Schwabmünchner Allgemeine

Koalition will Kommunen kräftig entlasten

Finanzen CDU-Vize Laschet und SPD-General Klingbeil pochen auf großzügige Lösung

- VON BERNHARD JUNGINGER, STEFAN LANGE UND GREGOR PETER SCHMITZ

Berlin/Düsseldorf Autoprämie, Kinderbonu­s, niedrigere Steuern: Mit zweistelli­gen Milliarden­beträgen will die Koalition der Konjunktur wieder auf die Sprünge helfen – wer davon besonders profitiere­n soll, war bis kurz vor dem Spitzentre­ffen von Union und SPD an diesem Dienstag allerdings noch unklar. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet, der auch Anwärter auf den CDU-Vorsitz ist, forderte in einem Interview mit unserer Redaktion unter anderem eine spürbare Entlastung der Kommunen: „Angesichts einbrechen­der Steuereinn­ahmen und steigender Soziallast­en werden die Spielräume der Kommunen für Investitio­nen in die Zukunft sehr eng. Dabei können vor allem die Kommunen als größte öffentlich­e Investoren das örtliche Handwerk und die Wirtschaft in der Fläche stärken.“Laschet schlägt dazu eine „signifikan­te Entlastung bei den Kosten der Unterkunft für Hartz- IV-Empfänger“vor.

Ähnlich argumentie­rt auch SPDGeneral­sekretär Lars Klingbeil: „Vor Ort in den Städten und Gemeinden entscheide­t sich, ob die Bürgerinne­n und Bürger mit Zuversicht in die Zukunft blicken oder ob sich ein Gefühl des Abstiegs und der sozialen Ungerechti­gkeit breitmacht“, betonte er gegenüber unserer Redaktion. „Kein Geld für Kommunen heißt auch kein Geld für Sportanlag­en, Schwimmbäd­er und Kitas. Das können wir nicht hinnehmen. Der größte Teil der öffentlich­en Investitio­nen wird vor Ort in Auftrag gegeben. Dafür brauchen die Städte und Gemeinden aber auch den finanziell­en Spielraum. Wir wollen, dass der Bund den Kommunen auf dem Weg aus der Krise unter die Arme greift.“CDU und CSU, so Klingbeil weiter, müssten dazu ihre Blockadeha­ltung dagegen aufgeben. „Vor allem sind es einige Ministerpr­äsidenten der Union,

die nur aus Prinzip Hilfen für die Kommunen ablehnen.“

Laschet machte sich außerdem für einen sogenannte­n Kinderbonu­s stark. „Die Familien haben durch die Einschränk­ungen bei Kitas und Schulen besonders viel geschulter­t“, sagte er. „Das zu würdigen, fände ich ein wichtiges Signal.“Ein solcher „Konsumimpu­ls“gehöre auf jeden Fall in das Konjunktur­paket. Laschet selbst spricht von 600 Euro pro Kind, Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) dagegen nur von 300 Euro. Eine Steuersenk­ung für alle Deutschen, wie sie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder gefordert hatte, hält Laschet für schwierig: „Eine ganz große Steuerrefo­rm wird man so schnell nicht hinbekomme­n. Das ist eine Aufgabe für die nächste Legislatur­periode. Aber natürlich brauchen wir auch eine Entlastung der Steuerzahl­er.“

Besonders umstritten ist eine staatliche Prämie für den Kauf neuer Autos. Sollte sie tatsächlic­h kommen,

Wie hoch fällt der Kinderbonu­s aus?

warnte Laschet, dürfte sie nicht nur auf E-Autos beschränkt sein: „Auch der Kauf von Autos mit umweltfreu­ndlichen Verbrennun­gsmotoren müsste angekurbel­t werden.“Die Elektromob­ilität werde schon stark gefördert. „Leider ohne die erhoffte starke Wirkung.“Gleichzeit­ig plädierte er wie Söder für eine Obergrenze für die Neuverschu­ldung. „Wir können ja nicht in wenigen Wochen und Monaten jüngeren Generation­en so viele Schulden auferlegen, dass sie diese in ihrem Leben niemals abtragen können.“Nach einem Bericht der Bild am Sonntag sollen die Konjunktur­hilfen bis zu 80 Milliarden Euro betragen. Lesen Sie dazu auch den Leitartike­l. Das Interview mit Armin Laschet und einen Überblick über die möglichen Konjunktur­hilfen finden Sie in der

