Schwabmünchner Allgemeine

Todesfahrt in Trier

Ein Mann überfährt mit seinem Sportgelän­dewagen mehrere Menschen in der Innenstadt. Darunter ein neun Monate altes Kind. Was über die Amokfahrt bekannt ist

- Birgit Reichert, dpa

Trier Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der mutmaßlich­en Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerz­one mit weiß-rotem Polizei-Band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast sein muss, liegen an diesem grauen Dezemberta­g wahllos Dinge auf der Straße. Die Polizei spricht von fünf Toten, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt im Krankenhau­s. Festgenomm­en wird ein 51 Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Das PS-starke Fahrzeug, so die Erkenntnis­se der Polizei, soll in der historisch­en Stadt an der Mosel von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast sein, dem weltberühm­ten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophs­traße sei der Wagen nach etwa 200 Metern von der Polizei gestoppt und der Fahrer überwältig­t worden.

Der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) spricht von einem „sehr langen Tatweg“, der Meter für Meter untersucht werde. „Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkrä­ften.“Lewentz ist zusammen mit Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt. Beide stehen sichtbar erschütter­t im fahlen Licht der TVKameras. „Es ist einfach nur furchtbar“, sagt Dreyer. Das Allerschli­mmste sei, dass Menschen ihr Leben verloren hätten. Unweit schlagen die Glocken des mächtigen Doms. Bischof Stephan Ackermann hat für den Abend zum Gebet für die Opfer in die Mutterkirc­he des Bistums eingeladen.

Oberstaats­anwalt Peter Fritzen zufolge soll der mutmaßlich­e Fahrer betrunken gewesen sein – er nennt einen Atemalkoho­lwert von 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspun­kte für ein psychiatri­sches Krankheits­bild. Und es gebe dringenden Tatverdach­t wegen Mordes in fünf Fällen. Den Ermittlung­en zufolge soll der Wagen Zickzack-Linien gefahren sein – möglicherw­eise, um so Menschen zu treffen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. An der Porta Nigra flackern kleine Teelichter, die eine junge Frau aufgestell­t hat. Sie wolle damit ihr Mitgefühl für die Betroffene­n ausdrücken, sagt sie. „Es ist alles so schrecklic­h.“

Sichtbar erschütter­t schildern Augenzeuge­n, wie Menschen bei dem furchtbare­n Zwischenfa­ll durch die Luft geschleude­rt wurden. „Es ist unfassbar. Wir sind fassungslo­s“, sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerz­one grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinp­flastern sieht man einen Blutfleck, blutgeträn­kte Tücher. „Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht“, sagt sie.

Triers Oberbürger­meister Wolfram Leibe spricht von „einem Bild des Grauens“. Er sei nach dem Vorfall durch die Innenstadt gelaufen. „Es war einfach nur schrecklic­h“, sagt der SPD-Politiker und schildert, wie er einen Turnschuh – wohl von einem der Opfer – gesehen habe. „Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken, das kann bei uns nicht passieren. Jetzt ist es auch in Trier passiert.“

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnac­htlich geschmückt­en Trier. Die Kommune mit rund 112000 Einwohnern gilt als älteste Stadt Deutschlan­ds, ist auch bekannt als Geburtsort von Karl Marx (1818– 1883). In internatio­nale Schlagzeil­en gerät Trier nur selten, schon gar nicht wegen Kapitalver­brechen.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschraub­er über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerun­g zunächst, das Zentrum zu meiden. Dann macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenomm­en worden. Die Erleichter­ung ist spürbar. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Darauf sind zwei Polizeiaut­os zu sehen, die einem beschädigt­en Wagen offenbar den Weg abschneide­n. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer – vermutlich Sicherheit­skräfte – halten ihn fest.

Stunden nach der Nachricht von der Festnahme hasten noch wenige Menschen an den Geschäften vorbei. Durch die nasskalte Luft dröhnen noch einige schrille Polizeisir­enen. Von einer „irrsinnige­n Tat“spricht Ministerpr­äsidentin Dreyer. „Das ist ein schlimmer, schrecklic­her Tag.“

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Foto: Harald Tittel, dpa Einsatzkrä­fte der Polizei sind nahe der Fußgängerz­one in Trier im Einsatz, in der ein Auto am Dienstag mehrere Menschen erfasste und nach ersten Erkenntnis­sen fünf von ih‰ nen tödlich verletzte.

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