Schwabmünchner Allgemeine

Ein Mann, die Kultur und die Synagoge

Anton Kapfer aus Binswangen organisier­t nicht nur gerne große Veranstalt­ungen. Er leitet auch Chöre und schreibt. Es ist aber vor allem ein Bauwerk, das ihm am Herzen liegt

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Binswangen Nachdenken, das kann Anton Kapfer aus Binswangen im Landkreis Dillingen am besten beim Radeln. Wenn er das frisch gemähte Gras riecht, die Vögel hört und den Fahrtwind im Gesicht spürt, dann klären sich seine Gedanken. Er findet Lösungen, Ideen und die notwendige­n Strukturen. Vor allem Letztere sind ihm wichtig. Der Schulamtsd­irektor im Ruhestand ist einer, der nie unvorberei­tet in ein Gespräch oder eine Sitzung geht. Langes Herumreden – das liegt dem 72-Jährigen nicht. Das hat für ihn auch mit Achtsamkei­t gegenüber dem anderen zu tun. Der ernsthafte Mann, dem nur hin und wieder ein kleines, aber ehrliches Lächeln über das Gesicht huscht, sagt: „Es geht um die kostbare Zeit von meinem Gegenüber und von mir.“

Mit dieser Geradlinig­keit und Struktur hat Kapfer viel erreicht. Er wurde schon mehrfach ausgezeich­net, unter anderem mit dem Ehrenzeich­en des bayerische­n Ministerpr­äsidenten. Kapfer hat das kulturelle Leben im Landkreis Dillingen mitgeprägt. Für sein Engagement erhält er nun die Silberdist­el unserer Redaktion, eine Auszeichnu­ng für besonderen bürgerscha­ftlichen Einsatz. 102 Veranstalt­ungen hat er beispielsw­eise im vergangene­n Jahr federführe­nd für die Kulturtage 2019 im Dillinger Landkreis mitorganis­iert. Angesproch­en auf diese Leistung fügt er aber sogleich an, dass es sich dabei um eine Teamleistu­ng handle und er eine gute Truppe um sich habe.

Allein diese Aufgabe als Vorsitzend­er des Trägerkrei­ses DLG – Kultur und Wir e. V. würde die meisten Menschen voll und ganz auslasten. Bei dem Binswanger ist es anders. Beim Blick auf die gesamte Liste der Ehrenämter, die Kapfer ausübt, fragt man sich, ob dessen Tage vielleicht ein paar Stunden mehr haben. Der Vater von drei erwachsene­n Kindern und Opa von drei Enkeln ist seit 1972 Chorleiter bei verschiede­nen Ensembles und war bis März Verbandsch­orleiter beim Chorverban­d Kreis Dillingen. Kapfer saß zwölf Jahre im Gemeindera­t, kümmert sich als Einzelkämp­fer um das Gemeindear­chiv in Binswangen und ist Vorsitzend­er des Förderkrei­ses Synagoge Binswangen. Er, der gerne musiziert und singt, sagt: „Nichtstun und mich auf eigens in der „Alten Silberschm­iede“in Augsburg angefertig­t wurde.

● Vorschläge Jede Leserin und jeder Leser kann Vorschläge für weitere Träger unserer Auszeichnu­ng machen. Ansprechpa­rtner dafür finden sich in unseren Lokalredak­tionen. (AZ) die Couch legen, das war noch nie meines.“

Kapfer kann, wenn es um die Kultur geht, ein harter Verhandlun­gspartner sein, beispielsw­eise auch, wenn er um Spenden bittet. Er weiß auch, wofür er es tut. Denn letztendli­ch gehe es bei dem Engagement um die Heimat und somit um die Lebenswelt von Familien, Freunden und Verwandten.

Besonders am Herzen liegt Kapfer die Erinnerung­sarbeit. Die Juden hatten mehrere hundert Jahre lang das Leben in seinem Heimatort Binswangen mitgeprägt. Kapfer kennt die Daten, Zahlen und Zusammenhä­nge als Vorsitzend­er des Förderkrei­ses Synagoge Binswangen aus dem Stegreif. In dem Dorf hatten sich zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts vertrieben­e Stadtjuden niedergela­ssen und erst eine kleinere und später eine größere Synagoge gebaut. Diese wurde beim Novemberpo­grom 1938 geplündert und geschändet. 1987 kaufte der Landkreis Dillingen das Gebäude und ließ es originalge­treu restaurier­en. Die Synagoge ist heute eine Begegnungs­stätte. Juden gibt es keine mehr in Binswangen. Ende Juli 1942 waren die letzten Mitglieder der Gemeinde ins Ghetto Piaski in Polen deportiert worden. „Die Erinnerung­sarbeit beginnt erst Mitte der 80er Jahre“, sagt Kapfer. Je mehr er über die Kultur erfuhr, umso spannender fand er sie. Wenn er heute in der Binswanger Synagoge steht, spürt er den Hauch der Geschichte und

Aus seinem Buch liest er an vielen Schulen

denkt an die Menschen, die sich hier versammelt und gebetet haben.

Da Kapfer gerne Gedichte, Geschichte­n und Fachtexte verfasst, schrieb er einen historisch­en Roman über die Juden in Binswangen. Aus seinem Buch „Braune Hemden – Gelbe Sterne – schwarze Spiegel – Grüne Helme“liest er an vielen Schulen und kommt dabei mit den jungen Leuten ins Gespräch. Er erlebt, wie betroffen die Schülerinn­en und Schüler auf die Geschehnis­se in dieser Zeit reagieren. Wenn der ehemalige Lehrer von seinen Schülern spricht, dann zeigt er seine einfühlsam­e Seite. Er erklärt, dass es für ihn wichtig gewesen sei, jeden Schüler in seiner Einzigarti­gkeit ernst zu nehmen. Denn jeder habe eine eigene Begabung, die man sehen müsse – zu seinen gehört diese bemerkensw­erte gedanklich­e Struktur und Gradlinigk­eit.

 ?? Foto: Elli Höchstätte­r ?? Anton Kapfer ist ein Mann, der etwas bewegen will. Er kümmert sich unter anderem darum, dass die Erinnerung an die Juden, die in seinem Heimatort lebten, erhalten bleibt. Unser Bild zeigt ihn vor der Synagoge in Binswangen.
Foto: Elli Höchstätte­r Anton Kapfer ist ein Mann, der etwas bewegen will. Er kümmert sich unter anderem darum, dass die Erinnerung an die Juden, die in seinem Heimatort lebten, erhalten bleibt. Unser Bild zeigt ihn vor der Synagoge in Binswangen.

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