Schwabmünchner Allgemeine

Was ist eigentlich Antifa?

Warum der Begriff zu Unrecht verurteilt wird

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Feindbild für die einen, Gebot der Menschlich­keit für die anderen: Am Begriff Antifa entzünden sich immer wieder Diskussion­en. Erst kürzlich twitterte US-Präsident Donald Trump, die Vereinigte­n Staaten werden die Antifa als terroristi­sche Organisati­on einstufen. Sie koordinier­e die teils gewaltsame­n Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt, die seit dem mutmaßlich­en Mord am Afroamerik­aner George Floyd durch einen weißen Polizisten im Land toben. Auch in Deutschlan­d sind einzelne Gruppierun­gen, die sich als Antifa bezeichnen, im Visier des Verfassung­sschutzes, weil sie Gewalt anwenden oder akzeptiere­n. Doch deshalb dürfe man die Antifa nicht mit Linksextre­mismus gleichsetz­en, sagt einer der renommiert­esten Politologe­n Deutschlan­ds.

Hajo Funke forschte als Professor an der Freien Universitä­t Berlin zum Thema Extremismu­s und fungierte 2012 als Sachverstä­ndiger im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bayerische­n Landtages über die neonazisti­sche Terrorgrup­pe NSU. „Gewaltbere­ite machen in der Antifa nicht die Mehrheit aus“, sagt er. Weltweit gelte: Generell könne man die Antifa nicht als Organisati­on beschreibe­n. Das Wort stelle stattdesse­n einen Oberbegrif­f für Menschen dar, die sich als Antifaschi­sten begreifen, definiert Funke. Sie sähen Faschismus konkret als drohende Gefahr, wollen sich diesem entgegenst­ellen und organisier­ten sich dabei in unterschie­dlichen Formen. Dass einige Gruppierun­gen vom Verfassung­sschutz beobachtet werden, sei korrekt: „Wo Gewalt illegitim verwandt wird, ist das richtig.“

„Gewaltbere­ite machen in der Antifa nicht die Mehrheit aus.“

Politologe Hajo Funke

Doch wer sich als Antifaschi­st bezeichnet und zur Antifa bekennt, schließe Gewaltbere­itschaft damit nicht ein.

Funkes Definition deckt sich mit der des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s. Dieser hatte 2018 in einer Ausarbeitu­ng unter dem Titel „Linksextre­mismus in Gestalt der sogenannte­n ,Antifa‘“selbige als „nicht scharf umrissene Szene“bezeichnet, die „allenfalls einzelne“Gruppierun­gen aufweise. Inwiefern diese gegen Gesetze verstoßen, müsse man im Einzelfall prüfen.

Trumps Tweet löste indes auf Twitter einen Zwist aus. Die SPDBundesv­orsitzende Saskia Esken bekannte sich dort zur Antifa, auch der Parteivors­tand veröffentl­ichte einen Tweet mit den Worten „157 und Antifa. Selbstvers­tändlich.“157 Jahre ist die Partei heute alt. Der politische­n Theorie zum Trotz kritisiert­en einige Kommentato­ren das Bekenntnis, warfen den Autoren eine Nähe zu gewaltbere­iten Extremiste­n vor. CSU-Generalsek­retär Markus Blume etwa schrieb, er sei „fassunglos“– eine Zuspitzung, die Professor Funke für „unverantwo­rtlich“hält. Sie irritiert umso mehr, da die Bundesregi­erung – unter Beteiligun­g der CSU – Gruppierun­gen fördert, die sich als „Antifa“bezeichnen.

Das Bundesprog­ramm „Demokratie leben“unterstütz­t etwa den Verein „Antifaschi­stische Politik und Kultur in Südthüring­en“und die „Antifa Arnstadt-Ilmenau“aus der gleichen Region. Bis zu 500000 Euro jährlich zahlt das SPD-geführte Familienmi­nisterium im Rahmen des Programms an Projekte aus, „die sich für ein vielfältig­es, respektvol­les und gewaltfrei­es Miteinande­r einsetzen“, wie es auf der Website heißt. Ziel ist es unter anderem, Demokratie zu fördern – und Extremismu­s zu bekämpfen.

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