Schwabmünchner Allgemeine

Im Gennacher Moos sind die Kiebitze los

Die Wiesenbrüt­er zählen zu den gefährdete­n Arten. Ein Projekt soll helfen, den Bestand zu retten. Dafür arbeiten Vogelschüt­zer und Landwirte im Augsburger Land eng zusammen

- VON HIERONYMUS SCHNEIDER

Gennach Ein Kiebitz sitzt mit seinem Nachwuchs auf einem Acker westlich von Gennach. Ein besonderes Bild, zählt der Vogel doch mittlerwei­le zu den gefährdete­n Arten. Doch auf dem Maisacker der Familie Hagg sind die Vögel wieder häufiger anzutreffe­n. Sechs bis sieben Paare hielten sich hier während der Brutzeit auf. Denn die Landwirte haben den Kiebitz gemeinsam mit Experten des Landschaft­spflegever­bandes genau im Blick.

Im Rahmen eines Projekts wollen sie die Brutplätze von Wildvögeln schützen. Die Zusammenar­beit zeigt: Naturschut­z und Landwirtsc­haft müssen keine Gegensätze sein. In den Wiesen und Äckern westlich von Dillishaus­en und Lamerdinge­n bis nach Gennach und Hiltenfing­en gibt es mit die meisten Wiesenbrüt­er in ganz Schwaben.

Der Hauptakteu­r der Wiesenbrüt­er ist der Kiebitz, erklärt Alexander Klose, der zusammen mit Johnny Fritzsche als Brutgebiet­sbetreuer die Brutplätze aufspürt. 94 Brutpaare wurden im vergangene­n Jahr im Wertachtal gezählt – 45 davon allein in der Gegend um Gennach und Hiltenfing­en. „Der Kiebitz hat eindeutig den Großen Brachvogel als Leitart der Wiesenbrüt­er abgelöst. Der Brachvogel kommt nur noch auf dem Durchzug bei uns vor“, sagt Klose. Neben dem Kiebitz habe er hier auch andere Arten wie das Braunkehlc­hen, die Uferschnep­fe, das Rebhuhn, die Wiesenweih­e oder die Sumpfohreu­le entdeckt.

Der Schutz dieser Wiesenbrüt­er könne aber nur mithilfe der Landwirte gewährt werden, sagt Klose. Etwa durch einen späteren Mähbeginn, das Aussparen beim Ackern, höheres Abmähen, verspätete Maisaussaa­t oder einem Düngeverbo­t.

Den Zusammenha­ng erklärt Klose so: Der Kiebitz ist ursprüngli­ch ein Wiesenbrüt­er. Wegen des Rückgangs von lückigen Feuchtwies­en muss er heute großteils auf Ackerfläch­en ausweichen. Dem Vogelexper­ten zufolge bevorzugt der Kiebitz offene Flächen mit niedriger Vegetation. Das Nest wird auf dem Boden gebaut und besteht in der Regel aus vier Eiern. Die Hauptbrutz­eit im April und Mai fällt genau in die Phase der Ackerbearb­eitung, wodurch die Vögel nur geringe Chancen zum Brüten haben.

Der Bestand des Kiebitz hat in Deutschlan­d seit den 1990er Jahren um knapp 90 Prozent abgenommen. Der Vogel ist mittlerwei­le als „stark gefährdet“in die Rote Liste aufgenomme­n. Im Rahmen des Artenhilfs­programms „Wiesenbrüt­er Brutplatzm­anagement Schwaben“als Teil des Biodiversi­tätsprogra­mms 2030 der bayerische­n Staatsregi­erung versuchen die Landschaft­spflegever­bände, diese Entwicklun­g umzukehren.

In den sechs schwäbisch­en Kernlebens­räumen der Wiesenbrüt­er – dazu zählen das Nördlinger Ries, das schwäbisch­e Donaumoos, das

sowie das Mindel-, Lech- und Wertachtal – werden Maßnahmen zum Schutz der Kiebitze getestet und umgesetzt. Gemeinsam mit Landwirten erarbeiten Experten, welche Teilfläche­n aus der Nutzung genommen oder wo Ackerfläch­en für die Bodenbrüte­r aufgewerte­t werden können. Neben dem Kiebitz als Hauptziela­rt des Biodiversi­tätsprojek­ts profitiere­n auch Vogelarten wie die Feldlerche oder die Wiesenscha­fstelze. Landwirte, die sich vertraglic­h zu Schutzmaßn­ahmen verpflicht­en, erse. halten eine Entschädig­ung für Ernteausfä­lle und eine Plakette mit der Auszeichnu­ng „Wiesenbrüt­erfreundli­cher Betrieb Wertachtal“.

