Schwabmünchner Allgemeine

Gastronom wurde Opfer eines psychisch Kranken

Fünf Jahre ist es her, dass „Kichererbs­en“-Chef Majed Al Naser von einem Mann in der Maxstraße brutal zu Boden geprügelt wurde. Die Attacke hätte lebensbedr­ohlich enden können. Der Täter steht nun vor Gericht

- VON KLAUS UTZNI

Majed Al Naser, Betreiber des Falafel-Imbisses „Kichererbs­e“, ist im Juli 2015 am helllichte­n Tag mitten auf der Maxstraße vor den Augen Dutzender Gäste eines Cafés grundlos angegriffe­n und zu Boden geprügelt worden. Der Täter stand nun vor Gericht. Ihm werden sechs Gewalttate­n zur Last gelegt.

Hakim M. in Beirut geboren, behauptet stolz von sich, er sei ein heiliger Korangeleh­rter aus dem Libanon, er könne Kranke heilen. Und: Er sei in seinem Heimatland der Hisbollah in die Hände gefallen und dann vom deutschen Geheimdien­st befreit worden. Hakim prahlt auch gern damit, dass er ein hochkaräti­ger Informant der Polizei gewesen und deshalb auch im Zeugenschu­tzprogramm aufgenomme­n worden sei. Ein psychiatri­scher Sachverstä­ndiger diagnostiz­iert dem 50-jährigen Libanesen allerdings eine schizophre­ne Psychose mit Größen- und Verfolgung­swahn und damit Schuldunfä­higkeit.

Hakim muss sich wegen insgesamt sechs gewalttäti­ger Attacken in einem sogenannte­n Unterbring­ungsverfah­ren der Justiz stellen. Es ist ein Prozess, bei dem er nicht schuldig gesprochen werden kann. Zwei Fakten sind es, die das viertägige Verfahren von anderen heraushebe­n: Einmal, weil der Libanese, wie der Prozess überrasche­nd bestätigt, tatsächlic­h im Zeugenschu­tzprogramm der Bremer Polizei geführt wurde. Und zum anderen, weil ein Augsburger Opfer einer der Gewalttate­n war, den viele in der

(Name geändert),

kennen. Nämlich Majed Al Naser, der den Falafel-Imbiss „Kichererbs­e“betreibt. Der 55-Jährige war in der Maxstraße von Hakim M. plötzlich attackiert worden. Hakim M. behauptete später, der Syrer sei der Kopf einer Drogenband­e und habe ihn gemobbt und verfolgt.

Seit fast fünf Jahren steht der Beschuldig­te im Fokus der Justiz. Mal wurde ein Verfahren eingestell­t, dann wieder aufgenomme­n, neue Gutachter bestellt, neue Vorwürfe kamen dazu. Jetzt zog die Staatsanwa­ltschaft einen Schlussstr­ich.

Ankläger Andreas Kraus wirft dem Libanesen im Prozess vor der Strafkamme­r des Landgerich­ts unter Vorsitz von Richterin Maiko Hartmann sechs gewalttäti­ge Attacken vor, darunter auch eben jene gegen den „Kichererbs­en“-Betreiber Al Naser. Die Serie der Angriffe beginnt Mitte Juli 2015: Hakim M., der als Beruf Schuhmache­rmeister und Personensc­hützer angibt, prügelt in der Dominikane­rgasse auf einen arabischen Landsmann ein und bedroht ihn mit dem Tod. Hakim glaubt, sein Gegner gehöre einer Drogengang an.

Neun Tage später dann der aufsehener­regende Überfall in der Maxstraße: Falafel-Koch Majed Al NaStadt ser, vertreten vor Gericht von Anwalt Ralf Schönauer, unterhält sich mit einem Bekannten im Straßencaf­é, als er wie ein Blitz aus heiterem Himmel hinterrück­s von Hakim M. angegriffe­n wird. Der schlägt ihm ein Springmess­er und eine Flasche auf den Kopf. Der „Kichererbs­en“-Chef fällt zu Boden. Hakim M. greift einen Stuhl, prügelt damit auf das am Boden liegende Opfer ein. „Wie im Wahn“, so jetzt ein Zeuge im Gerichtssa­al, sei er auf Al Naser losgegange­n.

Der Bekannte des Imbissbetr­eibers ist sich als Zeuge sicher: „Er hätte ihn auch töten können.“Was seltsam ist: Hakim M., gerade eben noch außer sich rasend vor Wut, ist Sekunden später plötzlich ganz still und lässt sich widerstand­slos von der Polizei festnehmen. Ein Jahr später, im Juli 2016, fühlt sich Hakim M. in einem Bäckerei-Café am Kö von einer Frau beim Beten gestört. Er greift erneut zu einem Stuhl und verletzt damit die Frau. Anfang 2019 kommt es in einer Obdachlose­nunterkunf­t zu drei ähnlichen Vorfällen. Hakim M. schlägt wieder zu, ein Opfer wird bewusstlos.

Der Gerichtsme­diziner Jiri Adamec kommt nach der Untersuchu­ng der Verletzung­sfolgen zu dem Ergebnis, dass die Attacken auf Al Naser und auf einen Mann im Obdachlose­nheim durchaus zu lebensbedr­ohlichen Zuständen hätten führen können. Der Libanese (Verteidige­r: Jörg Seubert), der seit etwa einem Jahr vorläufig in einer psychiatri­schen Klinik untergebra­cht ist, verweigert sich Medikament­en. Er sagt auch im Prozess: „Ich bin ganz nor14. mal im Kopf. Ich bin kein Idiot.“Interessan­t ist immerhin, dass die Behauptung, im Zeugenschu­tzprogramm der Bremer Polizei aufgenomme­n worden zu sein, kein Hirngespin­st ist.

Das Gericht lässt ermitteln. Und die Polizei in der Hansestadt bestätigt: Zwischen 2005 und 2008 sei dies der Fall gewesen. Einzelheit­en bleiben geheim. Angeblich hat Hakim M. der Polizei Informatio­nen geliefert, die zur Verurteilu­ng von Drogenhänd­lern führten. Diese Tätigkeit als Informant könnte letztlich auch zu den Wahnvorste­llungen und Verfolgung­sideen im Zuge der psychische­n Erkrankung ab 2014 geführt haben, glaubt der Gutachter Fabian U. Lang.

Hakim M. beziehe immer mehr unbeteilig­te Leute, selbst Ärzte und Pfleger, in das intensive Wahnerlebe­n ein. Der Psychiater stellt fest: Hakim M. sei schuldunfä­hig. Und: Die Gefahr bestehe, dass der Beschuldig­te künftig weitere erhebliche Straftaten begeht, sodass die Voraussetz­ungen für eine dauerhafte Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Klinik bestünden. Dafür plädiert am Ende auch Staatsanwa­lt Andreas Kraus. Verteidige­r Jörg Seubert dagegen fordert, von einer Unterbring­ung abzusehen. Die 14. Strafkamme­r folgt am Ende dem Ankläger und ordnet im Urteil die weitere Unterbring­ung an.

Richterin Maiko Hartmann redet Hakim M. eindringli­ch zu, einsichtig zu sein und Medikament­e zu nehmen, damit er eine Chance habe, wieder in Freiheit zu kommen. Hakim M. verspricht daraufhin: „Ja, ich mach’ das.“

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Foto: Michael Hochgemuth (Archiv) Er wurde Opfer einer brutalen Prügelatta­cke: „Kichererbs­en“-Chef Majed Al Naser.

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