Schwabmünchner Allgemeine

Der Weltladen ist 40

Der einstige „Dritte-Welt-Laden“eröffnete im Mai 1980 in der Steingasse. Die Initiatore­n sehen sich als Vorreiter der modernen Start-up-Bewegung. Welche Themen sie seit vier Jahrzehnte­n bewegen

- VON BERND HOHLEN

In Augsburg wurde im Mai 1980 der erste „Dritte-Welt-Laden“eröffnet. Eine Bezeichnun­g, die sich bei vielen verfestigt hat, denn die korrekte Bezeichnun­g ist heute „Weltladen Augsburg GmbH“. Nostalgike­r werden sich noch an das Geschäft in der Steingasse erinnern, das ein paar Jahre später in die Altstadt, in die Pfladergas­se, zog. Seit 2005 ist der Weltladen in der Weißen Gasse 3 zu finden.

40 Jahre als Ladengesch­äft zu bestehen setzt finanziell­e Kraft voraus oder eine gut organisier­te Vernetzung und allerhand Ehrenamt, um sich dem Kommen und Gehen im Einzelhand­el zu widersetze­n. Der Erfolg lag in der Vernetzung. Der erste Impuls zur Gründung kam aus der Regionalst­elle für kirchliche Jugendarbe­it, um internatio­nale Produkte fair gehandelt in Augsburg anzubieten. Es wurde schließlic­h ein Trägervere­in gegründet, die „Werkstatt Solidarisc­he Welt e. V.“(WSW) und die „Weltladen GmbH“. Mittlerwei­le betreibt die „Weltladen GmbH“Geschäfte für gerechten Handel auch in Bobingen, Dillingen und Friedberg. Es gibt selbst geröstete Kaffeespez­ialitäten aus Äthiopien, Mexiko und Peru, fair gehandelte Produkte, wie Süßigkeite­n und Gewürze, Kunsthandw­erk und Textilien.

Ziel war und ist es, Produkte aus wirtschaft­lich benachteil­igten Regionen zu unterstütz­en. Sprach man damals von „Dritte-Welt-Ländern“, so ist auch hier, in politisch korrekter Sprache, die Bezeichnun­g „Länder des Südens“üblich. Das Geschäft in der Weißen Gasse ist nur der sichtbare Teil, denn die weitere Arbeit der Werkstatt Solidarisc­he Welt und des Weltladens ist nicht nur die Verbreitun­g des ,fairen Handels‘, sondern auch Bildungsar­beit, menschenwü­rdiges Asyl sowie die Unterstütz­ung einzelner Projekte im Ausland“, sagt Bildungsre­ferentin Sylvia Hank von der WSW.

In der gut dokumentie­rten Chronik des Weltladens fällt der politische Begleitton auf, der an den Sound der linken Tageszeitu­ng erinnert. Der einst regional-politische Ton der ersten Jahre hat sich im Laufe der Zeit globalisie­rt auf die gewinnmaxi­mierten Strukturen des Welthandel­s und die ökonomisch­en Nachteile der Produzente­n. Immerhin ist der Weltladen damit Vorreiter einer modernen Start-up-Bewegung. „Wir beobachten, dass die letzten Jahre ethisch nachhaltig­e Start-ups auf dem Weg sind. Der Trend, also der Zuspruch, geht an uns etwas vorbei. Der Weltladen hat

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viele dieser Themen schon in den Achtzigern aufgegriff­en. Es ist insgesamt eine tolle Entwicklun­g, zu sehen, dass unsere Idee in die Breite getragen wird. Auch Supermärkt­e bieten Fairtrade-Produkte an“, sagt Sylvia Hank. In der Absicht, die im Einzelhand­el mehrheitsf­ähig zu machen, stand auch die Vorstellun­g, sich selbst abzuschaff­en. Raimund Kamm, einer der Gründungsm­itglieder des Weltladens, sagte einst: „Wir haben ja gedacht, wenn Fairtrade im Supermarkt ist, können wir den Laden wieder zumachen. Dann haben wir unser Ziel erreicht.“Eine Ansicht, die typisch war für die Zeit, aber die komplexen Strukturen des Welthandel­s nicht einschloss. „Es geht bei uns nicht darum, für Einzelne das meiste heIdee rauszuhole­n, sondern idealerwei­se für alle ein gutes Leben hinzubekom­men“, sagt Sylvia Hank.

Was ein bisschen nach Weltverbes­serung klingt, hat durchaus seine Berechtigu­ng. Das gilt besonders für den Handel mit Kleidung. Auch hier ist noch mancher mit der Vorstellun­g behaftet, im Weltladen gebe es nur Strickmütz­en und Palästinen­sertücher. Heute wird im Weltladen auch moderne Kleidung angeboten. Es gibt aber kein anderes Produkt, bei dem die Lieferkett­en so schwer nachverfol­gbar sind, wie bei der Herstellun­g von Kleidung. Deswegen sagt Martina Zidek, stellvertr­etende Leiterin des Weltladens, „wir sind noch lang nicht fertig. Bei Kleidung gibt es noch kein ,Rundumsorg­los-Fairtrade‘, weil die Lieferkett­en weltumspan­nend sind. Um hier ein gutes Spektrum anbieten zu können, sagen wir, gut, die Produzente­n sind auf dem richtigen Weg, die nehmen wir mit ins Programm. Wenn ich sehe, die halten unsere Standards nicht ein, nehme ich sie aus dem Sortiment“.

Auch die Feierlichk­eiten zum 40-jährigen Bestehen sind zunächst aus dem Programm verschwund­en. Grund: ein Virus und seine weltweite Verbreitun­g. Auf einer Postkarte des Weltladens zum Jubiläum steht aber „Alles wird gut“.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Der Augsburger Weltladen befindet sich heute in der Weißen Gasse. Sylvia Hank von der Werkstatt Solidarisc­he Welt (links) und Martina Zidek von der Weltladen GmbH sehen die Einrichtun­g als Vorreiter der Start-up-Bewegung.
Foto: Bernd Hohlen Der Augsburger Weltladen befindet sich heute in der Weißen Gasse. Sylvia Hank von der Werkstatt Solidarisc­he Welt (links) und Martina Zidek von der Weltladen GmbH sehen die Einrichtun­g als Vorreiter der Start-up-Bewegung.

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