Risikogruppe sind immer die anderen
Mein Vater ist über 70, übergewichtig, ehemaliger Kettenraucher, herzkrank und weigert sich anzuerkennen, dass er zur Risikogruppe gehört. Spricht man ihn darauf an, verweist er darauf, dass er einmal im Jahr wandern geht. Wenn er nicht aufpasst, wird er noch in den Olympiakader berufen.
Risikogruppe sind immer die anderen. Das gehört zu den interessantesten Dingen an der Pandemie. Ältere Menschen haben ein deutlich höheres Risiko, gefährlich zu erkranken, als jüngere. Gleichzeitig weigern sich manche Menschen älteren Semesters, sich an Vorkehrungen zu halten, die ihnen das Leben retten soll. Während vor Gesundheit strotzende Altersgenossen in meinem Freundeskreis sich seit Monaten in ihren Wohnungen verschanzen und in ihren Sicherheitsvorkehrungen gegenseitig überbieten, machen meine älteren Nachbarn schon wieder Grillpartys. Auch gibt es Herren Ü60, die sich mit der Edeka-Kassiererin über die Maskenpflicht streiten, genauso wie es junge Leute gibt, die CoronaPartys feiern. Dabei gilt für alle Generationen: Wer sich nicht an die Sicherheitsvorkehrungen hält, gefährdet andere Menschen. Ich könnte auch die weißen Linien auf der Straße ignorieren. Das Grundgesetz garantiert mir schließlich Bewegungsfreiheit. Verständlich ist mancher Widerstand. Im Herbst des Lebens reagiert man wahrscheinlich empfindlicher auf jeden Sommer, den man nicht genießen kann. Aber je besser sich alle – ob jung oder alt – an die Sicherheitsregeln halten, desto schneller können sie wieder aufgehoben werden.