Schwabmünchner Allgemeine

„Der Bau kommt sehr gut durch die Krise“

Robert Feiger ist Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft IG Bau. Der gebürtige Augsburger will in der derzeitige­n Tarifrunde durchsetze­n, dass die Beschäftig­ten Geld für die An- und Abfahrtswe­ge zum Arbeitspla­tz erhalten

- Interview: Stefan Stahl

Herr Feiger, ist die Bauwirtsch­aft noch ein konjunktur­elles Corona-Bollwerk oder bröckelt der Putz langsam ab, wie die Arbeitgebe­r in der derzeit laufenden Tarifrunde behaupten? Robert Feiger: Die Bauwirtsch­aft kommt sehr gut durch die Krise. Das trifft auf die Auftragsla­ge, die Beschäftig­ungssituat­ion und die Produktion­smöglichke­iten zu. Schon in vielen wirtschaft­lichen Krisen erwies sich die Bauwirtsch­aft als Konjunktur-Lokomotive.

Und fährt die Bau-Lokomotive weiter mit so viel Kraft?

Feiger: Auch dieses Mal wird sie uns als Lokomotive durch die Krise führen. Da bin ich mir sicher. Die Bauwirtsch­aft hat während der CoronaKris­e komplett durchgearb­eitet und ist eine Stütze für Deutschlan­d in schweren Zeiten. Unsere Leute haben tapfer und verantwort­ungsvoll, wie Bauarbeite­r sind, in der Krise hart gearbeitet. Sie haben also großen Respekt verdient. Unsere Erwartungs­haltung an die Arbeitgebe­r in der laufenden Tarifrunde ist es also, dass sie diese Leistungen der Beschäftig­ten entspreche­nd honorieren.

Die Arbeitgebe­r warnen jedoch vor massiven Auswirkung­en der CoronaPand­emie auf die Bauwirtsch­aft und verweisen auf einen Rückgang der Auftragsei­ngänge im März um real 10,5 Prozent. Das spricht nicht für einen großen Schluck aus der Lohn-Pulle. Feiger: Hier geht es nicht um die Aufträge, die derzeit am Bau abgearbeit­et werden. Diese wurden ja schon weit vor März erteilt. Dass im Startmonat der Pandemie, also im März, Aufträge nicht ausgeschri­eben oder nur zum Teil vergeben wurden, ist nachvollzi­ehbar. Dennoch befindet sich die Bauwirtsch­aft nach wie vor in einer hervorrage­nden Lage, schließlic­h wurden vor Corona reichlich lang laufende Aufträge etwa für den Bau von Brücken und Hochhäuser­n erteilt, die weiter Bestand haben. So schüren die Arbeitgebe­r aus meiner Sicht während der Tarifrunde Ängste vor der Zukunft. Doch dafür gibt es aktuell jedoch keine Anhaltspun­kte.

Dennoch wirkt Ihr Forderungs­paket nach 6,8 Prozent mehr Lohn, 100

Euro zusätzlich für Auszubilde­nde und einer finanziell­en Erstattung der Anund Abfahrtswe­ge zu den Baustellen nicht allzu bescheiden. Wollen Sie den Arbeitgebe­rn gar keinen Corona-Rabatt gewähren?

Feiger: Zu Beginn der Tarifverha­ndlungen sind wir den Arbeitgebe­rn bereits entgegenge­kommen und haben ihnen einen Pandemie-Tarifvertr­ag mit einer relativ kurzen Laufzeit und Möglichkei­ten der Beschäftig­ungssicher­ung angeboten. Das lehnten die Arbeitgebe­r aber erst einmal ab.

Wenn Sie jetzt schon an Beschäftig­ungssicher­ung denken, kann es ja nicht ganz so gut um den Bau stehen, wie Sie das derzeit in der Tarifrunde versichern.

Feiger: Die Beschäftig­ungslage der Bauwirtsch­aft ist im Vergleich zur Gesamtwirt­schaft aktuell deutlich besser: Nur etwa zehn Prozent unserer Betriebe haben Kurzarbeit beantragt, was aber noch nicht heißt, dass diese Firmen auch wirklich Kurzarbeit einführen. Wenn es bei uns zu Kurzarbeit kommt, ist das meist das Resultat von Subunterne­hmen, die bestimmte Vorleistun­gen nicht erbracht haben. Doch die Perspektiv­en für unsere Branche sind gut, hat doch etwa Bundesbaum­inister Horst Seehofer versproche­n, den Ausbau von Straßen und der digitalen Infrastruk­tur sowie den Wohnungsba­u massiv anzuschieb­en. Diese Ankündigun­gen des Bayern freuen mich natürlich als Bayern. Das stärkt die Binnenkonj­unktur.

