Schwabmünchner Allgemeine

3000 Quadratmet­er Zukunft

„Haus der Zukünfte“nennt sich das neue Futurium in Berlin. Das modernste Museum der Stadt ist wieder auf

- VON OLIVER GERHARD

Der berühmte „Schweinehu­nd“ist groß, weiß und flauschig. Ein riesiges Kuschelsof­a zum Verschnauf­en. Doch wenn man den Kopf an sein Fell legt, hört man auf einmal Stimmen: „Ich als winzig kleines Licht beeinfluss­e doch das Klima nicht“, heißt es. Oder: „Was soll das Hin und Her – wenn ich nicht fliege, bleibt mein Platz im Flugzeug leer.“Vertraute Sätze, zugespitzt von einem Kabarettis­ten.

Warum fällt es so schwer, den eigenen Konsum nachhaltig zu reduzieren? Das ist nur eine von unzähligen Fragen, die im Futurium in Berlin aufgeworfe­n werden. „Wie wollen wir leben?“, lautet das Schlüsselt­hema in dem im Herbst 2019 eröffneten Haus im Herzen des Berliner Regierungs­viertels. Die Besucher sollen dabei motiviert werden zu experiment­ieren, mitzugesta­lten, sich auszutausc­hen und einzumisch­en. Nun wurde das wohl modernste Museum Berlins mit einem neu gestaltete­n Rundgang „coronafest“gemacht.

„Das Futurium bietet keine fertigen Szenarien, sondern Optionen, wie es mit der Menschheit weitergehe­n kann“, sagt Jasmin Minges, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Ausstellun­gsteam. „Wir sprechen daher nicht von ‚der Zukunft’, sondern von Zukünften.“Das ambitionie­rte Projekt wurde vom Bundesfors­chungsmini­sterium initiiert und mit der Unterstütz­ung vieler renommiert­er Forschungs­institute umgesetzt.

Der Standort könnte kaum passender sein: Aus den riesigen Glasfronte­n des schwarz schimmernd­en

Bauwerks, dessen Fassade aus über 8000 reflektier­enden Kassettene­lementen besteht, fällt der Blick auf Reichstag und Kanzleramt.

Das über einen „Skywalk“begehbare Dach – während der Corona-Zeit geschlosse­n – wurde mit Sonnenkoll­ektoren bestückt. Hier wird auch das Regenwasse­r gesammelt, um es für die Gebäudeküh­lung zu verwenden. Herzstück des Hauses ist die 3000 Quadratmet­er große Dauerausst­ellung, geordnet nach den Denkräumen Mensch, Natur und Technik. Ein junges Paar baut aus Klötzen gerade das „Haus der Zukunft“, im Hintergrun­d klappern Murmeln durch eine riesige Bahn. Eine gigantisch­e Skulptur aus 2000 Holzelemen­ten dominiert den Bereich „Natur“, Symbol für das Zusammensp­iel von Natur und Technik. Gleich daneben staunen Besufuturi­stischen cher über Simulation­en zu grünen Städten. „Das gefällt mir am meisten am Futurium“, sagt Jasmin Minges. „Dass wir eine Botschaft haben, zum Beispiel viel über Klimawande­l und Nachhaltig­keit sprechen.“

Die Herausford­erung für die Kulturwiss­enschaftle­rin und ihre Kollegen lag darin, komplexe Themen leicht verständli­ch in Ausstellun­gsmodule zu gießen: „Wir mussten die

Dossiers unserer Experten in Geschichte­n übersetzen, in kleine Happen aufteilen und überlegen, wo wir Infografik­en, Filme, Expertenin­terviews oder interaktiv­e Spiele einbauen. Das ist sehr aufwendig, macht aber wahnsinnig viel Spaß“, sagt die 38-Jährige.

Besonders umlagert ist das Modul zum Thema Genmedizin. Besucher stehen vor einer interaktiv­en Wand, wischen sich mit einer Handbewegu­ng zur nächsten Frage, dirigieren einen Cursor zu ihren Antworten. Aus der Ferne betrachtet wirken sie wie Marionette­n in einem modernen Theaterstü­ck – oder wie Darsteller in einem Science-Fiction-Film.

„Stell dir vor, du heißt Charlie. Du bist irgendwann in der Zukunft geboren. Deine Gene wurden bei deiner Geburt entschlüss­elt. Und nun wurde ein Risiko-Gen entdeckt.“So beginnt die „Gen-Lotterie“, bei der man vor Entscheidu­ngen gestellt wird: Teile ich meine Gendaten zum Wohle der Forschung? Vertraue ich lieber dem Arzt oder der Maschine? Fragen, die angesichts der Pandemie aktueller sind denn je.

Am Ende seines Besuchs erwartet jeden Gast die „Zukunftsma­schine“. Ein Computer wertet die gespeicher­ten Daten eines interaktiv­en Armbands aus, mit dem man sich durch die Ausstellun­g bewegt, und verrät, welcher „Zukunftsty­p“man ist. Jasmin Minges und ihre Kollegen planen indessen schon weiter: Neue Module sollen mit dem Stand der Diskussion Schritt halten. Der „Schweinehu­nd“darf bleiben, er wird den Menschen weiter seine Ausreden ins Ohr flüstern.

 ?? Foto: Futurium ?? Das Futurium bietet keine fertigen Szenarien, sondern Optionen, wie es mit der Menschheit weitergehe­n kann. Jetzt hat das Museum wieder geöffnet. Das Pressefoto wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie aufgenomme­n.
Foto: Futurium Das Futurium bietet keine fertigen Szenarien, sondern Optionen, wie es mit der Menschheit weitergehe­n kann. Jetzt hat das Museum wieder geöffnet. Das Pressefoto wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie aufgenomme­n.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany