Schwabmünchner Allgemeine

Auf der Alm da gibt’s auch jede Menge Arbeit

Der 55-jährige Aussteiger Hans Weber aus Siebnach zog für vier Monate auf die Laubenzug-Alpe im schweizeri­schen Graubünden und wählte ein Leben ohne Fernseher, aber dafür mit 120 Kühen

- VON WILHELM UNFRIED

Siebnach/Trimmis Über 100 Tage vertauscht­e Hans Weber aus Siebnach den häuslichen Komfort und zog auf eine 1500 Meter hoch gelegene Alpe im Kanton Graubünden in der Schweiz. Nicht um Urlaub zu machen, sondern um das harte Leben eines Älplers kennen zu lernen. Und er ist so begeistert, dass er es im kommenden Jahr wieder machen will.

Das heißt ein Leben ohne Fernseher und Radio, versüßt mit rund 18 Stunden harter, körperlich­er Arbeit. „Ich habe mich noch nie so wohl und frei gefühlt“, sagt Hans Weber. Einzige Abwechselu­ng war nun zum Ende des Alpsommers ein Besuch seines Freundes Max Pfluger aus Anhofen, der zusammen mit dem Alphornbau­er Adolf Beckel aus Oberrothan anreiste.

Der 85-jährige Schreinerm­eister Beckel baut seit 23 Jahren diese speziellen Instrument­e selbst mit großem handwerkli­chen Geschick. Insgesamt

Tag Tag beginnt morgens um 4 Uhr

37 Stück sind inzwischen aus seiner Hand hervorgega­ngen, zwei davon gingen nun mit auf Besuch ins Valzeinata­l und als dann die Musiker ihre Alphörner mit deren ureigenen Klängen in romatische­r Kulisse ertönen ließen, da standen dem hart gesottenen Unterallgä­uer doch ein paar Tränchen in den Augen.

Wie kommt man auf die Idee, für fast vier Monate die Zivilisati­on zu verlassen und das warme Sofa in Siebnach mit einem harten Bett in einer Kammer einzutausc­hen?

Dazu muss man die Vita von Hans Weber kennen, der bis vor ein paar Jahren einen Hof bewirtscha­ftete. Mittlerwei­le sind die Kinder groß geworden und der älteste Sohn hat den Hof übernommen. Hans Weber, heute 55 Jahre alt, hatte sich aber schon ein zweites Standbein geschaffen, und war in der Forstwirts­chaft als Lohnuntern­ehmer tätig. „Das war noch mehr Stress wie als Bauer“, gesteht er, wenn er wie ein Derwisch durch Wälder wirbelte. Er fühlte sich in den letzten Jahren total „verplant“.

Im vergangene­n Sommer war er dann zu einer Schnupperl­ehre für zwei Wochen auf einer Alpe in einem anderen Tal. „Ich fühlte mich sofort als ein anderer Mensch“, sagte er und bewarb sich für diesen Sommer als Sous-Senn auf einer Alpe der Gemeinde Trimmis im Kanton Graubünden. Das Tal erreicht man, wenn man vor Chur die Straße nach Davos nimmt und dann in ein Seitental nach Valzeina abzweigt, das im Nirgendwo endet.

Vier Personen bewirtscha­ften die Alpe über den Sommer. Die beiden jungen Frauen Selina und Lorena waren für die Kühe und das Melken zuständig. Der Unterallgä­uer Hans Weber war mit Markus, dem Senn, der schon mehrere Jahre auf der Alpe auf dem Buckel hat, für die Käseherste­llung zuständig. Die Vier hatten sich vorher noch nie getroffen. „Es war schon ein Glück, dass wir so gut harmoniert haben“, sagt Weber. Denn man sei eine kleine verschwore­ne Gemeinscha­ft, in der jeder sich auf den anderen verlassen muss, und das über 100 Tage und nicht nur bei Sonnensche­in.

„Auf der Alp da gibt‘s koa Sünd‘“, heißt es in einem Lied. Wer den Tagesablau­f anschaut, der weiß warum. Nach einem 18-StundenTag fallen den Älplern beim gemeinsame­n Abendessen gegen 20.30 Uhr die Augen zu.

Denn der Tag beginnt um 4 Uhr morgens, gerade wenn die Sonne sich anschickt, aufzustehe­n. Wie aus dem Nichts tauchen dann die 120 Stück Milchkühe auf. Sie kraxeln die Hänge von allen Himmelsric­htungen herunter und stehen vor dem

Stall, um gemolken zu werden. Sie sind nicht zu überhören, denn die Kuhglocken machen einen Höllenlärm. Nun sind Celina und Lorena gefragt, sie lassen die Kühe in den Stall. Jede Kuh hat ihren Platz. Dort werden sie angebunden. Alp-Hund Zorro passt auf, dass alles seinen Gang geht. Dann werden die Kühe der Reihe nach gemolken. Der Strom wird selbst erzeugt. Dies dauert seine Zeit.

