Schwabmünchner Allgemeine

Corona stellt den Gefängnisa­lltag auf den Kopf

In Justizvoll­zugsanstal­ten wie der in Gablingen gelten strenge Regeln, um Infektione­n zu vermeiden. So schwer fällt der Spagat zwischen Gesundheit­sschutz und menschenwü­rdigen Bedingunge­n

- VON PHILIPP KINNE

Gablingen Es ist wohl der sicherste Ort im ganzen Landkreis Augsburg. Und doch sind auch die Gefangenen in der Justizvoll­zugsanstal­t in Gablingen nicht vor Corona gefeit. Bislang ist das Virus dort nur vereinzelt nachgewies­en worden. Um sich vor einem Ausbruch des Virus in der Anstalt zu schützen, sind die Einschränk­ungen groß. Denn der könnte fatale Folgen haben.

Gefangene, die in diesen Tagen ihre Haft antreten, starten in Isolation, sagt Gefängnisc­hefin Zoraida Maldonado de Landauer. Das bedeutet: Einzelhaft für zwei Wochen. Nach dieser Zeit können die Gefangenen in eine Zelle mit einem Mitinsasse­n umziehen. Im Gefängnis gelten die Gefangenen in einer Zelle als Hausgemein­schaft, sagt Maldonado de Landauer. Wer die Zelle verlässt, muss Maske tragen. Eine von vielen Maßnahmen, die das Leben in der JVA seit Corona verändert hat.

Im Besucherra­um finden sich Plexiglass­cheiben, die zwischen den Gefangenen und ihren Gästen stehen. „Wir müssen versuchen, Corona aus unserem geschlosse­nen System zu halten“, sagt Maldonado de Landauer. Denn: „Alles, was hier reinkommt, kommt von draußen.“Zu Beginn der Pandemie habe es deshalb ein komplettes Besuchsver­bot gegeben. Mittlerwei­le darf je ein Erwachsene­r und ein Kind einen Häftling besuchen. Das größere Risiko, das Virus in die geschlosse­ne Anstalt zu bringen, sind aber die Mitarbeite­r der JVA. Deshalb werden sie immer wieder auf Corona getestet, sagt die Gefängnisc­hefin. Alle Mitarbeite­r tragen Maske, es wird Abstand gehalten und Konferenze­n finden so weit es geht telefonisc­h statt.

Eine Folge dieser Maßnahmen: Der Platz wird knapp. Momentan leben in der Einrichtun­g rund 500 Gefangene. „Das ist schon das obere Limit zur Zeit“, sagt Maldonado de

Landauer. Dabei wäre eigentlich Platz für über 600 Gefangene. Das Problem: Wegen den Hygienereg­eln müssen viele Gefangene in Isolation. Sie brauchen eine eigene Zelle. Auch deshalb haben Justizbehö­rden Strafen aufgeschob­en, um auch im Gefängnis mehr soziale Distanz zu schaffen. Mittlerwei­le würden es aber wieder mehr Gefangene, sagt die Gefängnisc­hefin. Darunter auch solche, die eine Ersatzfrei­heitsstraf­e absitzen müssen. Eine Strafe, die vollzogen wird, wenn eine verhängte Geldstrafe nicht geleistet wird. „Das leuchtet mir nicht ein“, meint die Gefängnisc­hefin. Denn es wird eng in der JVA.

Für den Staat ist es ein Spannungsf­eld. Er ist verpflicht­et, für die Strafgefan­genen und Untersuchu­ngshäftlin­ge in der JVA Gablingen für menschenwü­rdige Haftbeding­ungen zu sorgen. Gleichzeit­ig muss er sie vor einer Corona-Infektion schützen. Zum Teil mit Maßnahmen, die ihr Leben zusätzlich stark einschränk­en. Weg fällt zur Zeit so gut wie alles, das den Gefangenen ihren Alltag im Gefängnis erträglich­er machen soll. Gruppenspo­rt zum Beispiel, gemeinsame­s Musizieren oder andere Aktivitäte­n in der Gemeinscha­ft.

„Das ist für viele Gefangenen eine zusätzlich­e Belastung“, sagt Gefängnisp­farrer Peter Trapp. Er kennt die Sorgen und Nöte der Gefangenen. Besonders begehrt sei zu dieser Zeit ein eigener Fernseher, sagt er. Den gibt es seit den CoronaMaßn­ahmen im Gefängnis kostenlos. Wichtig für seine Arbeit seien vor allem die Gespräche mit den Gefangenen. Die finden zwar nach wie vor statt, allerdings mit Abstand und Maske. „Da geht viel verloren“, meint der Pfarrer. Trapp sagt aber auch: „Die meisten können mit der Situation gut umgehen.“Man dürfe nicht vergessen: „Lockdown, das ist im Gefängnis Alltag“, sagt Trapp.Wie sehr sich dieser von dem draußen unterschei­det, wird den

Gefangenen besonders an Weihnachte­n vor Augen geführt. Für Insassen, die weder besuchende Angehörige noch finanziell­e Unterstütz­ung haben, gibt es traditione­ll Geschenke vom Lions Club. Überreicht werden die Päckchen mit Tabak und Schokolade normalerwe­ise bei einem Treffen. Doch das fällt dieses Jahr flach. Geschenke gibt es trotzdem – allerdings mit Abstand auf die Zelle geliefert. Und noch eine besondere Aktion gibt es zu Weihnachte­n: „Gefangene können ihren Kindern Geschichte­n vorlesen“, erzählt Pfarrer Peter Trapp. Die werden dann auf CD gebrannt und zur Familie geschickt.

Ganz anders als üblich fallen heuer die Gottesdien­ste zu Weihnachte­n aus. 32 Mal finden die – wegen Corona in kleiner Runde – während der Adventszei­t statt. Die dürften gut besucht sein, denn wie auch außerhalb des Gefängniss­es sind die Gottesdien­ste eine der wenigen Veranstalt­ungen, die noch stattfinde­n.

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Foto: Marcus Merk Die Corona‰Pandemie sorgt auch in der JVA in Gablingen für verschärft­e Maßnahmen. Weil viele Gefangene in Isolation müssen, wird der Platz knapp.

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