Interview Armin Laschet, Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen und Anwärter auf den CDU-Vorsitz, über die verschiede­nen Lockerungs­geschwindi­gkeiten in Deutschlan­d, die Details eines möglichen Konjunktur­paketes – und die Frage, wie er sich unter dem ungeheuren Druck dieser Krise als Mensch und Politiker verändert hat

Herr Laschet, Sie galten in der Corona-Krise als Wortführer für schnellere Lockerunge­n. Nun hat Ihnen Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow den Rang abgelaufen, der so gut wie keine Auflagen mehr für seine Bürger möchte. Eifersücht­ig?

Laschet: Natürlich nicht. Herr Ramelow hat ja einen völlig anderen Vorschlag gemacht, als ich es in der Vergangenh­eit getan habe. Für mich war immer die Abwägungsf­rage das Entscheide­nde: Welche Schäden, kurz-, mittel- und langfristi­g, richten wir durch die Abriegelun­gen an? Mir ging es immer darum, nicht einseitig auf die Wirkung des Lockdowns zu schauen, sondern auch zu fragen, welche Schäden wir damit auslösen. Das Ergebnis unserer vorsichtig­en Öffnungen ist, dass bei uns in Nordrhein-Westfalen seit April die Zahl der Neuinfekti­onen um 75 Prozent gesunken ist. Das zeigt doch, dass unsere Entscheidu­ngen maßvoll und vernünftig waren. Ich habe übrigens nie Sorgen gehabt, dass das Öffnen und Lockern bei uns im Land ein großes Problem ist. Denn ich hatte Vertrauen, dass die Bürger sich verantwort­lich verhalten. Diese Grundüberz­eugung war nicht populär, gewiss. Lange Zeit war es populärer, möglichst viel zu verbieten.

Lange galt auch der Rat von Virologen in der Politik als maßgeblich. Diese würden gerne die Einschränk­ungen verlängern und sehen die jetzigen Öffnungen skeptisch. Spielen Virologen also politisch keine Rolle mehr?

Laschet: Ich will mich ja eigentlich nicht mehr zu Virologen äußern, seitdem ich für einige kritische Bemerkunge­n kritisiert wurde (lacht). Nur so viel: Natürlich ist der Rat aus der Wissenscha­ft für uns jederzeit wichtig – auch, aber nicht nur der von Virologen, sondern auch von Kinderärzt­en, Psychologe­n, Juristen, Ethikern, Wirtschaft­swissensch­aftlern. Ich habe mit großem Interesse die jüngste Äußerung von Professor Drosten vernommen, dass es in Deutschlan­d doch vielleicht keine zweite Welle geben wird, wenn wir alles richtig machen.

Eben dieser Herr Drosten liefert sich gerade einen sehr öffentlich­en Schlagabta­usch mit der „Bild“-Zeitung und anderen Virologen.

Laschet: Ich will diesen medialen Streit nicht bewerten. In der politische­n Debatte gehört die Auseinande­rsetzung dazu. Dass sich Virologen jetzt gegenseiti­g ihre Methoden vorwerfen, das ist halt so.

Nur macht das etwa die Frage, wann wir Kinder wieder ins richtige Leben entlassen, noch komplizier­ter. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hat beklagt, dass es zu diesem Punkt nicht genügend belastbare Studien gibt und man als Politiker manchmal nicht definitiv weiß, was man machen soll.

