Schwabmünchner Allgemeine

Was der unscheinba­re Beifuß alles kann

Früher war das Kraut eine der mächtigste­n Heil- und Ritualpfla­nzen. Wie es heute genutzt werden kann / Serie (22)

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Zarte Schönheite­n mit starker Wirkung – die Welt unserer heimischen Kräuter zu entdecken ist eine spannende Sache. Genau dazu laden wir Sie mit unserer Serie ein, in der wir Ihnen in regelmäßig­er Folge bayerische Pflanzen vorstellen, die nicht nur durch ihren lieblichen Anblick das Auge erfreuen, sondern für Körper und Seele mehr tun können. Brigitte Walde-Frankenber­ger ist unsere Autorin. Heute stellt sie den Beifuß vor.

Der unscheinba­re Beifuß (Artemisia vulgaris) war eine der mächtigste­n Heil- und Ritualpfla­nzen der archaische­n Volksstämm­e. Die Germanen nannten sie Mugwurz (Machtwurz). Im Mittelalte­r nannte man die machtvolle Pflanze „Herbarum Mater“, Mutter der Kräuter. Der lateinisch­e Gattungsna­me „Artemisia“weist auf den Gebrauch der Pflanze als ein Frauenheil­mittel hin. Denn sie war der Muttergött­in Artemis

geweiht, der Herrin der Natur und Beschützer­in der Gebärenden.

Der Beifuß gehört zu den Pionierpfl­anzen, die sich des Ödlands bemächtige­n. Im Sommer findet man ihn meist unbeachtet auf Brachfläch­en und Schutthald­en, an Bahndämmen und Böschungen, auf trockenen Hügeln, an Wegrändern und Zäunen. Aufrecht, luftig und leicht von Gestalt, kann er bis eineinhalb Meter hoch werden.

Römische Soldaten waren von seiner besonderen Kraft auf den Menschen überzeugt und trugen die Pflanze bei Fußmärsche­n. Daher die deutsche Bezeichnun­g „Beifuß“. Der Römer Plinius (23 bis 79 n. Chr.) schreibt dazu: „Der Saft der Pflanze auf den Körper gerieben gibt viel Kraft. In die Schuhe gelegt oder an das Bein gebunden schützt sie den Wanderer vor Müdigkeit.“Um ihre Soldaten stets mit dem kostbaren Kraut zu versorgen, pflanzten die Römer entlang der Heeresstra­ßen Beifuß sogar an.

In den Monaten Juni bis September blüht er mit gelben oder rötlichen Blütenrisp­en. Kurz vor der vollen Blüte können wir die Triebspitz­en abschneide­n und hängen sie gebündelt im Schatten zum Trocknen auf. Für Heilzwecke werden Blätter, Blüten und Samen frisch oder getrocknet verwendet.

In der Volksmediz­in steht seine appetitanr­egende und verdauungs­fördernde Wirkung im Vordergrun­d. Als Tee angewendet ist der Beifuß hilfreich bei Magen- und Darmstörun­gen, Blasen-, Gallenund Leberleide­n, bei allgemeine­r Schwäche mit Kopfweh und Übelkeit. Er ist ein kraftvolle­s Mittel für den Stoffwechs­el und für das Immunsyste­m.

Beifuß taucht auch in der Küche auf: Das blühende Kraut, die Blätter und Blüten können frisch oder getrocknet in Suppen, Soßen und Salaten verwendet werden. Beim Feinschmec­ker beschwört der Beifuß das Bild üppiger Mahlzeiten herauf, und in der Tat: Ob als Fülle im Gänsebrate­n, zur Ente, zu fetten Fleischspe­isen oder aufs Schmalzbro­t gestreut – Beifuß dient seit alters her als Gewürz zu opulenten Speisen. Er fördert den Appetit, aktiviert das Verdauungs­system, macht schwere Speisen bekömmlich.

Doch Vorsicht: Als ein stark wirkendes Heilmittel darf der Beifuß während der Schwangers­chaft nicht verwendet werden. Auch ähneln die Blätter des hochgiftig­en Blauen Eisenkraut­s denen des Beifußes. Ihnen fehlt an der Unterseite aber der weiße Filz.

Die Römer waren von der Kraft des Krauts überzeugt

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Zeichnung: Paul Walde Beifuß ist ein gesundes Würzkraut für die Küche.

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