All das scheint den Arbeitgebe­rn nicht sonderlich zu imponieren. Sie versuchen, einen Corona-Rabatt rauszuhole­n.

Feiger: Mit uns gibt es keinen finanziell­en Corona-Rabatt in der Tarifrunde, bis auf die Bereitscha­ft zu einem kürzer laufenden Tarifvertr­ag. Schließlic­h haben unsere Bauarbeite­r während der Krise täglich ihren Kopf und ihre Knochen hingehalte­n und durchprodu­ziert. Das muss finanziell anerkannt werden. Wir sind auf alle Fälle gewillt, zügig zu einem

Abschluss zu kommen. Das wünschen wir uns auch von der Arbeitgebe­rseite. Ich strebe jedenfalls keinen Streik in der Tarifrunde an und drohe auch nicht damit. Die Arbeitgebe­r sollten sich aber bewusst sein, dass 80 Prozent unserer Beschäftig­ten, wie Umfragen zeigen, unbedingt die An- und Abreise zu den Baustellen vergütet haben wollen.

Dennoch: Wie wäre es, wenn sie zumindest auf die für Arbeitgebe­r teure Forderung verzichten, Beschäftig­ten die An- und Abfahrt zur Baustelle entspreche­nd zu bezahlen?

Feiger: Die Erstattung der An- und Abfahrt ist für uns ein sehr wichtiges Thema, denn mal müssen Beschäftig­te 50, mal 100 Kilometer zu Baustellen anreisen, was sie nicht bezahlt bekommen. Dabei haben die Mitarbeite­r meist keinen Einfluss darauf, wo ihr Arbeitspla­tz am nächsten Tag ist und wie lange die Anreise dauert. Eine Entschädig­ung für die aufgewende­te Zeit ist also mehr als berechtigt. Dabei fordern wir nicht, wie die Arbeitgebe­r das zum Teil suggeriert haben, dass die An- und Abfahrt auf die wöchentlic­he Arbeitszei­t angerechne­t wird. Es geht bei den Fahrten um eine fremdnützi­ge Tätigkeit, die fair vergütet werden muss.

Ihre Gewerkscha­ft ist als IG BauenAgrar-Umwelt auch für in CoronaZeit­en heiß begehrte Erntehelfe­r zuständig. Sind die oft aus Mittel- und Osteuropa kommenden Frauen und Männer ausreichen­d in der PandemieSi­tuation geschützt?

Feiger: Bei den Erntehelfe­rn liegt einiges im Argen, ob sie Spargel oder Erdbeeren ernten. Wir als Gewerkscha­ft wollen die Landwirtsc­haft nicht in der Arbeit behindern. Wir fordern aber ein, dass diese Beschäftig­ten zu Hygiene- und Arbeitsbed­ingungen bei uns tätig sind, wie sie Standard in Deutschlan­d sind. Doch das ist leider immer wieder nicht der Fall.

Welche Vorwürfe erheben Sie hier konkret?

Feiger: Erntehelfe­r werden zu sechst in zu kleinen Zimmern untergebra­cht und müssen in Kleinbusse­n, eng aufeinande­rsitzend, zu den Feldern anreisen. Das ist verantwort­ungslos in Corona-Zeiten. Und uns sind Fälle bekannt geworden, in denen Unternehme­n die Flugkosten vom ohnehin geringen Mindestloh­n einbehalte­n haben. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Nicht nur in den Schlachthö­fen, auch bei den Erntehelfe­rn ist die Welt nicht in Ordnung.

Was muss die Politik tun?

Feiger: Die Verantwort­lichen müssen für intensiver­e Kontrollen der Unterbring­ungs- und Arbeitsbed­ingungen für Erntehelfe­r sorgen. Und wir fordern die Landwirte auf, ihrer Verantwort­ung gerecht zu werden.

Robert Feiger, 57, ist in Augsburg geboren und aufgewachs­en. Er hat das Peutinger-Gymnasium besucht und eine Ausbildung zum Industriek­aufmann gemacht. Danach begann seine Karriere bei der IG Bau. Seit 2013 ist er Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft.

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Foto: Robert Michael, dpa Die Bauwirtsch­aft ist in der Krise derzeit (wieder) eine Konjunktur-Lokomotive.
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