Die unerhört spannende Machtfrage in der Union
Natürlich schweigen Laschet und Söder offiziell zur Kanzlerkandidatur. Natürlich denken sie auch nach
Düsseldorf Es fühlt sich unerhört an, in diesen Tagen Politiker wie den nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet nach ihren politischen Karriereplänen zu befragen. Hat Laschet nicht gerade noch in seinem großzügigen Amtszimmer mit Rheinblick und jenem Original-Tisch, an dem Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron voriges Jahr den Vertrag von
Aachen zur deutsch-französischen Kooperation unterzeichneten, noch berichtet, wie er sich in diesen Corona-Tagen durch Hunderte von Bürgerzuschriften liest, Tausende von Online-Anfragen, Telefonaten, Bitten erhält, mal zustimmend, mal kritisch, sehr oft verzweifelt? Will man mitten in so einer Krise wirklich über Machtfragen reden?
Doch zugleich würde es sich unerhört anfühlen, ihn nicht zu befragen, wie die offene Machtfrage in der Union nach Corona geregelt werden soll. Immerhin steht die Wahl eines neuen Partei-Vorsitzenden immer noch für Dezember an. Laschet ist neben Friedrich Merz und Norbert Röttgen der wohl aussichtsreichste Bewerber. Und natürlich wäre es auch unerhört, nicht nach jener Rivalität mit Markus Söder zu fragen, über die gerade gefühlt die ganze Republik spricht – ist nun der strenge Krisenmanager Söder erfolgreicher mit seiner Strategie oder eben Laschet, der früh für Corona-Lockerungen warb und dafür, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen nicht zu vergessen?
Laschet ist, genau wie Söder, zu sehr Profi, um sich wirklich auf derlei Fragen einzulassen. Doch ganz so vehement wie noch vor einigen Wochen wird die MachtFrage nicht mehr ausgeklammert. Söder hat gerade in der kokettiert, sicher sei ja nur, dass er nicht für den CDU-Vorsitz antrete – und am Sonntag nachgelegt, bis zum Dezember könne ja noch viel passieren, und erst im Januar werde über die Kanzlerkandidatur entschieden. Laschet wiederum lässt im Gespräch durchaus durchblicken, dass er zwar die grandiosen Umfragewerte für Söder genau im Blick hat – aber auch mit seiner eigenen Rolle wieder zufriedener ist.
Ohnehin dürfte seine Argumentation lauten: Wenn die CDU im Dezember, also weniger als ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl einen neuen Vorsitzenden bestellt, hat dieser dann nicht auch den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur, und nicht der kleinere Partner CSU, ganz gleich wie populär deren Vorsitzender gerade sein möge?
Es dürfte eine der großen (Macht)-Fragen dieses Jahres werden, auch wenn sie derzeit noch unerhört ist. Und sicher ist: Es werden unerhört spannende Tage in der Union werden.
FAZ