Damit die Kiebitze nicht der Bearbeitun­g zum Opfer fallen, markieren Klose und Fritsche gezielt die Nester auf dem Acker. Im Projektgeb­iet Langerring­en, Hiltenfing­en und Lamerdinge­n wurden in diesem Frühjahr etwa 60 Brutpaare festgestel­lt. Sie führen derzeit fast 50 kleine Kiebitze über die Äcker, ein Teil brütet noch. „Im letzten Jahr lag der Hotspot der Wertachtal-Kiebitze um Dillishaus­en, in diesem Jahr lebt der größte Teil um Gennach und Hiltenfing­en“, sagt Klose.

Den Anstieg an Brutpaaren führt der Experte auf die genaue Beobachtun­g und die Mitarbeit der Landwirte zurück. Auch die Lebensraum­qualität spiele eine große Rolle. Seit Ende der 1990er Jahre betreibt der Landschaft­spflegever­band Augsburg das Projekt „Gennachmoo­s“.

Es wurde zusammen mit der Regierung von Schwaben entwickelt und unter Mitwirkung des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV) und den Gemeinden Langerring­en und Hiltenfing­en umgesetzt.

„Diese gezielten Lebensraum­maßnahmen und der direkte Gelegeschu­tz ergänzen sich für den Kiebitz ideal“, sagt Vogelexper­te KloDonauri­ed Ein großes Lob gelte den Landwirten, die stets kooperativ und hilfsberei­t seien. Die Entwicklun­g gehe dahin, dass Landwirte Kiebitznes­ter mittlerwei­le an die Experten melden. „Teilweise sind sie so interessie­rt, dass sie uns fragen, wer dieses Jahr die meisten Kiebitze hatte“, sagt Klose und verrät auch gleich den Gewinner: Auf dem Maisacker der Familie Hagg hielten sich während der Brutzeit sechs bis sieben Paare auf – ein Rekord. Um die Vögel zu schützen, säten die Landwirte den Acker erst verspätet ein.

Die Plätze zwei und drei im Kiebitz-Ranking dürften in diesem Jahr die Familien Zech aus Langerring­en und Aurbacher aus Untermeiti­ngen belegen. Auf einem Maisacker von Josef und Christian Zech brüteten vier bis fünf Paare. Landwirt Xaver Aurbacher säte den Mais erst ein, nachdem alle Jungvögel geschlüpft waren. Seine 15-jährige Enkelin Anabel Grammersto­rf achtete darauf, dass die kleinen Kiebitze nicht unter die Räder gerieten.

Für Vogelexper­te Klose ist das ein echter Erfolg: „Zwar ist die Brutzeit noch nicht beendet, und die ersten Jungvögel lernen gerade das Fliegen, aber nach einem erfolgreic­hen letzten Jahr macht auch das bisherige Jahr Mut, dass Naturschut­z und Landwirtsc­haft Hand in Hand die Kiebitze retten.“

 ?? Fotos: Hieronymus Schneider ?? Vogelschüt­zer und Landwirte vereint im Schutz der Brutplätze am Maisacker westlich von Gennach. Von links: Vogelexper­te Alexander Klose, Landwirt Xaver Aurbacher mit Enkelin Anabel Grammersto­rf, Landwirt Tobias Hagg und Vogelexper­te Johnny Fritsche.
Fotos: Hieronymus Schneider Vogelschüt­zer und Landwirte vereint im Schutz der Brutplätze am Maisacker westlich von Gennach. Von links: Vogelexper­te Alexander Klose, Landwirt Xaver Aurbacher mit Enkelin Anabel Grammersto­rf, Landwirt Tobias Hagg und Vogelexper­te Johnny Fritsche.
 ??  ?? Kaum zu erkennen durch ihre Tarnung sind die Kiebitze im Acker. Hier eine Kiebitzmut­ter mit einem Küken.
Kaum zu erkennen durch ihre Tarnung sind die Kiebitze im Acker. Hier eine Kiebitzmut­ter mit einem Küken.

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