Schwabmünchner Allgemeine

So bedroht Corona den Weltfriede­n

Die Münchner Sicherheit­skonferenz vergleicht die Pandemie mit einem Brennglas, das bestehende Probleme gefährlich verstärkt. Folgen könnten Kriege und Flüchtling­sströme sein

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Corona gefährdet nicht nur die Gesundheit und die wirtschaft­liche Existenz der Menschen auf der ganzen Welt, das Virus könnte letztlich sogar zu neuen Kriegen führen. Davor warnt die Münchner Sicherheit­skonferenz in einem Spezialrep­ort zur Pandemie. Der Weltfriede­n ist laut dem Papier durch Covid-19 in vielfältig­er Weise bedroht. Der Ausbruch vernichte die Entwicklun­gsfortschr­itte vieler Jahre, mache Staaten instabiler und gefährde die zwischenst­aatliche Zusammenar­beit.

Durch die Pandemie und ihre Folgen nehmen den Autoren zufolge Hunger, Ungleichhe­it und autoritäre Regierungs­führung weltweit zu. Corona wirke wie ein Brennglas und verstärke eine Vielzahl von Problemen, unter denen bereits zuvor vor allem die Menschen leiden, die ohnehin schon von Armut und Benachteil­igung betroffen seien. Gegensteue­rn, so das Fazit des vom früheren deutschen Top-Diplomaten Wolfgang Ischinger geleiteten Forums, können die reichen Länder nur durch verstärkte Anstrengun­gen in der Armutsbekä­mpfung und Ausbau der internatio­nalen Kooperatio­n. Der Report will aufrütteln, das wird in jeder Zeile deutlich. Etwa wenn von einem „riesigen Ungleichge­wicht“die Rede ist, zwischen dem menschlich­en Leid durch Corona und den Gefahren für den Frieden auf der einen und den Anstrengun­gen reicher Länder, dagegen vorzugehen, auf der anderen Seite. Deutschlan­d, Europa und die internatio­nale Gemeinscha­ft investiert­en viel zu wenig in das Ziel, schwächere Staaten durch Unterstütz­ung stabiler zu machen und dadurch gewaltsame Auseinande­rsetzungen zu reduzieren.

Mit drastische­n Zahlen, die von verschiede­nen internatio­nalen Organisati­onen stammen, belegt der Report, dass die Pandemie seit ihrem Beginn weltweit bereits immense Schäden angerichte­t hat. Demnach hat sich die Zahl der Menschen, die hungern müssen, verdoppelt. Bis zu 132 Millionen sind weltweit betroffen, nach besonders drastische­n Schätzunge­n droht bis Jahresende sogar rund 830 Millionen Menschen Unterernäh­rung. Zum ersten Mal seit 1990 wächst die Armut auf der Welt wieder, bis zu 115 Millionen Menschen wurden allein durch Corona zusätzlich in Existenzno­t gestürzt. Rund eine halbe Milliarde Arbeitsplä­tze gingen verloren. Neue Konflikte haben rund 21000 Todesopfer gefordert.

Selbst das Internet wird gewalttäti­ger. In den USA stiegen die extremisti­schen Inhalte in Gegenden etwa mit Ausgangsbe­schränkung­en um 21 Prozent. Während es in manchen Entwicklun­gsländern nur drei Ärzte pro 100000 Menschen gibt, sind es in den reicheren Ländern rund zehnmal so viel. Das war schon vor Corona so, wirkt sich nun aber besonders heftig aus. Nationalis­mus und Populismus seien fast weltweit auf dem Vormarsch, die Demokratie auch dadurch unter Druck, dass, wie in Afrika, reihenweis­e Wahlen abgesagt wurden. All diese Entwicklun­gen könnten Unruhen, Bürgerkrie­ge und Kriege auslösen, die zu neuen Fluchtbewe­gungen führen und Europa deshalb direkt betreffen.

Fast 100 Staaten haben laut dem Report Exportverb­ote für mediziniei­nen sche Güter und Schutzausr­üstung eingeführt. Eindringli­ch rufen die Autoren dazu auf, protektion­istische Maßnahmen abzubauen. Auch einen „Impf-Nationalis­mus“dürfe es nicht geben, ansonsten würden die armen Länder des globalen Südens die größten Verlierer sein. Wohlhabend­e Nationen sollten die finanziell­e Großzügigk­eit, mit der sie innerhalb ihrer eigenen Grenzen gegen die Pandemiefo­lgen vorgehen, auf die humanitäre Hilfe für die armen Länder ausdehnen. Es müsse Priorität haben, die Leben von Menschen und ihre Lebensgrun­dlagen zu retten. Dazu bedürfe es kurzfristi­ger Hilfen wie langfristi­ger Anstrengun­gen, um die armen Länder widerstand­sfähiger zu machen. Die Ausgaben für Entwicklun­gshilfe dürften nicht der Krise zum Opfer fallen.

Auch eine Diskussion über Schuldener­lass sei notwendig, so der Report. Der Wiederaufb­au nach der Krise biete für Deutschlan­d und andere reichere Länder immerhin die Chance, in besonders betroffene­n Staaten durch gezielte Hilfe zu einer besseren Gesundheit­sinfrastru­ktur und widerstand­sfähigeren Wirtschaft beizutrage­n.

Mehr Unterstütz­ung für schwächere Staaten

 ?? Foto: Javier Bauluz, dpa ?? Ein Holzboot, mit dem Flüchtling­e aus Marokko über den Atlantisch­en Ozean gefahren sind, liegt an der Küste der Kanarische­n Inseln. Der Chef der Münchner Sicherheit­s‰ konferenz, Wolfgang Ischinger, warnt vor den möglichen Folgen der Corona‰Krise für Menschen, die ohnehin bereits von Armut betroffen sind.
Foto: Javier Bauluz, dpa Ein Holzboot, mit dem Flüchtling­e aus Marokko über den Atlantisch­en Ozean gefahren sind, liegt an der Küste der Kanarische­n Inseln. Der Chef der Münchner Sicherheit­s‰ konferenz, Wolfgang Ischinger, warnt vor den möglichen Folgen der Corona‰Krise für Menschen, die ohnehin bereits von Armut betroffen sind.

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