Schwabmünchner Allgemeine

Auf dem Campus gibt es viel zu sehen

Stelen, Skulpturen, Keramik: Rund um die Augsburger Universitä­t warten über hundert zeitgenöss­ische Werke auf ihre Entdeckung. Die Wege dorthin weist ein neu aufgelegte­r Kunstführe­r

- VON ANGELA BACHMAIR

Die Museen sind geschlosse­n, dennoch gibt es in der Stadt Augsburg reichlich Kunstwerke zu betrachten – unter freiem Himmel. In einer Serie stellen wir Ihnen Kunstwerke im öffentlich­en Raum vor.

Wann waren Sie überhaupt das letzte Mal da? Oder, wenn Sie Student oder Studentin sind und deshalb oft dort sind, wann haben Sie das letzte Mal geguckt? Die Rede ist vom Universitä­tscampus und von den vielen Kunstwerke­n, die dort zu sehen sind – wenn man hingeht und wenn man guckt.

Jetzt, da die Museen geschlosse­n sind, bekommt der Kunstpark an der Universitä­t vielleicht neue Aufmerksam­keit, denn das ist ein überaus zeitgemäße­s Angebot: sich an der frischen Luft zu bewegen und dabei den Hunger nach Kunst zu stillen. Was für solcherart interessie­rte Spaziergän­ger hilfreich sein kann, das ist das Büchlein „Kunst am Campus“, das jetzt zum 50-jährigen Bestehen der Universitä­t neu aufgelegt, dazu überarbeit­et und erweitert wurde und insgesamt 30 Werke vorstellt.

Vor 15 Jahren haben die Kunstpädag­ogin Constanze Kirchner und der Politologe Hans-Otto Mühleisen den ersten Guide verfasst. Damals waren von den insgesamt über 100 Campus-Kunstwerke­n vor allem Arbeiten der frühen Zeit ausführlic­h dargestell­t, etwa der wuchtige Granitbloc­k von Nikolaus Gerhart oder die erzählende „Archiva“-Göttin von Jürgen Goertz nahe dem Staatsarch­iv. Es endete bei Erika Berkhemers verspielte­m Alubrunnen zwischen Wirtschaft­s- und Jura-Fakultät und bei Jonathan Borowskys witzigem

Die Fibonacci‰Folge als Vorbild

Es sind vor allem Künstler der Münchner Akademie

„Flying Man“, der seit dem Jahr 2000 im Foyer der Juristisch­en Fakultät die Jurastuden­ten vor dem Absturz in den Paragrafen­dschungel warnt.

Jetzt sind auch jüngere Arbeiten enthalten, die bis 2010 aufgestell­t wurden. Zum Beispiel die zwölf Meter hohen farbigen Mikadostäb­e von Edgar Knoop beim Institut für Physik, ein weithin sichtbares Zeichen, das auf den ersten Blick auf die Geschickli­chkeit beim Lernen und Experiment­ieren anzuspiele­n scheint, vom Künstler aber tatsächlic­h nach der berühmten Zahlenfolg­e des mittelalte­rlichen Mathematik­ers Leonardo Fibonacci angeordnet wurde.

Erklärt wird das in einem knappen Text, mit dem alle Kunstwerke in dem Buch versehen sind, verfasst von Studierend­en und Lehrenden der Kunstpädag­ogik, und ergänzt von einer kurzen Vita des Künstlers natürlich, von Abbildunge­n der Werke. Wenn die Texte ein oder zwei typografis­che Punkte größer gedruckt worden wären, könnte man sie unangestre­ngter lesen – denn sie sind es wert, gelesen zu werden.

Man erfährt da etwa, dass das 30 Meter lange hängende Stahlband (von Hermann Kleinknech­t ebenfalls nahe der Physik platziert), das so voller Spannung und so leicht wirkt, in Wahrheit tonnenschw­er ist. Die Physik zog auch den aus Hiroshima stammenden Bildhauer Hiromi Akiyama (1937–2012) an. Sein Stelenpaar aus Granit und Stahl markiert mit je einer dazugehöre­nden Bodenplatt­e als Spiegelbil­d die Koordinate­n des Raums. Nicht weit davon, beim Anwenderze­ntrum für Material- und Umweltfors­chung, winden sich blaue Keramikfli­eßen durch die Wiese, sind freilich schon sehr zugewachse­n. Das grafische Linienmust­er außen findet sein Pendant im Inneren durch insgesamt elf runde Keramikpla­tten, auf denen wiederum feine Linien kreisförmi­g wuchern. Innen und außen, beides gehört zum Projekt „Fayencen“des Münsterane­r Bildhauers Stephan Baumkötter.

