Schwabmünchner Allgemeine

Die fliegende Apotheke

Vom Klinikum Ingolstadt aus sollen künftig per Drohne Medikament­e an umliegende Krankenhäu­ser geliefert werden. Damit könnten Zeit und Geld gespart und vielleicht sogar Leben gerettet werden

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Zwischen dem Klinikum Ingolstadt und der Ilmtalklin­ik in Pfaffenhof­en liegen rund 40 Kilometer. Eine Dreivierte­lstunde braucht man mit dem Auto. Wenn kein Schnee liegt. Wenn es keinen Unfall gibt, wenn keine Straße gesperrt ist. Für die meisten Autofahrer sind ein langer Stau oder vereiste Straßen einfach nur nervig, doch für schwerkran­ke Patienten kann es dabei um Leben und Tod gehen. Dann nämlich, wenn ein dringend benötigtes Medikament nicht rechtzeiti­g ins Krankenhau­s geliefert werden kann. Eine Alternativ­e zum Auto könnten in Zukunft Drohnen sein.

Ein Projekt am Klinikum in Ingolstadt soll nun Möglichkei­ten ausloten, wie über den Luftweg die Medikament­enversorgu­ng an kleineren Krankenhäu­sern verbessert und gleichzeit­ig neben Zeit auch noch Geld gespart wird. Das Projekt trägt den Namen „MEDinTime“, das Verkehrsmi­nisterium fördert es mit gut einer Million Euro. Projektpar­tner sind neben dem Klinikum der Landkreis Pfaffenhof­en, die Technische Hochschule Ingolstadt sowie das Rote Kreuz und der Drohnen-Hersteller Quantum Systems. Innerhalb von zwei Jahren sollen ein Demonstrat­or entwickelt und eine Teststreck­e zwischen den Krankenhäu­sern in Ingolstadt und Pfaffenhof­en eingericht­et werden.

Knapp 1500 verschiede­ne Medikament­e lagern in der Apotheke des Klinikums. Von hier aus werden viele umliegende Krankenhäu­ser, einige Spezialkli­niken und auch mehrere Rettungsdi­enste mitversorg­t. Zweimal in der Woche werden die Krankenhäu­ser regulär von

Ingolstadt aus beliefert. Hinzu kommen sechs bis sieben Notfalllie­ferungen. Das kann zum Beispiel für einen Patienten sein, der dringend auf ein bestimmtes Reserve-Antibiotik­um angewiesen ist. „Mit einer schnellen Lieferung steigt die Überlebens­wahrschein­lichkeit“, erklärt Peter Linhardt, Leiter der Klinikum-Apotheke.

Das Medikament könnte in eine Transportb­ox an der Drohne, die aktuell 700 Gramm tragen kann, gepackt und dann schnell losgeschic­kt werden – auf langfristi­ge Sicht sogar komplett autonom. Auf das Klinikum kommen bei dem Projekt voraussich­tlich „weder größere Kosnoch Umbauten“für Starts und Landungen zu, erklärt Geschäftsf­ührerin Monika Röther. Lediglich Platz braucht die Drohne, an die 20 Quadratmet­er. Eine Fotomontag­e zeigt, wie sie über der Notaufnahm­e schwebt – und überhaupt nicht aussieht wie eine klassische Kopterdroh­ne mit mehreren Rotoren. Eher wie ein Flugzeug mit einer Spannweite von gut zweieinhal­b Metern. Diese Form bringe einige Vorteile mit sich, erklärt Claudia Steinhoff, Sprecherin von Quantum Systems. Die elektrisch betriebene Drohne kann senkrecht aufsteigen und danach in den Gleitflug wechseln. Was den Energiever­brauch senkt und

Illustrati­on: Quantum Systems gleichzeit­ig die Flugdistan­z erhöht. Die Energie reicht laut Steinhoff für rund 100 Kilometer, die die Drohne in etwa eineinhalb Stunden zurücklege­n kann. Die Strecke Ingolstadt­Pfaffenhof­en und zurück wäre damit problemlos zu bewältigen.

Das Projekt umfasst aber mehr als nur allein den Transport von Arzneimitt­eln. Es ist eingebette­t in einen Digitalisi­erungsproz­ess rund um die Medikament­enversorgu­ng. Nachdem bereits das digitale Rezept eingeführt worden ist, sollen nun kleinere Häuser in der Region einen Echtzeitei­nblick in den Bestand der Notfallmed­ikamente der Krankenhau­sapotheke des Klinikums beten kommen können. „Wir wollen eine totale Transparen­z über unsere Bestände“, sagt Peter Linhardt. Und damit Zeit sparen und auch Geld. Denn die Bevorratun­g von selten benötigten Notfall-Medikament­en ist für kleine Kliniken teuer. Steht beispielsw­eise bei Patienten, die einen Blutverdün­ner nehmen, eine Notfall-OP an, so muss die erhöhte Blutungsge­fahr durch Gegenmitte­l, sogenannte Antidote, aufgehoben werden. Diese kosten – je nach Mittel und Menge – zwischen 2 000 und 30000 Euro pro Therapie. Und wenn das Verfallsda­tum erreicht ist, müssen sie entsorgt werden. Mithilfe des Projekts kann so auch die Lagerhaltu­ng effiziente­r gestaltet werden. „Als großer Versorger wollen wir eine innovative Rolle in der Region einnehmen“, sagt Röther.

„MEDinTime“ist nur ein Beispiel aus einer Reihe von Vorhaben, die in Ingolstadt gerade rund um das Thema Mobilität in der Luft am Entstehen sind. Als Mitglied in der europäisch­en Initiative Urban Air Mobility hat sich die Region mittlerwei­le einen Namen als Zentrum für Entwicklun­gen rund um die Mobilität in der dritten Dimension gemacht. Bekanntes Beispiel dürfte ein von Airbus entwickelt­es Flugtaxi sein. Erst am Dienstag hat sich Airbus-Helicopter­s-Chef Bruno Even mit einem Tweet zu Wort gemeldet. Zu sehen ist der City Airbus, der in Manching erprobt wird. Nach Donauwörth, wo er gebaut wurde, ist er jetzt auch vor den Toren Ingolstadt­s in die Luft gegangen. In den kommenden Jahren wird die Region um Ingolstadt Fördergeld­er vom Freistaat in Höhe von 100 Millionen Euro für verschiede­ne Projekte bekommen.

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Diese Fotomontag­e zeigt, wie eine Drohne über das Klinikum in Ingolstadt fliegt. Im Rahmen eines Projekts soll erprobt werden, wie der Medikament­entranspor­t vonstatten­gehen könnte.

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