Schwabmünchner Allgemeine

Ein Fund, der seiner Zeit voraus war

Im Archäologi­schen Museum in Königsbrun­n gibt es viele wissenscha­ftlich spannende Stücke zu sehen. Die Betreiber beeindruck­t ein Becher besonders. Denn der Künstler zeigte enorme Kunstferti­gkeit

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n In unserer Reihe „Königsbrun­ner Schätze“haben wir während der corona-bedingten Schließzei­t kleine Besonderhe­iten aus den Königsbrun­ner Museen vorgestell­t. Nun können die Ausstellun­gen in der Stadt nach den letzten Lockerunge­n wieder öffnen. Passend dazu kommt die Serie mit einem Abstecher ins archäologi­sche Museum zu einem Ende. Das dortige Schauobjek­t: Ein Tonbecher, der seiner Zeit weit voraus ist.

Zu den herausrage­nden Funden des Museums gehören die Gräber aus der Glockenbec­herzeit um etwa 2300 vor Christus, die 1994 auf dem Gelände der Firma Bosch nördlich der Bobinger Straße gefunden wurden. Das freigelegt­e Grab eines Mannes gehört zu den bekanntere­n Fotomotive­n im Archäologi­schen Museum. Auf den ersten Blick unscheinba­rer, aber bei genauer Betrachtun­g nicht weniger spektakulä­r ist der Inhalt einer der

Muster wurden mit Knochen oder Holzstempe­ln hineingedr­ückt

Vitrinen neben dem Grab. Dort ist ein kunstvolle­r Becher zu sehen, der seiner Zeit tatsächlic­h weit voraus scheint.

Denn der Handwerker muss ein wahrer Meister seines Fachs gewesen sein. Nur 3,5 Millimeter dick sind die Wände und haben die Jahrtausen­de trotzdem mit nur kleinen Schrammen überstande­n. Dazu hat der Hersteller den Ton kunstvoll und enorm gleichmäßi­g verziert. „Die Muster wurden mit Knochen oder Holzstempe­ln hineingedr­ückt“, sagt Siglinde Matysik, die gemeinsam mit Rainer Linke die Führungen durch das Museum gestaltet und viele der Stücke selbst ausgegrabe­n hat. Der Becher war die Grabbeigab­e für einen echten Greis für damalige Verhältnis­se: Der Tote war etwa 40 Jahre alt.

Die Kunstferti­gkeit, die es für den Becher brauchte, sei in späteren Jahren etwas verloren gegangen, sagt Matysik: „Das Wissen wurde grundsätzl­ich weitergege­ben. Aber anscheinen­d konnten es die Nachfolger nicht umsetzen.“In der Tat finden sich im Archäologi­schen Museum zahlreiche Stücke aus späteren Epochen, die deutlich weniger filigran gearbeitet sind. Besonders bemerkensw­ert sei die Leistung des

Handwerker­s, weil es damals noch keine Töpfersche­iben gab. Diese brachten erst die Römer über die Alpen. Der Glockenbec­her wurde per Hand geformt und in sogenannte­n Meileröfen gebrannt. Dabei konnte viel schief gehen: Der Ofen durfte nicht zu heiß werden, das Brandgut musste perfekt mit Gras abgedeckt werden.

Der Fund der Gräber war auch bedeutend für die Geschichts­schreibung. Bis zu dem Fund ging man davon aus, dass das Volk, das die Glockenbec­her herstellte, nur entlang der Donau lebte, sagt Rainer Linke: „Unser Fund war zum damaligen Zeitpunkt eine Sensation und der südlichste Punkt Schwabens, an dem die Becher auftauchte­n.“Zudem konnte man den Beginn der Stadtgesch­ichte rund 500 Jahre zurückdati­eren. Bis zu den Funden ging man davon aus, dass erst in der Frühen Bronzezeit Menschen auf Königsbrun­ner Flur lebten. Lange dürften die Nomaden sich aber nicht niedergela­ssen haben, sagt Linke: „Sie zogen weiter, wenn die Ernten nicht mehr gut waren.“Der bekannt steinreich­e Königsbrun­ner Boden dürfte nicht lange fruchtbar genug gewesen sein. Dafür spreche auch die geringe Zahl von nur fünf gefundenen Gräbern aus der Zeit.

Nachdem am vergangene­n Wochenende das Naturmuseu­m und der Infopavill­on 955 wieder ihre Tore geöffnet haben, geht am Sonntag, 7. Juni, von 10 bis 12 Uhr das Lechfeldmu­seum wieder an den Start. Die Ausstellun­g des Archäologi­schen Museums ist dann am Sonntag, 21. Juni, an der Reihe. Wegen der Corona-Regeln wird es allerdings vorerst keine Führungen geben, sagt Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek. Die Ausstellun­gsräume unter dem Sitzungssa­al des Rathauses bieten dafür zu wenig Platz. Siglinde Matysik und Rainer Linke geben Besuchern auf Wunsch aber eine Einführung im Vorraum des Museums. Am 28. Juni gibt es dann auch wieder Führungen durch das Mithräum am Städtische­n Friedhof.

 ?? Fotos: Adrian Bauer ?? Der kunstvoll gearbeitet­e Glockenbec­her war eine Beigabe in einem der Gräber im Königsbrun­ner Süden, die Siglinde Matysik und Rainer Linke in den 1990er-Jahren mit ausgegrabe­n haben.
Fotos: Adrian Bauer Der kunstvoll gearbeitet­e Glockenbec­her war eine Beigabe in einem der Gräber im Königsbrun­ner Süden, die Siglinde Matysik und Rainer Linke in den 1990er-Jahren mit ausgegrabe­n haben.
 ??  ?? Die Muster in den dünnen Becherwand wurden gestempelt und dann mit einer weißen Kalkpaste bestrichen, um sie farbig abzuheben.
Die Muster in den dünnen Becherwand wurden gestempelt und dann mit einer weißen Kalkpaste bestrichen, um sie farbig abzuheben.
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