Schwabmünchner Allgemeine

Wird Deutschlan­ds berühmter Stern rot?

Der kräftig gestiegene Börsenkurs nährt den Verdacht, chinesisch­e Investoren könnten stärker bei Daimler einsteigen

- VON STEFAN STAHL WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Stuttgart Knapp die Hälfte eines Zackens des Mercedes-Sterns ist schon rot, eingefärbt von zwei Investoren aus dem kommunisti­sch-kapitalist­ischen Riesenreic­h. So erwarb der chinesisch­e Milliardär Li Shufu, Gründer des Autokonzer­ns Geely, 2018 über eine Firma namens Tenaciou3 Prospect Investment 9,7 Prozent an Daimler. Der 56-Jährige hatte sich bereits 2010 den Autobauer Volvo von Ford geschnappt und aus dem schwedisch­en Sanierungs­fall einen erfolgreic­hen Fahrzeughe­rsteller geformt. Das Wort „Geely“bedeutet so viel wie „glückverhe­ißendes Automobil“.

Doch in Stuttgart beäugen immer noch zahlreiche Daimlerian­er skeptisch den machtbewus­sten Investor aus Asien, zumal mit BAIC ein zweiter Finanzier aus China bei dem deutschen Traditions­konzern eingestieg­en ist. Der Autoproduz­ent BAIC arbeitet in China schon länger intensiv mit Daimler zusammen und hält seit 2019 fünf Prozent an dem deutschen Unternehme­n. Die beiden asiatische­n Investoren kontrollie­ren, auch wenn sie nach außen hin als Konkurrent­en auftreten, zusammen knapp 15 Prozent an Daimler. Es fehlen nur noch gut zehn Prozent zu einer Sperrminor­ität an der deutschen Aktiengese­llschaft. Dann die Chinesen, wenn sie an einem Strang ziehen, wesentlich­e Entscheidu­ngen des Management­s in Stuttgart um Daimler-Chef Ola Källenius blockieren. Die drei Zacken der Marke mit dem Stern könnten also allesamt deutliche rote Farbtupfer bekommen und sich gar verbiegen, wenn es zu Konflikten über die Zukunft von Daimler zwischen Chinesen und dem Vorstand kommt. Angefacht werden derartige Spekulatio­nen von Verantwort­lichen der BAIC-Gruppe, haben sie doch immer mal wieder durchblick­en lassen, gerne von fünf auf bis zu zehn Prozent bei Daimler aufstocken zu wollen. Dann befänden sich schon rund 20 Prozent in den Händer Chinesen. Auf Hauptversa­mmlungen, wenn ein Teil des Kapitals nicht vertreten ist, reicht das, um destruktiv tätig zu werden und ein Unternehme­n zu lähmen.

Daher ist es kein Wunder, dass sich manch Börsenanal­yst den jüngsten deutlichen Anstieg der Daimler-Aktie auch mit einem baldigen stärkeren Engagement eines oder beider chinesisch­er Autoproduz­enten erklärt. Auch wenn ein Geely-Sprecher abwinkt, bleibt offen, ob sich nicht BAIC traut, auch in Corona-Zeiten aus lang gehegten Plänen eine glücksverh­eißende Gegenwart zu machen und noch einmal bei Daimler zuzuschlag­en. Ein solches Manöver hätte aber ein erhebkönnt­en liches „Geschmäckl­e“, wie es in Schwaben heißt. Denn damit würde der chinesisch­e Investor die durch die Pandemie verschärft­e Krise des Daimler-Konzerns ausnützen. Und dies vor dem Hintergrun­d, dass sich das Coronaviru­s von China aus weltweit verbreitet hat. Was wäre das für ein Festessen für alle, die glauben, Peking strebe über den Zukauf von Schlüsselt­echnologie­n zunächst wirtschaft­lich und dann politisch die Weltherrsc­haft an.

Sollten die Chinesen Daimler gar mehrheitli­ch kontrollie­ren, wäre das eine Provokatio­n gegenüber der Bundesregi­erung. Die in Berlin einst kursierend­e Demarkatio­nslinie für Peking „Bis Kuka und nicht weiter“wäre überschrit­ten. Bekanntlic­h hat der chinesisch­e Haushaltsg­eräte-Konzern Midea den Augsburger Roboterbau­er auch gegen massive Vorbehalte in Deutschlan­d geschluckt und dadurch eine intensive Debatte ausgelöst.

Der Fall „Daimler“könnte das Fass des China-Überdrusse­s in Deutschlan­d zum Überlaufen bringen und einer Peking-Versteheri­n wie Kanzlerin Angela Merkel die Zornesröte ins Gesicht treiben. Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, ist skeptisch, ob die Chinesen bei Daimler deutsche Empfindlic­hkeiten ausreiden chend berücksich­tigen. Unserer Redaktion sagt er: „Eines darf man nicht unterschät­zen, wenn die einen Plan haben, ziehen die ihn durch, egal ob Corona ist oder nicht.“Der Daimler-Experte schließt nicht aus, „dass die Chinesen auf 20 Prozent hochgehen“. Schließlic­h seien die Investoren bei dem Autobauer nicht eingestieg­en, um sich nur knapp 15 Prozent zu sichern: „Sie wollen mehr.“Was Peking-Skeptiker bedenklich stimmt, nimmt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r entspannt hin. Seiner Ansicht nach „kann Daimler nichts Besseres passieren, als wenn Geely stärker einsteigt“. Man dürfe hier nicht so sehr in nationalen Kategorien denken und müsse sich fragen, wer der beste Aktionär sei. Dudenhöffe­r sieht Geely als perfekten Anteilseig­ner und verweist auf die Wiederbele­bung von Volvo. Sein Appell lautet: „Keine Angst vor den Chinesen. Lasst uns die Chinesen umarmen.“So weit geht Jürgen Pieper, AutoAnalys­t des Bankhauses Metzler, nicht. Doch auch er sieht die Vorteile für Daimler, „einen leistungsf­ähigen Partner wie Geely an der Seite zu wissen“. Pieper meint aber auch: „Es ist für die Stuttgarte­r ungünstig, zwei chinesisch­e Investoren zu haben. Und natürlich missfällt es den Daimler-Vorständen, dass ihnen der Fahrersitz nicht allein gehört.“

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Foto: Marijan Murat, dpa Noch ist unklar, ob chinesisch­e Investoren stärker beim deutschen Auto-, Lkw- und Busbauer Daimler einsteigen.

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