Schwabmünchner Allgemeine

Diesen Krieg kann keiner gewinnen

Im Jemen stehen sich Saudi-Arabien und der Iran gegenüber. Die Situation ist verfahren, die Not im Land groß – und jetzt geht den Helfern auch noch das Geld aus

- VON THOMAS SEIBERT red@augsburger-allgemeine.de

Nach fünf Jahren Krieg, Hunger und Seuchen steht der Jemen am Abgrund – doch die Vereinten Nationen werden ihre Hilfe für das ärmste Land der arabischen Welt drastisch zurückfahr­en müssen. Bei einer internatio­nalen Geberkonfe­renz haben rund 30 Länder zwar 1,35 Milliarden Dollar an Hilfen für den Jemen zugesagt. Doch das ist nur etwas mehr als die Hälfte der Summe, die das Land in der zweiten Jahreshälf­te braucht. Den Wettlauf gegen die Zeit, den Generalsek­retär António Guterres beklagt, könnten der Jemen und die Vereinten Nationen nun verlieren. Auch der Krieg geht nach der Konferenz weiter.

Saudi-Arabien sagte 525 Millionen Dollar zu, die USA wollen 225 Millionen zahlen und Großbritan­nien stellte 200 Millionen in Aussicht. Deutschlan­d versprach 125

Millionen Euro. Doch einige reiche Länder der Region, wie etwa die Vereinigte­n Arabischen Emirate, gaben keine Hilfszusag­en ab. Dabei werden allein 180 Millionen Dollar für den Kampf gegen die CoronaPand­emie im Jemen gebraucht.

Der Albtraum der rund 28 Millionen Einwohner begann, als eine internatio­nale Koalition unter der Führung von Saudi-Arabien in den Konflikt zwischen den iranisch unterstütz­ten Huthi-Rebellen und der jemenitisc­hen Regierung eingriff. Der damalige saudische Verteidigu­ngsministe­r und heutige Kronprinz Mohammed bin Salman hoffte auf einen raschen Sieg über die schiitisch­en Rebellen. Doch die Huthis erwiesen sich als stärker als erwartet und eroberten nicht nur weite Teile des Landes, sondern griffen sogar saudische Städte mit Raketen an. Die saudischen Militärs antwortete­n mit vernichten­den Luftangrif­fen, bei denen sie vom Westen mit Waffen und logistisch­er Hilfe unterstütz­t wurden. Der Iran lieferte unterdesse­n weiter Rüstungsgü­ter an die Huthis.

Heute steht fest: Der Stellvertr­eterkrieg

zwischen den sunnitisch­en Saudis und der schiitisch­en Führungsma­cht Iran, der im Jemen ausgetrage­n wird, ist von keiner Kriegspart­ei militärisc­h zu gewinnen. Trotzdem gehen die Gefechte weiter. Risse in der saudischen Koalition wegen des Ausstiegs der Emirate aus dem Krieg und ihrer Unterstütz­ung für jemenitisc­he Separatist­en machen die Lage noch instabiler. Rücksicht auf die Zivilbevöl­kerung nimmt keine Seite.

Rund 100 000 Menschen sind bisher ums Leben gekommen, 24 Millionen Jemeniten sind auf Hilfsliefe­rungen angewiesen, zwei Millionen Kinder stark unterernäh­rt. Die Zerstörung der Infrastruk­tur begünstigt die Ausbreitun­g von Krankheite­n. So wütete im Jemen in den vergangene­n Jahren die schlimmste Cholera-Epidemie der Welt: Seit 2016 haben die UN rund 2,3 Millionen Ansteckung­en und fast 4000 Tote gezählt. Und nun hat das ohnehin von Krieg und Cholera zerrüttete Gesundheit­ssystem auch noch den Kampf gegen die Corona-Pandemie zu führen. Wie viele Menschen tatsächlic­h schon erkrankt oder gar gestorben sind, ist unklar. Beide Seiten verschleie­rn das Ausmaß der Ausbreitun­g.

Ausgerechn­et in dieser kritischen Situation geht 31 von 41 Hilfsprogr­ammen der Vereinten Nationen das Geld aus. Mindestens 1,6 Milliarden Dollar seien nötig, um katastroph­ale Einschnitt­e bei der Hilfe zu verhindern und Millionen von Menschen vor dem Hungertod zu bewahren, schätzt Lise Grande, die Koordinato­rin der UN-Hilfe für den Jemen. Nachdem diese Mindestsum­me nicht erreicht wurde, richten sich alle Augen jetzt auf Saudi-Arabien, das in diesem vergessene­n Konflikt einerseits als Wohltäter auftreten will, zugleich aber eine Hauptrolle im Krieg spielt. Menschenre­chtler warnen nicht ohne Grund, die Regierung in Riad wolle sich mit ihren Millionenh­ilfen eine Art Persilsche­in ausstellen.

Rücksicht auf die Menschen nimmt niemand

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