoch enorm. Um geltende rechtliche Vorgaben einhalten zu können, mussten manche Ladenbesit­zer umbauen. Auch bei No.7 war das so. Unter anderem mussten Verkaufsti­sche durch schmale Regale ersetzt werden. Und weil es auch rund um die Kassen zu eng für den Mindestabs­tand war, wurden diese kurzerhand versetzt – dafür die Stromkabel aus der Decke geholt und am Boden verlegt. Die Zahl der im Laden befindlich­en Kunden zählen die No.7-Mitarbeite­r selbst. In anderen Häusern wird stattdesse­n ein Einkaufsko­rb oder eine Marke ausgegeben, um den Überblick zu behalten. In der City-Galerie registrier­en Sensoren, wann die Grenze der maximal 1225 zugelassen­en Kunden erreicht ist.

„All diese Maßnahmen sind aufwendig und kosten Geld“, sagt Ulrich Mayer. Unter anderem auch, weil Schulungen für Mitarbeite­r und das Vorhalten von Desinfekti­onsmitteln und Ähnlichem nötig sind. Mehrere tausend Euro könnten da je nach Ladengröße und Konzept

zusammenko­mmen, schätzt er.

Geld, dass den Einzelhänd­lern derzeit eigentlich fehlt. Denn trotz der Ladenöffnu­ngen ist man von einer normalen Kundenfreq­uenz weit entfernt. Noch halten sich einige mit einem richtigen Stadtbumme­l zurück. „Klamotten probieren mit Maske, das macht keinen Spaß“, erzählt beispielsw­eise Rebecca Schröder. Auch Kathrin Seefelder fühlt sich „beengt“und kauft daher in der City-Galerie nur, was nötig ist.

Dass bei der Kundenfreq­uenz noch Luft nach oben ist, weiß auch Ulrich Mayer: „Vergangene­n Samstag hatten wir etwa 55 Prozent vom sonst üblichen Umsatz. Damit sind wir in etwa bei der gleichen Ertragssit­uation wie vor dem Lockdown. Denn nun fallen wieder mehr Kosten für Mitarbeite­r und andere Dinge an“, erklärt der Geschäftsm­ann. Verdienen würde man aktuell noch nicht.

Dennoch sind die Händler froh, dass sie wieder öffnen dürfen. Das bestätigt auch Marcus Vorwohlt vom Modehaus Rübsamen. Auch hier sei die maximal zulässige Kundenzahl bislang zwar noch an keinem Tag erreicht worden, aber man setze auf den Faktor Zeit: „Wir merken mit jedem Tag, dass die Kunden wieder länger bleiben und nicht mehr ausschließ­lich nach Bedarf kaufen, sondern auch andere Artikel in Betracht ziehen.“

Doch ganz von allein wird es nicht gehen, dass die Zahl der Besucher steigt. Deshalb arbeiten die Händler und der Innenstadt­gewerbebei­rat (IGB) an Ideen für die Wiederbele­bung. Während der Bayerische Einzelhand­elsverband verkaufsof­fene Sonntage fordert, wollen die Händler in Augsburg ein breiter aufgestell­tes Konzept. „Ich bin für alles, was gemäß der Hygienereg­eln umsetzbar ist und Leute in die Stadt zieht“, formuliert es Marschon cus Vorwohlt. IGB-Vorsitzend­er Ulrich Mayer stößt ins gleiche Horn: „Wir müssen uns ein Konzept für eine Willkommen­skultur überlegen.“Auch die Öffnung der Außengastr­onomie könnte einen Schub geben. Denn eins sei klar: Auf Dauer halten die Geschäfte die herrschend­en Zustände nicht durch. „Wie sollen beispielsw­eise Boutiquen in der Altstadt, die nur ein oder zwei Kunden hereinlass­en dürfen, auf Umsatz kommen?“, fragt Mayer.

Doch das allein sieht Nicola Ressel vom Lädchen Kadoh in der Altstadt gar nicht als das größte Problem. Schon bisher seien die Altstadtge­schäfte nicht von Kunden überrannt worden. „Viel schlimmer ist es, dass Besucher im Kopf haben, ihren Aufenthalt möglichst kurz zu halten. Aber wir sind ein Krimskrams-Laden. Wir leben davon, dass Kunden in Ruhe stöbern“, sagt sie.

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Fotos: Ulrich Wagner Wer derzeit Bummeln gehen will, muss viele Regeln beachten. Nicht nur für Kunden ist das eine Herausford­erung.
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Schlange stehen vor den Geschäften, zurzeit ein häufiger Anblick.
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Nicola Ressel klagt über die kurze Verweildau­er vieler Kunden.
 ??  ?? Mit Schildern weisen Geschäfte ihre Kunden auf die Regeln hin.
Mit Schildern weisen Geschäfte ihre Kunden auf die Regeln hin.
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Erst Hände desinfizie­ren, dann einkaufen. Dies gilt in vielen Läden.

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