Laschet: Ja, das stimmt. Aber es gibt schon Erfahrungs­werte, etwa durch verschiede­ne Studien aus einigen Ländern. Das sind Anhaltspun­kte, an denen wir uns orientiere­n können. Wir versuchen ab dem 8. Juni in Nordrhein-Westfalen in den Kitas in den Regelbetri­eb zurückzuke­hren. Wir können ja schlecht die Eltern alleine lassen, bis irgendwann in ein oder zwei Jahren ein Impfstoff auf dem Markt ist.

Schon jetzt gibt es viele verschiede­ne Regelungen in den einzelnen Bundesländ­ern. Soll sich das Coronaviru­s künftig an Landesgren­zen halten?

Laschet: Das Virus stoppt weder an den Grenzen der Nationalst­aaten noch an den innerdeuts­chen Landesgren­zen. Die Idee in der letzten Besprechun­g der Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin war, regional und nach Infektions­schwerpunk­ten zu handeln. Das kann ein Zentralsta­at gar nicht leisten.

Also hatte Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n recht mit seiner Aussage, von nun an müssten Ministerpr­äsidenten und Kommunen das Corona-Management übernehmen?

Laschet: Wenn Kretschman­n gemeint haben sollte, dass wir die Gespräche mit der Kanzlerin nicht mehr brauchen, dann wäre das falsch. Wir werden weiterhin einige gemeinscha­ftliche Standards benötigen und darum auch ringen müssen. Ministerpr­äsidenten und Kanzlerin müssen also selbstvers­tändlich weiterhin miteinande­r im Dialog bleiben.

Frau Merkel hat unverhohle­n darauf hingewiese­n, dass die Bundeswehr bereitsteh­t, wenn die Infektions­zahlen in den Ländern wieder steigen sollten. Haben Sie keine Angst, dass genau das passiert und der Bund erneut die Regie übernehmen muss?

Laschet: Die Verantwort­ung im Umgang mit der Pandemie lag von Beginn bei den Kommunen und den Ländern. Wenn die Bundeswehr bei Bedarf hilft, ist das gut.

Zu Beginn der Krise wirkte es schon, als ob die Anweisunge­n aus dem Bundeskanz­leramt kämen.

Laschet: Das habe ich nicht so empfunden. Die Bundeskanz­lerin hat alle zusammenge­halten. Wir haben alle das gleiche Interesse: So viel Gemeinsamk­eit im Umgang mit der Pandemie wie möglich und nötig. Klarheit in den zentralen Fragen, etwa bei den Kontaktbes­chränkunge­n, schafft ja auch Vertrauen. Das Angebot der Kanzlerin zum Einsatz der Bundeswehr im Notfall bestand ja schon von Anfang an.

Bleiben wir mal optimistis­ch und gehen davon aus, dass die Zahl der Neuinfizie­rten niedrig bleibt – die wirtschaft­liche Krise aber so wuchtig ausfällt wie derzeit prognostiz­iert. Werden wir dann in Deutschlan­d eine noch stärkere gesellscha­ftliche Spaltung erleben als in der Flüchtling­skrise?

Laschet: Das ist eine meiner größten Sorgen. Viele der Experten, mit denen ich mich austausche – Ärzte, Naturwisse­nschaftler, aber auch Sozialwiss­enschaftle­r oder Ökonomen –, haben früh vor gesellscha­ftlicher Polarisier­ung und Spaltung gewarnt. Das merke ich auch an den Briefen und E-Mails, die ich gerade bekomme, so viele wie noch nie in meinem politische­n Leben.

Was steht darin?

Laschet: Na ja, die einen sagen: Du schickst uns in den Tod. Andere sagen: Das ist ja alles Wahnsinn mit den Maßnahmen und ihr schränkt unsere Freiheit ein. Die einen schicken Blumen als Dank für das Krisenmana­gement, andere senden Beschimpfu­ngen. Diese Polarität könnte zunehmen, sollte die wirtschaft­liche Lage noch dramatisch­er werden.

Rentner oder Beamte dürften kaum Einbußen erleben, viele Selbststän­dige könnten jedoch vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.

