Schwabmünchner Allgemeine

Die neue Normalität in der Türkei

Nach zwei Monaten hebt das Land die Beschränku­ngen auf. Der große Basar in Istanbul öffnet wieder, ebenso Cafés und Restaurant­s. Doch wann kommen die ersten Urlauber?

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Die Angler auf der GalataBrüc­ke am Goldenen Horn gehören zu Istanbul wie die Blaue Moschee und der Bosporus. Die Brücke, auf der sonst hunderte Angler dicht gedrängt stehen, war seit Ende März verwaist – sie war wegen der Corona-Ansteckung­sgefahr für die Angler gesperrt. Jetzt wird wieder geangelt. Am Montag hob die Türkei viele Corona-Beschränku­ngen auf. Manche konnten es kaum abwarten und tauchten schon kurz nach Mitternach­t mit ihren Ruten auf der Brücke auf. Die Rückkehr der Angler stand im Zeichen der „neuen Normalität“, die Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgerufen hat: Die meisten trugen Masken und achteten auf Abstand.

Mit Ausgangssp­erren, der Schließung von Schulen, Universitä­ten und anderen Einrichtun­gen, in- und ausländisc­hen Reiseverbo­ten und einer konsequent­en Nachverfol­gung von Infektions­ketten hat die Türkei die Corona-Kurve bisher relativ flach halten können. Nach amtlichen Zahlen verzeichne­t das Land, das mit rund 80 Millionen Menschen etwa so viele Einwohner hat wie Deutschlan­d, rund 164 000 Ansteckung­en und etwa 4500 Todesfälle. Nun will Erdogan die Türkei wieder öffnen. Die Ausgangssp­erren in Istanbul und anderen großen Städten am vergangene­n Wochenende sollen die letzten gewesen sein.

Nicht nur die Angler signalisie­rten, dass die 16-Millionen-Stadt Istanbul aus ihrem Dornrösche­nschlaf erwacht. Schon am Montagmorg­en stellten Cafébesitz­er ihre Stühle und Tische auf die Bürgerstei­ge, an Bushaltest­ellen gab es Gedränge, auf den Hauptverke­hrsstraßen bildeten sich die ersten Staus seit zwei Monaten. Die Kindergärt­en öffneten wieder, und die Beamten mussten wieder zum Dienst erscheinen.

Wie Kneipen und Restaurant­s können auch die Teehäuser seit Montag wieder öffnen – allerdings dürfen die Gäste dort nicht Tavla spielen, die türkische Version von Backgammon, die normalerwe­ise zum Standardpr­ogramm jedes türkischen Teehauses gehört. Auch Shisha-Bars und Livemusik bleiben bis auf Weiteres verboten.

Um die Konjunktur anzukurbel­n, stellen staatliche Banken ab sofort günstige Kredite für Wohnungsun­d Autokauf, die Anschaffun­g von Möbeln und zur Finanzieru­ng von Urlaubsrei­sen bereit. Die Tourismusi­ndustrie bereitet sich auf eine erste Welle inländisch­er Besucher vor: Nach dem Wegfall der innertürki­schen Reisebesch­ränkungen dürften viele Familien bald in die Ferien fahren, vor allem da die Schulen erst im September wieder öffnen sollen.

Auf ausländisc­he Urlauber werden die türkischen Hoteliers aber möglicherw­eise noch eine Weile warten müssen. Noch ist nicht klar, ob die internatio­nalen Flugverbin­dungen mit Deutschlan­d und anderen Ländern wie geplant in zwei Wochen wieder aufgenomme­n werden können. Am Montag startete zunächst nur der innertürki­sche Flugverkeh­r auf einigen ausgewählt­en Routen. Auf der Liste von 31 Ländern, für die Mitte Juni die Reisewarnu­ng des deutschen Auswärtige­n Amtes wegfallen soll, fehlt die Türkei.

Burhan Sili, Vorsitzend­er des Fremdenver­kehrsverba­ndes im südtürkisc­hen Alanya, rechnet erst ab Mitte Juli mit der Ankunft vieler Urlauber aus Deutschlan­d und Russland, den beiden wichtigste­n Herkunftsl­ändern ausländisc­her Touristen. Das wird zwar die Corona-Verluste nicht ausgleiche­n können. Doch wird, wie Sili der Lokalzeitu­ng

sagte, die „neue Normalität“mit Abstandsre­geln in den Hotels und anderen Vorsichtsm­aßnahmen am Strand wichtige Erkenntnis­se bringen: „Das hilft uns bei der Vorbereitu­ng auf 2021.“

Alanya Yeni

 ?? Foto: Yasin Akgul/XinHua, dpa ?? Cafés und Restaurant­s in Istanbul bereiten sich auf ihre ersten Gäste nach zwei Monaten vor.
Foto: Yasin Akgul/XinHua, dpa Cafés und Restaurant­s in Istanbul bereiten sich auf ihre ersten Gäste nach zwei Monaten vor.

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