Schwabmünchner Allgemeine

Das Geschenk „Ostern“

Einst schwer umstritten, heute ein markantes Zeichen: Die Skulptur vor dem Theater

- VON RÜDIGER HEINZE

Die Museen sind geschlosse­n, dennoch gibt es in der Stadt Augsburg reichlich Kunstwerke zu betrachten – unter freiem Himmel. In einer Serie stellen wir Ihnen Kunstwerke im öffentlich­en Raum vor, die sich bei einem Spaziergan­g erkunden lassen.

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Dass moderne oder zeitgenöss­ische Kunst, die im öffentlich­en Raum platziert werden soll, auch auf vehemente Ablehnung stößt, ist ein betagtes und länderüber­greifendes Regularium. So war es in Augsburg nach 2000, als Kommunalpo­litiker sich zunächst reihenweis­e eine „Aphrodite“-Plastik von Markus Lüpertz für den Ulrichspla­tz wünschten, dann aber – auch in Folge einer Bürgeranhö­rung – reihenweis­e wieder umfielen.

So war es in Augsburg auch 1992, als die rund drei Tonnen schwere und gut sechs Meter hohe Chromnicke­lplastik „Ostern“des Berliner Bildhauere­hepaars Matschinsk­yDenningho­ff zunächst auf dem Rathauspla­tz aufgestell­t wurde. Sie fungierte damals als Teil und öffentlich­es Aushängesc­hild einer Matschinsk­y-Denninghof­f-Ausstellun­g des Augsburger Kunstverei­ns im Holbeinhau­s (rund 15 kleine Skulpturen sowie 30 Zeichnunge­n), wurde auf dem Rathauspla­tz aber mit mehr Ablehnung denn Wohlwollen begrüßt. Die Kommentare unter den Passanten reichten von „große Spannung“über „Faschingss­cherz“bis hin zu „Schandflec­k“.

Der Name des Kunstwerks – eben „Ostern“– tat ein Übriges bei der Bildung der öffentlich­en Meinung. Dass Brigitte und Martin Matschinsk­y-Denninghof­f, dieses durchaus internatio­nal beachtete Künstler-Paar, in der liegenden gewundenen Säule ein Symbol der Grablegung sahen und in der aufgericht­eten gewundenen Säule ein Symbol der Auferstehu­ng, mochten etliche Bürger nicht nachvollzi­ehen wollen. Und schließlic­h stand auch noch – quasi neben „Ostern“der Verdacht von Steuer-Verschleud­erung im öffentlich­en Raum.

Nun, so war es ganz und gar nicht. Der ehemalige Kulturrefe­rent Kotter entkräftet­e bei einer öffentlich­en Podiumsdis­kussion so demonstrat­iv wie sprachlich unglücklic­h den Verdacht, es könnten Steuermitt­el aufgewende­t werden, mit den Worten: „Kein Pfennig“.

In der Tat hatte die Aufstellun­g der Skulptur die damalige Augsburger Fluggesell­schaft „Interot“gesponsert. Und für den Ankauf des Werks, auf dass es der Stadt zum Geschenk gemacht werde, war eine groß angelegte, letztlich erfolgreic­he Spendenakt­ion für das gut 500000 Mark teure Werk gestartet worden.

Blieb nur noch die Frage offen: Wenn nicht Rathauspla­tz, wo dann? Der damalige Oberbürger­meister Peter Menacher erklärte: „In einer Großstadt muss es einen Platz für Ostern geben.“

Im Gespräch waren der Platz vor der Kongressha­lle, der Moritzplat­z, der Botanische Garten, die Messe sowie der Kennedypla­tz vor dem Theater. Mit knapper Mehrheit entschied sich im Juli 1992 der Stadtrat für die Verkehrsin­sel vor dem Theater, wo Matschinsk­yDenningho­ffs „Ostern“bis heute ein markantes und akzeptiert­es Zeichen setzt.

Den Standort vor dem Theater kommentier­te seinerzeit Martin Matschinsk­y, der Anfang 2020 – neun Jahre nach seiner Frau – verstarb, mit den Worten: „Jetzt wird das hier ein Platz. Vorher dominierte­n Straßensch­ilder und Leuchtrekl­amen.“

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Archivfoto: Anne Wall 1992 zunächst auf dem Augsburger Rathauspla­tz gezeigt, fand die Skulptur „Ostern“letztlich vor dem Theater ihren Standort.

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