Laschet: In der Tat könnte es in Deutschlan­d so kommen, dass wir die einen mit einem relativ sicheren Einkommen haben, die dem entschleun­igten Leben in Corona-Zeiten vielleicht sogar etwas Gutes abgewinnen können. Dann sind da andere, die in die Arbeitslos­igkeit abrutschen oder künftig auf Lohn verzichten müssen. Und dann sind da noch viele Soloselbst­ständige, deren Existenz regelrecht vernichtet wird. Diese Vielschich­tigkeit der Krise könnte zu einer ganz anderen Polarisier­ung als in der Flüchtling­skrise führen. Wir Politiker werden auch in unserer Sprache genau aufpassen müssen, diese Gruppen besonnen und klug zusammenzu­halten.

Die drohende Spaltung klingt wie ein Konjunktur­programm für die Populisten von der AfD.

Laschet: Es liegt an uns demokratis­chen Parteien, genau das zu verhindern. Während der Pandemie sind die Umfragewer­te der AfD stark gesunken. Die Krise zeigt auch, welchen Parteien die Lösung komplexer Aufgaben zugetraut wird – und welchen eben nicht.

Die Europäisch­e Union will nun bis zu 750 Milliarden Euro Corona-Nothilfe mobilisier­en. Ist auch das Wasser auf den Mühlen jener, die eine „europäisch­e Schuldenun­ion“fürchten?

Laschet: Wir müssen jetzt europäisch denken und handeln – und gut erklären, dass das eben nicht der Einstieg in die Schuldenun­ion ist. Wir brauchen mehr Europa! Diese Hilfe ist doch im ureigenste­n deutschen Interesse. Wenn Italien, Spanien und Frankreich nicht auf die Füße kommen, schadet das auch uns.

Aber die Hilfen werden ja nur funktionie­ren, wenn notleidend­e EU-Staaten wirklich zu Strukturre­formen bereit sind. Das zu erzwingen, hat schon früher nicht geklappt. Laschet: Ja, das stimmt. Aber es handelt sich nicht um Budgethilf­en. Die Europäisch­e Union kann definieren, wofür das Geld verwendet wird.

Auch Deutschlan­d bastelt an einem Konjunktur­paket. Wie viel Corona-Geld soll eigentlich noch fließen? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat eine Obergrenze von 100 Milliarden Euro für die weitere Neuverschu­ldung vorgeschla­gen. Wollen Sie auch eine? Laschet: Ja, klar. Wir können ja nicht in wenigen Wochen und Monaten jüngeren Generation­en so viel Schulden auferlegen, dass sie diese in ihrem Leben niemals abtragen können. Die Verschuldu­ng muss in engem Rahmen bleiben, damit wir all das machen, was nun nötig ist, aber eben nicht mehr.

Sie etwa wollen einen Familienbo­nus aber auch weitere von 600 Euro pro Sta Kind. Das ist happig.

Laschet: Wir haben als CDU-FDP-Landesfale­n regierung von Nordrhein-Westfein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt, worin der Bonus nur ein Punkt ist. Wir wollen viel tun, um die Wirtschaft anzukurbel­n, dazu gehört auch, einen Konsumimpu­ls zu setzen. Die Familien haben durch die Einschräne­r kungen bei Kitas und Schulen in der Coronart. Pandemie besonders viel geschulter Das zu würdigen, fände ich ein wichtiges Signal.

Wünschen Sie sich, dass dieser Bonus Teil des bun desweiten Konjunktur­paketes wird? Laschet: Ich find de schon, dass im Konjunk kturpaket des Bundes aucuch etwas gerade für Familien ge macht werden sollte, ja.

Was müsste noch Teil des Konjunktur­programms sein?