Überhaupt sind oft schöne Korrespond­enzen zwischen dem Innenund Außenberei­ch, zwischen signalhaft wuchtigem Großformat (der rote „Trojaner“von Georg Zey beim Institut für Informatik) und subtiler Zartheit entstanden – etwa die Rauminstal­lation „Wandel“mit

flirrenden Stahlnadel­n von Yoshiyuki Miura in der Halle des Hörsaalzen­trums Physik oder der poetische „Novalis-Hain“, eine Landschaft­sskulptur des LandArtKün­stlers Nils-Udo, die leider dem neuen Kunstzentr­um weichen musste. Von ihr sieht man nur noch vereinzelt­e Steinblöck­e.

Immer noch da, wenn auch zum Teil erst durch genaues Hinschauen zu entdecken, sind einige der „alten“, also schon seit den 1970er Jahren aufgestell­ten Campus-Kunstwerke, und sie haben über die Jahre nichts von ihrer Aussage und ihrem Wert verloren. Christa von Schnitzler­s zarte Mädchen-Stele am UniTeich etwa, Michael Croissants überschmal­er „Kopf“vor der Zentralbib­liothek, Wolfgang Biers imsowie, mer wieder berührende Großform eines verletzten Kopfes auf dem Hügel am Nordende des Campus.

Oder Hans-Jürgen Breustes „Rastervers­ion Drogheda“. Diese Arbeit von 1982 wurde wegen des Baus der Straßenbah­n von dem Platz vor der Mensa in den Westbereic­h des Hörsaalzen­trums Physik umgesetzt und ist das vermutlich einzige Werk, das sich auf die Vergangenh­eit des Universitä­tsgeländes als Messerschm­itt-Rüstungssc­hmiede bezieht. Breuste erinnert mit seinem massigen Stahlgerüs­t, das wie umgekippte Eisenbahns­chienen wirkt, an das zerstörte Städtchen Drogheda, seine Arbeit kann als Mahnmal gegen den Krieg gesehen werden.

Das schreibt der Architektu­rhisihren toriker Gregor Nagler in seiner Werkbeschr­eibung und auch in einem längeren Text über Architektu­r und Kunst am Bau auf dem Campus. Constanze Kirchner schreibt über Wirkung von Kunst im öffentlich­en Raum, und HansOtto Mühleisen erläutert die segensreic­he Auswirkung der Bundestags­entscheidu­ng schon von 1950 (!), ein Prozent der Baukosten für

Kunstwerke auszugeben. Man erfährt in den Essays Interessan­tes über die Baugeschic­hte der Uni, über die Korrespond­enz von Architektu­r und Kunst, über die Veränderun­g des Raums durch Kunst und über die kunstpolit­ischen Entscheidu­ngen bei der Auswahl. Mühleisen weist zum Beispiel darauf hin, dass mehr als die Hälfte der auf dem Augsburger Campus vertretene­n Künstler aus der Münchner Akademie kamen.

So ist der Guide auch ein Lesebuch, aber vor allem ist er ein Wegweiser zu den Kunstwerke­n, durch fünf verständli­ch konzipiert­e Rundgänge, durch Gebäude- und Werkindex und durch eine Karte. Also eine nützliche Hilfe für den Herbstspaz­iergang zur Campus-Kunst.

Kirchner/Mühleisen: Universitä­t Augsburg – Kunst am Campus. Kunst‰ verlag Josef Fink, 120 S., 88 Abb., 5 ¤

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Fotos: Mercan Fröhlich Robert Kesslers „Pip“aus dem Jahr 2008 steht am Management Center am Westrand des Campus.
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Hans‰Jürgen Breustes „Rastervers­ion Drogheda“erinnert an das durch den Krieg zer‰ störte gleichnami­ge Städtchen.

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