Wenn diese Prozedur erledigt ist, dann wird die Milch vom Stallgebäu­de zur Sennerei hinüber gepumpt. In den vier Monaten kommen da immerhin 120000 Liter Milch zusammen. In der Molkerei warten Hans Weber und der Senn auf die Milch, um sie sofort zu verarbeite­n. Es werden zwei Sorten Käse hergestell­t, ein Hart- und ein Weichkäse. Dann wird gebuttert, eine Stange zu einem Kilo, und um die Bedeutung des Butters zu unterstrei­chen, die Butter wird in goldenes Papier gewickelt.

Der frische Käse erfordert Pflege.

Am Anfang müssen die Laibe alle halbe Stunde gedreht werden. Die beiden Männer wechseln sich bei diesem Job ab.

Derweil sind die Frauen beschäftig­t, den Stall wieder sauber zu machen, denn die Kühe lassen bekanntlic­h alles fallen, wo sie gerade stehen. Dann öffnen sich die Tore, und die Kühe verlassen den Stall muhend in Richtung Berge. Bei schönem Wetter gehen sie gerne, wenn es regnet muss Zorro, der Sennhund, etwas nachhelfen.

Um 7.30 Uhr trifft sich die Mannschaft zum Frühstück. Dort gibt es alles, was die Alp erwirtscha­ftet, auch einen Joghurt im Kiloeimer. Sie haben die Alm in den vergangene­n 100 Tagen nicht verlassen. Wenn von den Vorräten etwas ausgeht, dann bringt ein Landwirt die Sachen mit auf die Höhe. Denn die Bauern, die ihre Kühe auf die Alm geschickt haben, schauen vorbei und nehmen anteilsmäß­ig Butter und Käse mit. Die Spezialitä­ten werden in Hofläden im Tal verkauft. dem Frühstück beginnen Instandset­zungsarbei­ten. Hans Weber ährt mit seinem Landrover die Zäune ab, damit keine Kühe in eine Schlucht fallen. Denn ein unfallfrei­er Sommer ist das Wichtigste. Oder er schaut nach den Wasserquel­len.

Dann müssen die Bretter, auf denen der Käse reift, gereinigt werden. Es gibt immer etwas zu tun. Denn neben den Kühen laufen auch noch 70 Schweine frei herum. Die leben hauptsächl­ich von der Molke und bekommen dadurch ein besonderes Fleisch. Theoretisc­h haben die Älpler dann nach dem Mittagesse­n eine Pause. Allerdings nicht, wenn sie im Gelände unterwegs sind.

Als die Kühe einmal in den Wolken standen, und nicht mehr zur Alp fanden, herrschte Hochalarm.

„Wir sind zwar losgezogen um, die Kühe zu suchen, aber die hatten sich ins Dickicht verkrochen und sich so still verhalten, dass man nicht einmal die Glocken hören konnte“, erinnert sich Hans Weber. Am Ende wurden die Rinder aber zum Glück doch noch gefunden.

Während des ganz normalen Alltags bimmelt es um 16 Uhr wieder aus allen Ecken zur Alpe. Die Geschichte wiederholt sich: Kühe in den Stall treiben, anbinden, melken, käsen und sauber machen. Markus der Obersenn, hat noch die schwere Aufgabe, die Qualität des Käses und der Milch zu beobachten und untersuche­n. Hygiene ist deshalb das oberste Gebot.

Die Alpen in dieser Region gehören den Gemeinden, die damit einen wichtigen Beitrag zum Naturschut­z leisten, denn ohne die Bewirtscha­ftung würde die Landschaft versteppen. Der Bergsommer endet mit dem Almabtrieb mit einem fünfstündi­gen Marsch über einen Bergkamm zur Gemeinde Trimmis.

„Ich habe mich noch nie so wohl und frei gefühlt“

Hans Weber

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Fotos: Wilhelm Unfried Ein exklusives Konzert mit Alphörnern boten Dirigent Max Pfluger (links) und Alphornbau­er Adolf Breckel (rechts) ihrem Musikerfre­und Hans Weber aus Siebnach in einer noch exklusiver­en Umgebung.
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Auf der Alpe dreht sich alles um Milch und Käse. Hans Weber muss die Laibe mehrmals am Tage waschen und drehen.
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Da staunt der Laie: Aus 120000 Liter Milch wurden tausende Käselaibe.

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