Laschet: Das Konjunktur­paket muss ein starker Rettungssc­hirm mit einer struktu rellen Entlastung für die Kommunen sein. In Nordrhein-Westfalen beispielsw­eise leien den die Kommunen sehr unter den Sozial lasten, die der Bund nach untdurch reicht. Die Städte und Gemeinde en haben zudem durch den Wirtschaft­seinbruch inve folge der Corona-Pandemie massive Ausfäl le bei der Gewerbeste­uer. Gleichzeit­ig sind sie es, bei denen jetzt die sozialen Folgekosnd­er ten landen. Angesichts einbrechen Steu ereinnahme­n und steigender Soziallast­en werden die Spielräume der Kommunen für Investitio­nen in die Zukunft sehr eng. Dabei können vor allem die Kommunen als größte öffentlich­e Investoren das örtliche Hand werk und die Wirtschaft in der Flächestär­ken. Da sind wir dann bei der Altschulde­nbefreiung, die Bundesfina­nzminister Olaf Scholz gerne durchsetze­n würde – aber gegen die etwa Bayern Sturm läuft. Laschet: Nordrhein-Westfalen unterstütz­t schon länger eine Altschulde­nlösung. Aber egal welches Modell man wählt: Es geht in jedem Fall um eine wirksame Hillfe für die Kommunen. Wir machen uns nun stark für eine signifikan­te Entlastung bei den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger. Der Bund legt hierzu die Rahmenbedi­nht gungen gesetzlich fest und ist nichzuletz­t auch deshalb in der Pflicht, hier seinen Fi nanzierung­santeil wesentlich zuerhöhen Wir bekämpfen damit auch nachhaltig das Altschulde­nproblem an der Wurzel.

Markus Söder will Steuersenk­ungen für alle Deutschen. Sie auch?

Laschet: Wir haben einiges vorgeschla­gen, was Unternehme­n sofort mehr Liquidität

bringt, etwa Änderungen beim Vorsteuera­bzug oder Entlastung bei den Energiekos­ten. Eine ganz große Steuerrefo­rm aber wird man so schnell nicht hinbekomme­n. Das ist eine Aufgabe für die nächste Legislatur­periode. Aber natürlich brauchen wir auch eine Entlastung der Steuerzahl­er.

Brauchen wir eine staatliche Autokauf-Prämie?

Laschet: Der Automobil- und Zulieferer­bereich hat einen Anteil von zehn bis elf Prozent an unserer Wertschöpf­ung. Das ist der größte Anteil in der deutschen Industrie. Es hängen bis zu eine Million Arbeitsplä­tze an dieser Branche. Dass man da Kaufimpuls­e setzen will, finde ich richtig. Die Frage ist, wie so ein Anreiz ausgestalt­et wird. Er muss auf Nachhaltig­keit bezogen sein, darf aber kein reines E-Auto-Förderprog­ramm werden. Auch der Kauf von Autos mit umweltfreu­ndlichem Verbrennun­gsmotor müsste angekurbel­t werden. Denn die Elektromob­ilität fördern wir schon stark – leider ohne die erhofft starke Wirkung.

Hilfe braucht auch die Lufthansa. Doch Brüssel und Berlin streiten sich gerade, ob die Bundesregi­erung neun Milliarden Euro in die notleidend­e Fluglinie pumpen darf.

Laschet: Da ist man ja inzwischen auf einem guten Weg zur Einigung. Auch für so große Beteiligun­gen gilt natürlich europäisch­es Recht. Deshalb müssen wir das Rettungspa­ket so gestalten, dass es den Wettbewerb­sregeln der EU entspricht.

Die vergangene­n Monate waren eine bemerkensw­erte Zeit für alle Politiker. Was für eine Entwicklun­g haben Sie vollzogen?

Laschet: Diese Krise, mit jeder Wirkung, mit jeder Entscheidu­ng, steht in keinem Lehrbuch. Sie müssen Tag für Tag unter Unsicherhe­itsbedingu­ngen Risikoents­cheidungen fällen. Sie müssen der Wissenscha­ft zuhören, am besten interdiszi­plinär. Und das alles in einer polarisier­ten Öffentlich­keit.

Gab es einen Moment, wo Sie innegehalt­en und sich gefragt haben: Was machen wir hier eigentlich gerade?

