Ein Fund, der seiner Zeit voraus war
Im Archäologischen Museum in Königsbrunn gibt es viele wissenschaftlich spannende Stücke zu sehen. Die Betreiber beeindruckt ein Becher besonders. Denn der Künstler zeigte enorme Kunstfertigkeit
Königsbrunn In unserer Reihe „Königsbrunner Schätze“haben wir während der corona-bedingten Schließzeit kleine Besonderheiten aus den Königsbrunner Museen vorgestellt. Nun können die Ausstellungen in der Stadt nach den letzten Lockerungen wieder öffnen. Passend dazu kommt die Serie mit einem Abstecher ins archäologische Museum zu einem Ende. Das dortige Schauobjekt: Ein Tonbecher, der seiner Zeit weit voraus ist.
Zu den herausragenden Funden des Museums gehören die Gräber aus der Glockenbecherzeit um etwa 2300 vor Christus, die 1994 auf dem Gelände der Firma Bosch nördlich der Bobinger Straße gefunden wurden. Das freigelegte Grab eines Mannes gehört zu den bekannteren Fotomotiven im Archäologischen Museum. Auf den ersten Blick unscheinbarer, aber bei genauer Betrachtung nicht weniger spektakulär ist der Inhalt einer der
Muster wurden mit Knochen oder Holzstempeln hineingedrückt
Vitrinen neben dem Grab. Dort ist ein kunstvoller Becher zu sehen, der seiner Zeit tatsächlich weit voraus scheint.
Denn der Handwerker muss ein wahrer Meister seines Fachs gewesen sein. Nur 3,5 Millimeter dick sind die Wände und haben die Jahrtausende trotzdem mit nur kleinen Schrammen überstanden. Dazu hat der Hersteller den Ton kunstvoll und enorm gleichmäßig verziert. „Die Muster wurden mit Knochen oder Holzstempeln hineingedrückt“, sagt Siglinde Matysik, die gemeinsam mit Rainer Linke die Führungen durch das Museum gestaltet und viele der Stücke selbst ausgegraben hat. Der Becher war die Grabbeigabe für einen echten Greis für damalige Verhältnisse: Der Tote war etwa 40 Jahre alt.
Die Kunstfertigkeit, die es für den Becher brauchte, sei in späteren Jahren etwas verloren gegangen, sagt Matysik: „Das Wissen wurde grundsätzlich weitergegeben. Aber anscheinend konnten es die Nachfolger nicht umsetzen.“In der Tat finden sich im Archäologischen Museum zahlreiche Stücke aus späteren Epochen, die deutlich weniger filigran gearbeitet sind. Besonders bemerkenswert sei die Leistung des
Handwerkers, weil es damals noch keine Töpferscheiben gab. Diese brachten erst die Römer über die Alpen. Der Glockenbecher wurde per Hand geformt und in sogenannten Meileröfen gebrannt. Dabei konnte viel schief gehen: Der Ofen durfte nicht zu heiß werden, das Brandgut musste perfekt mit Gras abgedeckt werden.
Der Fund der Gräber war auch bedeutend für die Geschichtsschreibung. Bis zu dem Fund ging man davon aus, dass das Volk, das die Glockenbecher herstellte, nur entlang der Donau lebte, sagt Rainer Linke: „Unser Fund war zum damaligen Zeitpunkt eine Sensation und der südlichste Punkt Schwabens, an dem die Becher auftauchten.“Zudem konnte man den Beginn der Stadtgeschichte rund 500 Jahre zurückdatieren. Bis zu den Funden ging man davon aus, dass erst in der Frühen Bronzezeit Menschen auf Königsbrunner Flur lebten. Lange dürften die Nomaden sich aber nicht niedergelassen haben, sagt Linke: „Sie zogen weiter, wenn die Ernten nicht mehr gut waren.“Der bekannt steinreiche Königsbrunner Boden dürfte nicht lange fruchtbar genug gewesen sein. Dafür spreche auch die geringe Zahl von nur fünf gefundenen Gräbern aus der Zeit.
Nachdem am vergangenen Wochenende das Naturmuseum und der Infopavillon 955 wieder ihre Tore geöffnet haben, geht am Sonntag, 7. Juni, von 10 bis 12 Uhr das Lechfeldmuseum wieder an den Start. Die Ausstellung des Archäologischen Museums ist dann am Sonntag, 21. Juni, an der Reihe. Wegen der Corona-Regeln wird es allerdings vorerst keine Führungen geben, sagt Kulturbüroleiterin Rebecca Ribarek. Die Ausstellungsräume unter dem Sitzungssaal des Rathauses bieten dafür zu wenig Platz. Siglinde Matysik und Rainer Linke geben Besuchern auf Wunsch aber eine Einführung im Vorraum des Museums. Am 28. Juni gibt es dann auch wieder Führungen durch das Mithräum am Städtischen Friedhof.