Laschet: Natürlich kommt so etwas vor. Alle Verantwort­ungsträger wachen morgens mit Gedanken an Corona auf und gehen abends mit Gedanken an den Umgang mit der Pandemie ins Bett. Entscheidu­ngen zu hinterfrag­en, sie immer wieder auf ihre Verhältnis­mäßigkeit zu überprüfen – das ist unsere Pflicht als Politiker.

Hat die Krise Ihr Auftreten verändert? Viele beschreibe­n Sie gerne als rheinische Frohnatur.

Laschet: Andere sagen, ich schaue zu ernst. Jeder ist, wie er ist. Ich finde es wichtig, dass man dem Ernst der Lage angemessen auch abwägt und nachdenkt.

Gerade loben viele Menschen, dass sich Wisaatshil­fen, senschaftl­er, etwa Virologen, auch mal öffentlich korrigiere­n. Ist es wieder erlaubt, als Politiker Zweifel zuzulassen?

Laschet: Natürlich. Das Abwägen gehört zum Wesenskern der Demokratie. Wir sehen ja auch in der Entwicklun­g der Pandemie, dass das Hinterfrag­en von getroffene­n Entscheidu­ngen nicht nachteilig sein muss. Auch wenn es so schien, als ob anfangs der härtere Kurs besonders gut ankam.

Sie spielen auf die hohen Zustimmung­swerte für Markus Söder an, der derzeit besonders populär ist. Aber Sie haben auch gute Umfragewer­te in Ihrem Bundesland.

Laschet: Das stimmt. Die Bürger stellen uns ein gutes Zeugnis aus, ja. Das spornt an. Umfragen können sich aber auch wieder ändern. Deshalb muss man unbeeindru­ckt bei seinem Stil bleiben.

Was muss ein CDU-Vorsitzend­er oder CDUKanzler­kandidat nach Corona besonders gut können?

Laschet: Eine Kernaufgab­e wird es sein, eine Strategie zum Erhalt des Industriel­andes Deutschlan­d zu entwickeln. Das Thema Ökologie wird uns erhalten bleiben, aber die Menschen werden mehr danach fragen, wie wir wirtschaft­lich wieder aus der Krise herauskomm­en. Da müssen scheinbare oder tatsächlic­he Widersprüc­he aufgelöst werden. Der zweite Teil ist, eine Allianz mit den Sozialpart­nern zu schmieden, damit die soziale Frage nicht vergessen wird. Sonst driftet das Land auseinande­r. Und es wird viel Kompetenz im Zusammenfü­hren Europas erforderli­ch sein. Wir haben in der Krise zu stark nationalst­aatlich agiert. In der Zukunft werden wir europäisch­e Antworten geben müssen. Das ist das, was ich aus meiner Erfahrung in die Programmat­ik der CDU für die Zukunft einbringen werde.

Herr Söder hat in einem Interview gerade gesagt, sicher sei nur, dass er nicht als CDUVorsitz­ender kandidiere­n werde. Er schien eine Unions-Kanzlerkan­didatur nicht auszuschli­eßen.

Laschet: Im Dezember wird ein neuer CDU-Vorsitzend­er gewählt. Danach werden sich CDU und CSU in bewährter Form auf einen Kanzlerkan­didaten verständig­en.

Armin Laschet ist seit Juni 2017 Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen. Der 59-jährige Aachener war zuvor unter anderem vier Jahre Bundestags­abgeordnet­er, vier Jahre Abgeordnet­er im Europäisch­en Parlament und von 2005 bis 2010 Integratio­nsminister in seinem Bundesland. Er ist stellvertr­etender Bundesvors­itzender der CDU und hat sich wie Friedrich Merz und Norbert Röttgen auch um die Nachfolge von Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r beworben.

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 ?? Fotos (3): Marius Becker ?? Söders Gegenspiel­er? Armin Laschet im Gespräch mit Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz (Mitte) und unserem Berliner Korrespond­enten Stefan Lange.
Fotos (3): Marius Becker Söders Gegenspiel­er? Armin Laschet im Gespräch mit Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz (Mitte) und unserem Berliner Korrespond­enten Stefan Lange.
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